Nichts ist so spannend und bewegt den Menschen so sehr wie sein eigenes Verhalten und das seiner Mitmenschen. Auch in diesem Jahr greift IMAGE gemeinsam mit Dr. med. Willi Martmöller, Facharzt für Allgemeinmedizin, Psychotherapie (Tiefenpsychologie) in unserer Serie „Wie tickt der Mensch“ spannende Fragen auf und stellt verblüffende Antworten aus der Psychologie vor.
„Cannabis ist der lateinische Begriff für Hanf. Aus den getrockneten Blüten, Blättern und gepressten Harzen lassen sich die Rauschmittel Marihuana und Haschisch gewinnen. Die Wirkungen gehen vor allem auf die Inhaltsstoffe Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) zurück. Während THC psychoaktiv wirkt (Rauschzustand) und ab einem Gehalt von 0,2 Prozent unter das Betäubungsmittelgesetz fällt, hat CBD keine psychoaktive Wirkung und ist Bestandteil von Ölen, Kapseln und Tee. Seit 2017 übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen in bestimmten Fällen unter strengen Voraussetzungen die Kosten für die kontrollierte Abgabe von Cannabis-Arzneimitteln mit höherem THC-Gehalt, zum Beispiel in der Schmerztherapie“, erklärt Dr. Willi Martmöller. „Dabei müssen mögliche Nebenwirkungen stets im Blick gehalten werden: Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, Stimmungsschwankungen, Schwindel, Muskelschwäche, aber auch Herzrasen, plötzlicher Blutdruckabfall und Herzbeschwerden. Der THC-Gehalt erhöht außerdem das Risiko, psychisch zu erkranken und Wahnvorstellungen (Psychosen) zu entwickeln.“
Die kontrollierte Abgabe als Medikament ist nicht vergeichbar mit der unkontrollierten privaten Einnahme. „Der Konsum lockt mit Entspannung und angenehmen Gefühlen. Vor allem in Verbindung mit Alkohol steigen aber die Risiken für Herzrasen, Übelkeit und Schwindel bis hin zum Kreislaufkollaps sowie Panikgefühle und Halluzinationen. Wer Cannabis regelmäßig konsumiert, kann psychisch und körperlich abhängig werden. Rückzug aus dem Alltag und Lustlosigkeit gehören zu Verhaltensweisen, die auf die Sucht hindeuten können. Der THC-Wirkstoff ist mehrere Stunden im Blut nachweisbar. Das Endprodukt, THC-Carbonsäure, kann noch Wochen nach dem Konsum festgestellt werden. Dabei ist der THC-Gehalt je nach Pflanzensorte unterschiedlich hoch. Er kann bei bis zu 20 Prozent liegen und ist damit in vielen Fällen im Laufe der Jahre deutlich höher geworden. Außerdem beeinflussen die Art der Einnahme und die persönliche Gefühlslage die Wirkung. Studien zeigen, dass der Cannabis-Konsum das Risiko, an einer Depression oder Psychose zu erkranken, erhöht. Es gilt aber auch umgekehrt: Menschen mit psychischen Erkrankungen haben ein erhöhtes Risiko, Cannabis zu konsumieren und eine Abhängigkeit zu entwickeln. Die Hoffnung, durch den Cannabis-Konsum der depressiven Gefühlslage entrinnen zu können, macht die Droge attraktiv. Die neurobiologischen Anpassungsprozesse sorgen allerdings dafür, dass in immer kürzeren und höheren Dosen konsumiert werden muss. Das psychische Leid verschlimmert sich, körperliche Beschwerden nehmen zu.“ anja
Zusatzinfo: Was macht THC mit Körper und Psyche?
"Früher, langjähriger und regelmäßiger Konsum begünstigt irreversible kognitive Einbußen. Negative Effekte wurden vor allem in den Bereichen psychomotorische Geschwindigkeit, Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Planungsfähigkeit beobachtet. Bis zu 90 Prozent aller cannabisabhängigen Personen entwickeln im Lauf ihres Lebens eine weitere psychische Störung oder körperliche Erkrankung infolge von zu viel Alkohol oder des Konsums weiterer psychoaktiver Substanzen. Es gibt Hinweise auf einen positiven Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und bipolaren Störungen." (DNP - Der Neurologe und Psychiater 6/2017)