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Gesundheit

Würde auch im Tod: Mehr Leben ins Sterben bringen

Charta zur Betreuung schwerstkranker & sterbender Menschen. Auftaktveranstaltung mit Unterschriften.

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Freuen sich über die Unterschriften zum Charta-Prozess: v.l. Tim Reinhold (freiberuflicher Dozent Weiterbildung Reinhold), Dorothe Zehntmeier (Geschäftsführerin Maxipflege GmbH), Sabine Noll (Bürgermeisterin Stadt Sprockhövel), Dirk Glaser (Bürgermeister Stadt Hattingen), David Wilde (Vorstandsvorsitzender hwg eG), Dr. med. Franz Krizanits (Geschäftsführender Arzt beim Palliativmedizinischen Dienst Ennepe-Ruhr-Kreis GmbH), Dirk Schefer (Leiter Koordination und Entwicklung Lebenshilfe Hattingen), Professor Dr. Ulrich Kampa (2. Vorsitzender Ambulanter Hospizdienst Witten-Hattingen e.V., ehemaliger Leiter Intensivstation Augusta EvK Hattingen). Foto: Pielorz

Tod und Sterben gehören zum Leben. Das weiß jeder, aber die meisten Menschen wollen mit dem Thema nichts zu tun haben. Wenn doch, wird es emotional. Das Thema lässt niemanden kalt.
Dem Tabuthema geht es schon seit Jahren an den Kragen. Ziel ist es, mit Hilfe der Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen jedem nach seinen individuellen Bedürfnissen einen Zugang zu einer würdevollen Begleitung und Versorgung am Lebensende zu ermöglichen. Die Charta begann 2007 als internationale Initiative. Im September 2010 wurde sie nach dem Ergebnis von Arbeitsgruppen und 200 Experten formuliert und veröffentlicht, getragen von der Hospizbewegung und der Palliativmedizin.
Rund 2700 Institutionen und 30.000 Einzelpersonen haben sie in Deutschland bereits unterzeichnet. Zu ihnen gehören nach einer Auftaktveranstaltung jetzt auch die Bürgermeisterin von Sprockhövel, Sabine Noll, der Hattinger Bürgermeister Dirk Glaser (beide mit politischer Unterstützung der Stadtverordneten), David Wilde, Vorstandsvorsitzender der Hattinger Wohnstätten (hwg) sowie viele weitere Institutionen und Privatpersonen aus Hattingen und Sprockhövel.
Der Ambulante Hospizdienst Witten-Hattingen - in der Hansestadt Hattingen seit dreißig Jahren aktiv - lud zur Auftaktveranstaltung ein. Prof. Dr. med. Ulrich Kampa, 2. Vorsitzender des Ambulanten Hospizdienstes Witten-Hattingen e.V. und ehemaliger Leiter der Intensivstation am EvK Hattingen, sagt: „Wir müssen mehr Leben ins Sterben bringen. Die meisten Menschen sterben in einem Krankenhaus. Der Wunsch hingegen ist es, zuhause in vertrauter Umgebung mit vertrauten Menschen sterben zu dürfen. Ein gutes Palliativnetzwerk kann so manchen Wunsch möglich machen. Ich wünsche mir, dass wir in einigen Jahren eine Palliativstation am Evangelischen Krankenhaus in Hattingen haben, es im Stadtgebiet oder in Sprockhövel ein Hospiz gibt und wir ein palliatives Netzwerk mit vielen Mitarbeitern haben. Den Tod gibt es kostenlos. Aber das Sterben sollten wir uns etwas kosten lassen.“
Bei der Auftaktveranstaltung vor Ort war auch Professor Dr. Andreas Tromm, Chefarzt der Inneren EvK Hattingen und zugleich Gründungsmitglied der Krebshilfe Sprockhövel/Hattingen, deren Vorsitzender Udo Andre Schäfer die Charta bereits für den gemeinnützigen Verein unterzeichnet hat. Perspektivisch unterstützt der neue Anästhesie- und Schmerz-Experte am EvK Hattingen, Dr. Ralf Claas, die Bestrebungen der Augusta-Kliniken, das EvK Hattingen zu einem „Zentrum für Alterstraumatologie“ zu machen. Eine Möglichkeit, in diesem Zusammenhang auch über Palliativbetten nachzudenken. In ihren Ausführungen machten die Bürgermeister deutlich, wie wichtig das Thema ist. Gerade vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie, in der - wie Bürgermeisterin Sabine Noll formulierte - manche Menschen einsam im Krankenhaus verstarben. Ein aufmerksamer Unterstützer ist auch David Wilde. Der Vorstandsvorsitzende der hwg ist bekannt für seinen Einsatz von besonderen Projekten, beispielsweise die Demenz-WG. Möglicherweise ergibt sich auch eine Perspektive für ein Hospiz.
Charta mit Leben füllen
Essen ist seit zehn Jahren eine Charta-Stadt. Dr. Marianne Kloke, Palliativärztin und Brost-Ruhr Preisträgerin 2022, ehemalige Direktorin der Klinik für Palliativmedizin an den Kliniken Essen-Mitte erzählt, was sich alles getan hat. „Jedes Krankenhaus, jede Altenhilfeeinrichtung in der Stadt wurde aufgesucht. Ein Palliativ- und Hospizwegweiser ist entstanden. Das Thema muss in die Aus- und Fortbildung kommen. Wir haben zehn Arbeitsgemeinschaften. Wir haben viele Menschen und Institutionen mit ins Boot geholt - beispielsweise die Apotheken. Die Charta ist ein Prozess, der von Aktion lebt.“
Das sieht auch Dr. med. Franz Krizanits so. Der Palliativmediziner ist Geschäftsführer des Palliativmedizinischen Dienstes EN-Kreis. Er kritisiert fehlende bundeseinheitliche Regelungen in der Palliativmedizin. „Die Palliativmedizin ist viel mehr als die Verabreichung von Schmerzmitteln. Wir haben im EN-Kreis seit 2009 zwei Palliativnetzwerke. Aber wir haben nur ein stationäres Hospiz in Witten. Bundesweit gibt es nur 250. Viel zu wenig. Auch Palliativstationen bzw. -betten gibt es zu wenig. Eine gute Palliativmedizin kann das Sterben im Krankenhaus verringern.“ anja