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Wonnemonat Mai

Als ich jüngst in unserer Geburtstagsrunde fragte, was jedem zum Monat Mai einfalle, sprudelten die Beiträge: „Der Mai ist gekommen“ wurde geträllert. Dass der Mai gekommen ist, wissen wir alle, haben das Lied schon als Kind gesungen, die Bäume sind in diesem Jahr früher ausgeschlagen, haben geblüht, bis der wiederkehrende Frost die Blüten unter Schnee bedeckte, die aufspringenden Knospen des Magnolienbaumes und der Obstbäume sich aber nicht beirren ließen.

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Zum 1. Mai wird ein junger Birkenstamm mit den frisch grünenden Blättern als Maibaum an die Haustür gestellt, um die Freude über die wieder erwachte Natur den Bewohnern zu überbringen.
Der Tanz in den Mai signalisiert diese Freude, dieses übermütig
flirtende Entzücken, denn nicht umsonst gilt der Mai als Monat der Liebe, als Wonnemonat.
Der 1. Mai wird nun als Tag der Arbeit gefeiert. Wie grotesk, dieser
Widerspruch zwischen Arbeit und Feiertag! „Contradictio in re“, grummelte der Altphilologe und übersetzte kopfschüttelnd „Widerspruch in sich“.
Maiglöckchen, „ja, Maiglöckchen“, lächelte die Tochter, „schenke ich der lieben Mama zum Muttertag.“ Am 2. Sonntag im Mai ist Mutter-
tag, der ursprünglich auf die Initiative der Floristenverbände zurückgeht, die anregten, Mütter an diesem Sonntag mit Blumen zu erfreuen. Meist versucht die gesamte Familie, der Mutter während des ganzen Tages Überraschungen zu kredenzen, begonnen mit dem Frühstück, das ihr ans Bett serviert wird mit einer heißen Thermoskanne, deren Deckel nicht fest zugeschraubt ist, einem hart gekochten Ei, duftend rußigen Toastscheiben. „Mami, Du bist halt nicht zu ersetzen. Wir sind jetzt alle in der Küche und bereiten das Mittagessen vor.“ Die Mutter seufzt. Vielleicht hätte sie Mann und Kinder doch eher in die Hausarbeit einweisen sollen? Ach, eine müßige Überlegung.
Die Maibowle wird heute Abend
gemeinsam angesetzt mit dem Waldmeister, der üppig im Garten sprießt.
„Auch blühte auf der Wiese der Löwenzahn“,
erinnerte sich die Oma, „wir
Mädchen pflückten die gelben Blumen und flochten Kränzchen daraus, die wir als Krone auf dem Kopf trugen.“
„Oh, Ihr Mädchen“, brummte der Großvater mit einem verschmitzten Lächeln, „wir Jungen trieben am 1. Mai die Milchkühe auf die Wiesen, wo Ihr euren Kopfschmuck gesucht habt. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie unsere Kühe, die ja den Winter über im Stall waren, sich auf der Wiese austobten, wie junge Hüpfer, wie ihr Mädchen.“
Einmal im Schatz seiner Erinnerungen gekramt, erzählte er auch noch, dass ja im Mai am Tag von Christi Himmelfahrt der Vatertag gefeiert wurde. Auf einen Bollerwagen wurde ein Fässchen Bier geladen, damit zog ein Schar fröhlicher Männer durch Wald und Feld und ließ den lieben Gott einen guten Mann sein.
Der Wissenschaftler fand es nun aber vonnöten, Himmelfahrt als christliches Fest zu erklären, das Rafael im Jahr 1520 im Gemälde „Die Auferstehung“ festgehalten habe.
So schwirrten die Beiträge zwischen ernst und heiter, bis mein Mann ein Gedicht von Ludwig Christoph Heinrich Hölty vorlas: „Mailied“. Mit dem Beginn der dritten Strophe: „Ihr Busen ist von Blümchen bunt, ich sah ihn schöner nie....“, brach ich in schallendes Gelächter aus: „Mein Busen war nicht mit Blümchen geschmückt, sondern mit“...
ach, ich erzähle die ganze Mai-Geschichte.
Vor etlichen Jahrzehnten machte ich am 13. Mai den Führerschein, dessen Erwerb mir mein Vater zum Abitur geschenkt hatte. Er hatte sich aber ausbedungen, dass sich der junge Fahrlehrer, der gerade vor einigen Wochen seine Fahrschule eröffnet hatte, persönlich bei ihm vorstellte. Versehen mit dem väterlichen Imperativ: „Passen Sie gut auf meine Tochter auf!“ durfte mir der charmante junge Mann die erste Fahrstunde erteilen. Nach bestandener Fahrprüfung lud er mich zu einem exquisiten Essen ein. Das Restaurant lag in einem dichten Rhododendronpark. Wir plauderten, lachten, tranken ein Glas Wein und spazierten nach dem üppigen Menu leichten Fußes durch den Park. Plötzlich bückte sich mein Begleiter, rupfte ein
Büschel Gras aus der Wiese und voller Übermut steckte er mir die Halme in den Ausschnitt meines Sommerkleides. Zu Hause antwortete ich auf die Frage meiner erstaunten Mutter, was ich dort oben im Kleid hätte, kurz und bündig: „Gras“. Barbara Hoth-Blattmann