Zweimal pro Jahr Reifen zu wechseln ist lästig und teuer. Mancher fährt deshalb die Winterreifen im Sommer weiter. Das ist zwar erlaubt, doch ein ADAC Test beweist: Das ist keine gute Idee.
Recht und Bürokratie sind manchmal für den Laien schwer nachvollziehbar. Während Autofahrer durch die „situative Winterreifenpflicht“ verpflichtet sind, bei winterlichen Straßenbedingungen mit Schnee und Eis spezielle Winterreifen mit einer M+S-Kennzeichnung oder dem Alpine-Symbol zu nutzen, dürfen sie umgekehrt den Winterreifen im Sommer einfach weiterfahren.
Was genau sind Winterreifen?
Winterreifen erkennt man an den zahlreichen Lamellen, die bei Schnee und Glätte für ausreichend Grip sorgen. Sie bestehen aus einem weicheren Gummi als Sommerreifen, um auch bei Minustemperaturen Fahrstabilität und einen kurzen Bremsweg zu gewährleisten.
An der Kennzeichnung auf der Reifenflanke erkennt man Winterreifen am M+S-Symbol (Herstellung vor 2018, gültig bis 2024) oder aktuell am Alpine-Symbol (Schneeflocke im dreigezackten Berg).
ADAC Test: Winterreifen im Sommer
Aufgrund der Gesetzeslage kommen Autofahrer häufig in Versuchung, Kosten zu sparen. Vor allem wenn das Profil der Winterreifen schon weniger als 4 Millimeter tief ist und sie deshalb nicht mehr wintertauglich sind, liegt die Überlegung nahe, sie im Sommer „aufzubrauchen“. Aber das ist keine gute Idee. Denn bei warmen Temperaturen zeigen echte Winterreifen Schwächen, die sogar gefährlich werden können. Dabei sind Sommerreifen erste Wahl: Hier sorgen möglichst wenige steife Profilblöcke für Sicherheit auch bei extremen Fahrsituationen.
Um das sachlich und fachlich zu begründen, hat der ADAC einen speziellen Reifen-Vergleichstest durchgeführt. Konkret wurden drei Winterreifen-Modelle mit unterschiedlichen Restprofiltiefen mit einem Sommerreifen verglichen. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, wie stark sich sommerliche Außentemperaturen auf Winterreifen auswirken, die für Kälte, Eis und Schnee ausgelegt sind.
Die Tests auf trockener Fahrbahn wurden einmal bei frühlingshaften 10 bis 13 Grad Celsius und ein anderes Mal bei sommerlichen 35 Grad Celsius durchgeführt. Bei den Fahrten auf nasser Fahrbahn lagen die Außentemperaturen bei 10 bis 13 bzw. bei 25 Grad Celsius.
Alle drei getesteten Winter-Typen zeigten eklatante Schwächen beim Bremsen. Zwar noch nicht bei nasser Fahrbahn, da erzielten die Winterreifen durchaus akzeptable Werte im Vergleich. Doch ganz anders ist das Ergebnis auf trockener Straße: Je nach Temperatur und Verschleißzustand war der Bremsweg der Winterreifen aus Tempo 100 deutlich länger – im schlimmsten Fall sogar um 16 Meter.
Ein Beispiel zur Veranschaulichung: Während das Auto mit Sommerreifen rechtzeitig vor einem Hindernis zum Stehen käme, würde es mit Winterreifen einen ganzen Pulk Fahrradfahrer von der Straße räumen.
Interessantes Detail: Je höher die Profiltiefe der Winterreifen und je höher die Umgebungs- und Asphalttemperaturen, desto länger fiel der Bremsweg aus. Bei Winterreifen, die nur noch 4 Millimeter Restprofil aufwiesen, reduzierten sich die Differenzen beim Bremsweg auf 5 Meter. Das ist zwar besser als im Worst-Case-Szenario, aber immer noch ein viel zu langer Weg bis zum Stillstand.
Bei den Testdurchläufen, die das Kurvenverhalten betreffen, waren die Unterschiede weniger extrem. Mit zunehmender Außentemperatur ließ die Haftung auf der Straße aber auch dann spürbar nach. Vor allem wenn das Auto mit viel Gepäck beladen wurde, ergab sich eine weitere Verschlechterung der Fahrstabilität. Die Beeinträchtigung war dann schon bei kleinen Lenkbewegungen in lang gezogenen Kurven und Autobahnausfahrten zu spüren.
Fazit: Unbedingt wechseln
Winterreifen mit nahezu voller Profiltiefe sollten im Sommer auf keinen Fall weiterverwendet, sondern für den nächsten Winter aufgehoben werden. Im Sommer stellen sie ein zu hohes Risiko dar – sowohl für Sie selbst als auch für andere Verkehrsteilnehmer (vor allem für ungeschützte Fußgänger oder Radfahrer).
Abgenutzte Winterreifen mit Restprofiltiefen zwischen 3 und 4 Millimeter sind zwar weniger bedenklich, sind aber allenfalls ein schlechter Kompromiss. Wegen der erhöhten Unfallrisiken empfiehlt der ADAC deshalb, auch abgenutzte Winterreifen durch Sommerreifen zu ersetzen.
Sind Allwetterreifen eine Alternative?
Offiziell im Sommer ebenfalls erlaubt sind Ganzjahresreifen, deren Gummimischung so ausgelegt ist, dass sie bei Temperaturen zwischen minus 30 und plus 40 Grad funktionieren muss. Auch diese Allwetterreifen sind mit dem M+S- oder Alpine-Symbol gekennzeichnet und können als Kompromiss im Sommer eingesetzt werden. Wer sich für Ganzjahresreifen entscheiden will, sollte das individuelle Einsatzprofil des Fahrzeugs sowie die Stärken und Schwächen der Reifen aber genau kennen.
Für Autofahrer, die in einer gemäßigten Klimaregion leben und keinen Skiurlaub oder Sommerferien im Süden planen, sind zum Beispiel die Ganzjahresreifen, die im ADAC Test „befriedigend“ abschneiden, eine Alternative.
Das gilt natürlich auch für Besitzer von Zweit- und Kleinwagen, die mit wenig Kilometern vor allem innerstädtisch unterwegs sind, aber auch für alle, die Kosten für die Umrüstung sparen müssen und das Auto bei üblem Winterwetter stehen lassen können.
Man muss nur wissen: Die Bestleistungen der spezialisierten Sommer- beziehungsweise Winterreifen erreichen sie nicht. Quelle: ADAC