Die Überschrift klingt unglaublich...
Aber ein Haus aus dem Jahr 1970 (heute 250 m² Wohnfläche mit einem spezifischen primärenergetischen Energiebedarf von 270 kWh/m2 im Jahr und einem durchschnittlichen Gasverbrauch von 45.000 kWh (entspricht 4.500 Litern Heizöl)) produziert heute mehr Energie als seine Bewohner verbrauchen.
Umfangreiche Ertüchtigung der Gebäudehülle
Die Sprockhöveler Familie wollte im Jahr 2001 eine Renovierung ohne Entkernung. Daher blieben die klassischen Heizkörper bestehen. Die Gebäudehülle wurde nur an der West-Fassade gedämmt: alte zweifach verglaste Holzfenster (U-Wert ca. 3,0) wurden durch moderne Isolierglasfenster (U-Wert 1,4) ersetzt, und das Dach erhielt eine neue Eindeckung samt 18,5 cm Dämmung (U-Wert 0,23). Zusätzlich wurde auf der Südostseite eine 16m² große Solarthermieanlage installiert; im Keller wurde hierzu ein 800-Liter-Pufferspeicher mit 180-Liter-Trinkwassereinheit aufgestellt. Der Gasverbrauch sank dadurch um rund 25 % auf etwa 33.000 kWh (ca. 3.300 Liter Öl) jährlich. Der Primärenergiebedarf liegt nun bei 145 kWh/m²a (Effizienzklasse E). Die Gasheizung von 1993 (29 kW) blieb erhalten; sie hatte zuvor eine 53-kW-Ölheizung ersetzt.
Ertüchtigung zum KfW-Effizienzhaus 55 im Jahr 2019
Nach nur 18 Jahren wurde das Gebäude baulich und energetisch auf den KfW-Effizienzhaus-Standard 55 modernisiert. Die Wohnung der sechsköpfigen Familie wurde im 1. Obergeschoss und Dachgeschoss erweitert. Auf der 30 m² großen Dachterrasse entstand ein Holzständer-Anbau in Passivhausqualität. Die Aufsparrendämmung des Satteldachs wurde von 18 auf 28 cm erhöht. Beide Dachschrägen erhielten große Gauben. Die Solarthermieanlage musste im Zuge des Umbaus versetzt werden: Vier neue 10 m² große Solar-Kollektoren liefern von Februar bis Oktober von der Sonne erwärmtes Warmwasser für Heizung- und Trinkwasser.
Fenster mit Dreifachverglasung und Kellerdämmung
Im gesamten Haus wurden die „alten doppeltverglasten Fenster“ (aus 2001) durch Holz-Alu-Fenster mit passivhaus-tauglicher Dreifachverglasung (U-Wert 0,7, somit doppelt so gut wie die Fenster aus 2001) ersetzt; auch die neue Haustür erfüllt diesen Standard. Die Kelleraußenwände erhielten bis zur Kellersohle eine Perimeterdämmung.
Zusätzlich wurden die Außenwände (vorher U-Wert 1,65) mit einer 20 cm starken, ökologischen Holzfaserdämmung auf einen U-Wert von 0,20 (ein 8-fach besserer Wärmeschutz) verbessert. Zwischen Holzkonstruktion und der äußeren Holzfaserplattendämmung wurde nachhaltige Holzwolle eingeblasen.
Vorlauftemperatur auf 55°C gesenkt
Dank der Sanierungsmaßnahmen konnte die neue 20 kW Gas-Brennwertanlage deutlich kleiner dimensioniert werden: Sie wurde elektronisch auf 14 kW gedrosselt und ersetzt nun die alte 29 kW Gasheizung und arbeitet nur noch mit einer Vorlauftemperatur von 55 °C. Zur Vermeidung von Feuchteschäden und zur Verbesserung der Innenluft-Qualität, speziell zu Coronazeiten, wurde eine zentrale Wohnraumlüftungsanlage mit einer Wärmerückgewinnung von 90% installiert; die Rohrleitungen verlegte die Familie in Eigenarbeit. Damit sank der spezifische Primärenergiebedarf auf 52 kWh/m²a – der KfW-55-Standard wurde nochmals unterschritten. (Effizienzklasse A)
Absenkung der Vorlauftemperatur zwischen 38°C und 45°C
Bereits zwei Jahre später (2021) folgten weitere Schritte, um das Gebäude energetisch weitestgehend autark zu machen. Der Wärmepumpenspezialist „wattgeht“ berechnete dafür alle Räume neu und senkte die nötige Vorlauftemperatur nochmals deutlich. Die reale Heizlast reduzierte sich von ursprünglich 12,2 kW auf 6 kW; je nach Witterung reichen nun Vorlauftemperaturen von 38–45 °C. Daraufhin wurde die noch relativ neue Gastherme durch eine moderne Monoblock-Luft-Wasser-Wärmepumpe (10 kW, elektronisch auf 6 kW begrenzt) ersetzt. Die Heizkosten reduzierten sich durch diesen Umbau nochmals um mehr als 30%, allein durch den Wechsel von Gas-Brennwert auf eine moderne Wärmepumpe.
PV-Anlage und Batteriespeicher
Im Jahr 2023 wurde noch eine, von der wattgeht GmbH empfohlenen, rund 100 m² große PV-Anlage (50 Module) auf einem Nebengebäude sowie ein Batteriespeicher mit 19,2 kW Ladekapazität im Kelleranschlussraum installiert. Der spezifische primärenergetische Energiebedarf liegt heute bei 8 kWh/m² (immer noch Effizienzklasse A). Überschuss an PV-Strom wird in der Heizperiode erst der Wärmepumpe zugeführt, danach steht der selbsterzeugte Strom zur Betankung den 3 Elektro-Fahrzeugen der Familie zur Verfügung. Wenn auch dort keine Abnahme mehr vorhanden sein sollte, werden noch weitere 19,2 kW in einem Batteriespeicher zwischengelagert, welcher in den Abendstunden dem allgemeinen Hausstrom zugutekommt. Das Gebäude, die Heizung und die Fahrzeuge sind somit einen Großteil des Jahres nun komplett energieautark.
Weniger als 150 Euro im Monat
Das zentrale Element der Haustechnik ist das Home-Energiemanagementsystem des Batteriespeicherherstellers. Dieses sorgt dafür, dass der kostenlos erzeugte PV-Strom zuerst direkt im Haus, in der Wärmepumpe oder mit den Elektroautos verbraucht und in zweiter Instanz in den Speicher eingespeist wird. Erst wenn der Speicher voll beladen ist und keine weitere Energie mehr verbraucht werden kann, wird der überschüssige PV-Strom ins Netz eingespeist, wo er der Allgemeinheit für die Energiewende zur Verfügung steht. Die ursprünglichen Energiemengen für die Heizungsanlage (18.500 kWh Erdgas/Jahr) konnten mit der Wärmepumpe auf 3.800 kWh Strom pro Jahr reduziert werden (16.000 kWh Wärmeenergie / JAZ 4,2). Die Gesamtenergiekosten für Heizung, Warmwasser, Haushaltsstrom und Strom für die E-Fahrzeuge belaufen sich auf unter 150 Euro pro Monat (vorher 650 Euro pro Monat), inklusive Fahrleistungen von ca. 25.000 km pro Jahr. Alle Investitionskosten der neuen Wärmepumpenanlage und die der PV-Anlage mit Batteriespeicher amortisieren sich innerhalb von 10 Jahren. Zusätzlich hat das Gebäude einen erheblichen Wertzuwachs erfahren.
Fazit der Familie:
Wurde das Gebäude vor allen Renovierungen im Jahr 2000 mit knapp 300.000 € von den Banken bewertet, sind es heute im Jahr 2025 im aktuellen Zustand deutlich mehr als 850.000 €. Sanierung und der Umstieg auf erneuerbare Energien zahlen sich nicht nur aus, sondern wird in mehrfacher Hinsicht auch ein kostbares Gut für die nachfolgende Generation. Dazu komme noch das unglaublich gute Gefühl, etwas aktiv zum Klima- und Gesundheitsschutz für unsere Kinder beigetragen zu haben, sagten Anja & Frank Richert.
So geht Energiewende auch in Sprockhövel und Umgebung.