Eine Lebensaufgabe für Stadtarchivar Thomas Weiß und sein Team Stadtarchivar Thomas Weiß...
Die alten Zeitzeugen des Zweiten Weltkrieges und des Holocaust sterben. Den jetzt nachfolgenden Generationen bleiben
nur die Geschichtsbücher, um die Erinnerung wach zuhalten. Doch reichen Daten und Fakten aus, um das Unfassbare fassbar zu machen? Stadtarchivar Thomas Weiß sagt: Auf keinen Fall!
„Als Stadtarchivar ist es nicht nur meine Aufgabe, Akten zu sammeln oder zu recherchieren, sondern Geschichte lebendig zu halten. Dazu gehört eine Erinnerungskultur und gemeinsam mit meinem Team machen wir genau das seit vielen Jahren“, erzählt er.
Das Unfassbare fassbar machen
Die Schwierigkeit gerade beim Holocaust sei dabei, die unfassbaren Zahlen fassbar zu machen. „Die Zahlen sind so groß, sie sind eigentlich nicht fassbar. Und weil das so ist, muss man einen anderen Weg finden. Es geht nur mit einem persönlichen Zugang. Es geht nur mit Emotion, mit einem lokalen Bezug und mit der Darstellung menschlicher Einzelschicksale. Deshalb haben wir beispielsweise die Putzaktion der Hattinger Stolpersteine ins Leben gerufen, an der mittlerweile alle weiterführenden Schulen teilnehmen. Die Schüler und Schülerinnen erarbeiten die Schicksale der Opfer des Nationalsozialismus. Und sie bleiben dabei nicht in der Vergangenheit. Denn worum geht es? Es geht um Diskriminierung. Es geht um Ausgrenzung. Wen hat es damals betroffen und wen betrifft es heute? Wie gehen wir beispielsweise mit homosexuellen Menschen um? Und es geht auch um Grenzen.
Viele Juden hätten überlebt, wenn sie in andere Länder hätten ausreisen dürfen. Doch sie waren in anderen Ländern auch nicht erwünscht oder die Ausreisequoten waren viel zu gering. Nur eine bestimmte Zahl durfte in einem bestimmten Zeitraum ausreisen. Und Geld benötigte man dafür auch. Was erleben wir heute in der Flüchtlingskrise?
Wie gehen wir mit dem Schließen von Grenzen um? Wenn man dem Abstrakten persönliche Züge gibt, dann erreicht man auch die jungen Menschen“, ist sich Weiß sicher.
Er berichtet von Schülern, die am Gymnasium Waldstraße Kampagnen zur Antidiskriminierung auf die Beine gestellt haben. Er erzählt von Auschwitz-Fahrten des Gymnasiums in Holthausen und vom neuesten Projekt, einer Patenschaft der Gesamtschule für den neu verlegten Stolperstein für Nikolaus Groß. „Der katholische Hattinger Widerstandskämpfer wurde am 23. Januar 1945 hingerichtet und später vom Papst selig gesprochen. Wie bringt man Jugendlichen heute einen Seligen nahe? Zum Beispiel durch eine graphic novel. Die Geschichtslehrerin Silke Althaus und der Kunstlehrer Piet Höfing haben ein gemeinsames Projekt daraus gemacht. Geschichtlich erarbeiten die Schüler das, was im Kunstprojekt gezeichnet werden soll. Sie stellen sich Fragen, wie eine Verhaftung gezeichnet werden kann. Sie werden konfrontiert mit der kleinen Tochter
von Nikolaus Groß, die den Vater bei der Verhaftung fragt, wohin er geht. Wie kann man das bildlich begreiflich machen? So trifft Vergangenheit auf die Moderne und das Leben der Schüler heute. So bleibt die Erinnerung für alle lebendig."