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Zum Platzen pampig - warum sind wir nur so gereizt?

Eine Krise nach der anderen - das macht die Menschen unsicher. Der Aggressionspegel steigt.

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Pampige Mitmenschen begegnen einem derzeit auf Schritt und Tritt. In der Arztpraxis, beim Einkaufen, in der Gastronomie. Viele sind fürchterlich gereizt und das merkt man. Ab und zu haben Arbeitgeber bereits Schilder aufgehängt zum Schutz ihrer Mitarbeiter mit dem Hinweis, doch bitte freundlich miteinander umzugehen.
In bestimmten Situationen wird das Verhalten besonders deutlich: Der Patient, der per Telefon keinen Kontakt zur Arztpraxis bekommt, der ungeduldige Gast, der zu langsam oder gar nicht bedient wird (obwohl er sieht, dass sich das Personal die Hacken abläuft) - überall ist Stimmung, aber keine gute. Warum ist das so?
Experten wie der Psychiater Joachim Bauer wissen: Angst und Aggression benutzen im Gehirn sehr ähnliche Strukturen. Kommt in einer bestimmten Situation ein Auslöser von außen, reagieren wir ängstlich oder aggressiv. Die amerikanische Neuropsychologin Naomi Eisenberger fand heraus, dass das Gehirn in sozialer Ausgrenzung, Demütigung (Kränkung) oder Armut ebenfalls einen solchen Auslöser sieht und diesen mit Angst oder Aggression beantwortet.
Die vielen aktuellen Krisen verstärken diesen Druck. Die soziale Ausgrenzung nimmt zu. Große Unsicherheit entsteht: Werde ich die finanzielle Krise überstehen? Droht mir ein Wohlstandsverlust? Werde ich mir manche Dinge nicht mehr leisten können und dadurch einen sozialen Abstieg erleben? Mit Argusaugen verfolgen wir die zahlreichen Nachrichten zu diesen Themen. Jeder hat dazu etwas zu sagen und die elektronischen Medien machen es einem leicht, das Gesagte überall und schnell zu verbreiten. Große Krisen, persönliche Ängste, Unsicherheiten - damit müssen wir umgehen und das schon ziemlich lange. Und die Zahl der betroffenen Menschen nimmt zu.
Hinzu kommt: Menschen, die sich besonders schnell bedroht oder abgelehnt fühlen, können ihren Impuls darauf nur schwer kontrollieren und reagieren zunehmend gereizt und aggressiv.
Krisen hat es natürlich immer schon gegeben. Sie kommen in jedem Leben vor. Erinnern Sie sich noch an das berühmte „HB-Männchen” aus der Zigarettenwerbung? Wer wird denn gleich in die Luft gehen? Einfach einen Glimmstengel anmachen und dabei mal Fünfe gerade sein lassen... Die Zigarette ist aus gesundheitlicher Sicht nicht mehr das Mittel der Wahl - aber das Runterkommen schon. Nur nennen wir das heute natürlich anders.
Erst mal bis zehn zählen, tief durchatmen, den Raum verlassen oder „sich aus der Situation herausnehmen”, bevor man vor Wut zu platzen droht und einfach lospoltert oder - noch schlimmer - nicht nur verbale Aggression anwendet, sondern auch zuschlägt. Kennt man in allen möglichen Situationen - übrigens leider auch in Partnerschaften oder im Verhältnis von Eltern und Kindern.  
Bevor ich also an die Decke gehe, muss ich mir selbst eingestehen: Mich stresst da was und ich muss das ändern. Aber eben nicht mit aggressivem Verhalten. Was hilft? Klar ist: Ich muss unbedingt meine eigene seelische Widerstandskraft trainieren. Das nennt man den Aufbau von Resilienz. Aber wie mache ich das? Denn eines ist auch klar: Im ganz normalen Alltag ist es selten so, dass nur der andere die Schuld trägt. Oft bin ich selbst unter Zeitdruck, habe irgendetwas falsch eingeschätzt oder falsch verstanden und bin viel mehr im Stress, als ich es gedacht habe. Ich fühle mich unsicher und überfordert. Das macht mir Angst. Das macht mich aggressiv.
Was muss ich also machen? Wie kann ich das ändern?
1. Akzeptanz
Krisen - große und kleine - sind schmerzhaft, aber sie dürfen nicht lähmen. Sie müssen erkannt und angenommen werden. Ein werteorientierter Umgang mit den Mitmenschen befriedet nicht nur eine Krise, sondern macht es möglich, positive Energie zu ziehen. Weder der einzelne Mensch noch die Gesellschaft darf an der Krise zerbrechen. Sie tut es in der Regel auch nicht. So banal es klingt: Krisen sind Teil des Lebens.
2. Optimismus
Sorgen Sie für positive Gefühle und machen Sie sich bewusst, dass Krisen zeitlich begrenzt sind und aus ihnen Positives entstehen kann. Machen Sie einen Spaziergang, halten Sie das Gesicht in die Sonne, schnuppern Sie einen Wohlgeruch. Machen Sie sich bewusst, dass es immer noch etwas Schönes gibt.
3. Selbstwirksamkeit
Lernen Sie sich und Ihre Stärken kennen und glauben Sie an sich selbst! Sie können viel mehr als Sie glauben! Schreiben Sie auf, was Sie gut können. Sie werden etwas finden!
4. Eigenverantwortung
Übernehmen Sie Verantwortung für Ihr Leben und tragen Sie die Konsequenzen für Entscheidungen. Wenn Sie einen Fehler gemacht haben, stehen Sie dafür ein und versuchen Sie, ihn zu korrigieren. Sie kennen doch den Spruch: Sehr oft wird die Suppe nicht so heiß gegessen, wie sie gekocht wird.
5. Netzwerkorientierung
Suchen Sie sich eine psychologische „Familie“ und schaffen Sie für sich selbst ein soziales Netzwerk. Gerade in Krisenzeiten der Angst und Unsicherheit ist das wichtig. Suchen Sie das Gespräch mit anderen - oder quatschen Sie einfach mal mit sich selbst. Oder erinnern Sie sich an einen lieben Mitmenschen, der Ihnen wichtig ist: Was hätte der gesagt? Wie hätte er reagiert?  
6. Lösungsorientierung
Blicken Sie nach vorn und machen Sie sich bewusst, was Sie im Leben bereits geschafft haben. Planen Sie Ihre Zukunft mit klaren, aber nicht unveränderlichen Zielen. Menschen wie Samuel Koch oder Natascha Kampusch sind Beispiele für die Überzeugung, ein Leben nach einem schweren Schicksalsschlag aus eigener Kraft wieder meistern zu können. Das gilt auch für Menschen, die viel verloren haben durch Krieg oder Naturkatastrophen. anja