Bier, Wein, Cocktails und Sekt: Die Qualität und der Absatz alkoholfreier Produkte steigen.
Sie heißen light, fun, blue oder zero: alkoholfreie Getränke. Vor allem alkoholfreies Bier ist in Deutschland so beliebt wie nie. Auch der Absatz an alkoholfreiem Sekt, Wein, Wodka oder Prosecco steigt. So gingen 2024 fast 20 Millionen Flaschen alkoholfreien Sekts über die Ladentheke – ein Plus von fast zehn Prozent im Vergleich zu 2023.
Alkohol gibt es rund um die Uhr und überall. Das Feierabendbier, der Wein auf der Familienfeier und und der Sekt in der Geburtstagsrunde sind gesellschaftlich „normal“. Dabei ist bewiesen: Alkohol ist ein Zellgift und regelmäßiger Konsum kann abhängig machen. Etwa 2,6 Millionen Menschen sterben jährlich weltweit an den Folgen von Alkohol – davon rund 2 Millionen Männer. Das geht aus dem aktuellen Bericht der Weltgesundheitsorganisation zu Suchtverhalten hervor. Weitere 209 Millionen Menschen und damit rund 3,7 Prozent der Weltbevölkerung sind abhängig von Alkohol. Hinzu kommen 200 Millionen, die einen zumindest problematischen Alkoholkonsum haben. Am schädlichsten ist Alkohol für Jugendliche.
Rauschtrinken kann zu dauerhaften Schäden führen
Dr. Johannes Nießen, Errichtungsbeauftragter des Bundesinstituts für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM) und Kommissarischer Leiter vom Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit BIÖG, vor dem 15. Februar 2025 Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung BZgA) erklärt: „Alkoholkonsum schädigt das Gehirn, besonders bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, denn ihr Gehirn befindet sich noch in der Entwicklung und reagiert deshalb empfindlicher auf das Zellgift Alkohol. Insbesondere Rauschtrinken kann zu dauerhaften Schäden führen. Je früher Jugendliche Alkohol trinken, desto größer sind die gesundheitlichen Risiken und die Wahrscheinlichkeit, dass sie dieses Verhalten ins Erwachsenenalter mitnehmen.“
Der regelmäßige Alkoholkonsum der 18- bis 25-Jährigen ist allerdings rückläufig. Demnach trinken bei den Frauen noch 18,2 Prozent regelmäßig und bei den Männern 38,8 Prozent. Eine YouGov-Studie aus dem Jahr 2022 kam zu dem Schluss, dass 49 Prozent der 18- bis 24-Jährigen in Deutschland gar keinen Alkohol trinken – so viele wie in keiner anderen Altersgruppe in Deutschland. Der Trend, bewusster und gesünder leben zu wollen, spiegelt sich hier wieder.
Im Umkehrschluss nehmen die Angebote der alkoholfreien Produkte zu – in Quantität und Qualität. Das hat auch technologische Gründe, weil sich die Verfahren der Entalkoholisierung beispielsweise beim Wein deutlich weiterentwickelt habe. Bei der gängigsten Methode, der sogenannten Vakuumdestillation, kann der Alkohol heute bei viel geringeren Temperaturen entzogen werden. Allerdings: noch ist seine Herstellung teurer und nicht selten enthält der Wein zwar keinen Alkohol, aber dafür mehr Zucker. Durch das Entziehen des Alkohols gehen außerdem zwischen zehn und zwölf Prozent des Weines verloren. Das macht ihn teurer.
Was bedeutet „alkoholfrei“?
Die Kennzeichnung „alkoholfrei“ ist für Getränke zulässig, die nicht mehr als 0,5 Volumenprozent Alkohol enthalten. Diese Getränke unterliegen daher nicht dem Jugendschutzgesetz. Im Jahr 2024 wurden in Deutschland rund 700 Millionen Liter alkoholfreies Bier produziert und verkauft, was einem Marktanteil von etwa 9 Prozent entspricht. Die Menge hat sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. Zum Vergleich: Im Jahr 2024 wurden in Deutschland insgesamt rund 8,3 Milliarden Liter Bier verkauft.
Der Verkauf von alkoholfreiem Wein steigt ebenfalls an: Im Jahr 2024 war ein Umsatzwachstum von 68 Prozent zu verzeichnen. Der Marktanteil beträgt aktuell allerdings erst etwa 1,5 Prozent am gesamten Weinmarkt in Deutschland, aber es wird erwartet, dass er noch weiter wächst. Alkoholfreier Sekt ist mit einem Marktanteil von etwa 7 Prozent bereits beliebter als alkoholfreier Wein.
Alkoholfreie Biere, Weine, Cocktails: Nachfrage steigt
Einer, der sich mit dem Thema auskennt, ist Stefan Lenk. Er eröffnete 1983 als Rewe-Kaufmann seinen ersten eigenen Markt. Heute führt er mit seiner Frau Claudia und den gemeinsamen drei Söhnen Moritz, Fabian und Philipp das Familienunternehmen mit neun Märkten in Bochum, Hattingen, Witten und Sprockhövel (der jüngste Markt in Hattingen Winz-Baak wurde gerade eröffnet), einem Gesamtumsatz von mehr als 100 Millionen Euro und über 500 Mitarbeitern. Das Unternehmen gründeten 1963 in Bochum seine Eltern auf 40 Quadratmetern. Lenk hat seit 2014 einen Sitz im Aufsichtsrat der Rewe Dortmund, seit 2016 ist er dessen Vorsitzender. Ebenfalls seit 2016 ist er auch im Aufsichtsrat der Rewe Group, seit 2018 als Vorsitzender des Audit Committee. Seit 21. Mai 2023 fungiert Stefan Lenk zudem als MLF-Präsident (Mittelständische Lebensmittel-Filialbetriebe e.V.) und in diesem Jahr wurde er zum neuen Aufsichtsratsvorsitzenden der Rewe Zentralfinanz eG gewählt. Was sagt er zu alkoholfreien Bieren, Weinen und Sekt?
„Das ist ein noch zartes Pflänzchen, was sehr stark wächst. Die Produzenten von alkoholischen Getränken haben es geschafft, dass die alkoholfreien Produkte im Geschmack deutlich zugelegt haben. Mittlerweile haben die großen Herstellermarken alle alkoholfreie Produkte im Sortiment. Das gilt für Bier, auch für Wein, und ganz besonders für die Cocktails. Süße Cocktails können den Alkoholgeschmack kaschieren, was zu einem schnelleren und höheren Konsum führen kann. Die Kombination von Zucker und Alkohol beschleunigt die Aufnahme des Alkohols ins Blut und hat eine rauschverstärkende Wirkung. Alkoholfreie Cocktails sind mittlerweile so vielfältig und so lecker, dass die Nachfrage nach ihnen deutlich gestiegen ist. Weil die Kunden auch alkohlfreie Biere und Weine nachfragen, wird auch das Angebot in den Märkten größer. Um diese Produkte schneller im großen Getränkesortiment finden zu können, gibt es deshalb in den Märkten bei den Getränken alkoholfreie Angebotsbereiche.“ Von Dr. Anja Pielorz