Hattingens neue Bürgermeisterin blickt im Interview auf den Wahlkampf und die Übergabe zurück und schaut auf zeitnah umsetzbare Ziele sowie die neue Konstellation im Stadtrat.
Bürgermeisterin Melanie Witte-Lonsing
Seit dem 1. November ist Melanie Witte-Lonsing das neue Stadtoberhaupt in Hattingen. Es gibt nach Dr. Dagmar Goch nun die zweite Bürgermeisterin in der Stadtgeschichte. Hinter der Frau, die ebenfalls der SPD angehört, liegen nun einige Wochen Amtszeit und erste Ratssitzungen. Das IMAGE-Magazin hat mit ihr über diese Zeit gesprochen.
IMAGE: Sie haben einen anstrengenden Wahlkampf hinter sich. Wie viel Kraft hat er gekostet und wie war Ihr Start in das Amt der neuen Bürgermeisterin?
WITTE-LONSING: Für meinen Wahlkampf hatte ich genau ein Jahr eingeplant, vom 14. September 2024 bis 14. September 2025. In dem Jahr habe ich die 1000 Stunden Ehrenamt geleistet, es wurden am Ende noch mehr. Aber nichts war so kräftezehrend wie die 14 Tage vor der Stichwahl. Von der Intensität war das etwas ganz anderes, ich habe quasi fast rund um die Uhr gearbeitet. Ich war viel unterwegs, auch zu Hausbesuchen und habe viele Veranstaltungen organisiert.
Der Wahlkampf war sehr intensiv, aber wenn man am Ende erfolgreich ist, trägt die Euphorie über die Erschöpfung hinweg. Ich habe danach eine Woche Urlaub mit der Familie gemacht. In der Zeit habe ich mich aber auch schon auf das Amt vorbereitet. Mittlerweile habe ich festgestellt, dass meine 40-Stunden-Woche meist am Mittwochabend erreicht ist. Ich glaube aber auch, das ist völlig normal. Ich bin bei vielen Veranstaltungen. Das ist zum einen Teil meines Berufes und ich möchte nicht den Eindruck erwecken: Jetzt ist sie gar nicht mehr präsent. Mein erster freier Abend war am Sonntag, 14. Dezember. In meinem Beruf ist man rund um die Uhr unterwegs. Wenn man das nicht mit Herzblut macht, weil man nicht für die Stadt brennt, funktioniert es nicht.
IMAGE: Was mussten Sie bei der Übergabe Ihres Vorgängers Dirk Glaser beachten; was war dabei für Sie komplett neu?
WITTE-LONSING: Die Themen waren klar gesetzt und sind es nach wie vor. So intensiv war die Übergabe auch nicht. Ich habe einen sehr
aufgeräumten Schreibtisch vorgefunden. Was ich nun zu schaffen habe, ist, die Ideen und Vorstellungen umzusetzen. Aufgrund der finanziellen und personellen Lage der Stadt ist nicht alles sofort realisierbar. Es gibt einen engen Rahmen für Entscheidungen, das war mir aber schon klar.
IMAGE: Sie haben im Wahlkampf viele Ziele ausgegeben. Welche davon können und wollen Sie zuerst erreichen, da sie einfacher zu realisieren sind?
WITTE-LONSING: Ein Thema mit großen Auswirkungen ist die Sauberkeit der Stadt. Dabei möchte ich stärker auf die Stadtteile schauen, was wir machen können. Ich möchte wieder hin zu den Stadtteilkümmerern, die vor Ort präsent sind. Die Menschen sollen wissen: Das ist unser Team, was unseren Stadtteil sauber hält. Sie sollen offen kommunizieren und Bescheid sagen können, wo etwas repariert werden muss. Es ist mir zudem wichtig, dass wir endlich tragfähige Lösungen finden, die wir Vereinen an die Hand geben können, um das Ehrenamt zu vereinfachen. Es muss klar sein, was Vereine liefern müssen und wo wir unterstützen können.
IMAGE: Sie haben nun ein paar Ratssitzungen hinter sich. Sie sind schon lange in der Politik unterwegs und haben als Abgeordnete viel Routine. Was hat sich nun in Ihrer Position Leiterin der Ratssitzung für Sie verändert?
WITTE-LONSING: Ich kenne Sitzungsleitungen und habe lange Zeit dem Stadtentwicklungsausschuss vorgesessen. Daher kenne ich konstruktive Diskussionen. Trotzdem ist es etwas anderes, wenn Sie die Gesamtverantwortung tragen. Vor allem im Umgang mit
denjenigen, bei denen wir uns nicht sicher sind, ob sie auf dem Boden unseres Grundgesetzes stehen. Das ist eine Herausforderung für uns Demokraten.
IMAGE: Wie blicken Sie hinsichtlich des neu formierten und größeren Stadtrates auf die Zusammenarbeit der Parteien – vor allem mit der AfD – und was stellt die größte Herausforderung dar?
WITTE-LONSING: Für Entscheidungen politische Mehrheiten zu finden, ist ungemein schwierig geworden. Das werden wir bei der Haushaltsdiskussion sehen. Wir haben eine Partei dabei, deren Mutterpartei als gesichert rechtsextrem eingeschätzt wird. Derzeit gibt die AfD in der öffentlichen Wahrnehmung den Wolf im Schafspelz. Sie bietet den anderen Parteien gegenüber „Sachzusammenarbeit“ an. Wir wissen aber noch nicht, wie sie sich inhaltlich positionieren werden. Ich bekomme derzeit viele Anfragen dieser Fraktion. Das bindet unser Personal. Das ist etwas, was ich im Auge behalten und gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern auch deutlich machen werde.
Wir müssen insgesamt viel stärker im Konsens arbeiten als noch vor Jahrzehnten. Ich habe wahrgenommen, dass die Parteien noch in der Findungsphase sind, als es um die Besetzung der Gremien ging. Was ich aber auch wahrgenommen habe: Sie haben erfreulich viel miteinander gesprochen. Das ist positiv.
IMAGE: In fünf Jahren Amtsperiode kann viel passieren und nicht alles, was Sie anstoßen wollen, wird zeitnah umgesetzt werden können. Welche Punkte lösen bei Ihnen gewisse Bedenken aus?
WITTE-LONSING: Woran ich schnelles Interesse habe, ist die Sanierung der Realschule Grünstraße. Zumal sich die Lieferung der Container verzögert hat. Das ist ein Schwerpunkt, den ich beschleunigt wissen möchte.
Ich gebe nach so kurzer Zeit im Amt natürlich noch keine Ziele auf, auch wenn es schwierig werden kann. Zum Beispiel das Thema Klimaschutz. Wichtig ist, dass wir da am Ball bleiben. Es ist kein Modethema mehr. Aber ich möchte Dinge nicht angehen, weil sie gerade in Mode sind. Das Klima betrifft zukünftige Generationen. Von
Seiten der Stadtverwaltung aus müssen wir die Gebäude energetisch ertüchtigen und den Fuhrpark umstellen. Es sind wesentliche Träger, bei denen wir viel CO2 verbrauchen. Das ist das, was eine Kommune selbst tun kann. Ob wir unsere ehrgeizigen Ziele erreichen, bleibt abzuwarten, aber dass wir uns bemühen, das sollen die Hattingerinnen und Hattinger sehen.
Von Hendrik Steimann