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Gesundheit

Wie kann eine verunsicherte Gesellschaft überleben?

Nichts ist so spannend und bewegt den Menschen so sehr wie sein eigenes Verhalten und das seiner Mitmenschen. Auch in diesem Jahr greift IMAGE gemeinsam mit Dr. med. Willi Martmöller, Facharzt für Allgemeinmedizin, Psychotherapie (Tiefenpsychologie) in unserer Serie „Wie tickt der Mensch“ spannende Fragen auf und stellt verblüffende Antworten aus der Psychologie vor.

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„Das Jahr 2022 trifft auf eine verunsicherte Gesellschaft. Viele Menschen - nicht nur in Deutschland - leiden unter Ängsten aus Ereignissen in der Corona-Pandemie, der zunehmenden Naturkatastrophen oder der schrecklichen Schicksale aus Flucht und Vertreibung. Vielen Menschen ist die alltägliche und gewohnte Struktur abhandengekommen. Im Prinzip besteht unsere Herausforderung im aktuellen Leben darin herauszufinden, wie wir uns verhalten müssen, ohne eine Ahnung davon zu haben, was mittel- und langfristig richtig ist“, analysiert Dr. Willi Martmöller. „Angst und Unsicherheit in einer negativ empfundenen Stress-Situation lassen uns oft nach einer erstbesten Lösung greifen oder wir konstruieren Zusammenhänge, die es nicht gibt oder die medizinisch nicht belegbar sind. Wir wollen bei Fragen schnelle klare Antworten haben. Doch Pandemie und andere Katastrophen versagen uns die schnelle Antwort.
Vor 25 Jahren hat der polnische Sozialpsychologe Arie Kruglanski einen Begriff eingeführt: need for closure. Übersetzt lautet dies ‚unser Bedürfnis nach Geschlossenheit‘ und gemeint ist damit die starke Sehnsucht aller Menschen nach klaren Antworten. Eine schnelle Antwort wird dabei deutlich eher akzeptiert, als der andauernde Zustand der Unsicherheit. Gibt es diese Antwort nicht, muss man lernen, mit der Unsicherheit zu leben und sie auszuhalten. Gelingt dies nicht, führt das zu vielen Problemen: übereilte Entscheidungen, fehlgewichtete Informationen, Gefahr von Manipulation und Vorurteil.
Mit Unsicherheit zu leben - das fällt manchen Menschen leichter als anderen. Warum das so ist, liegt an den Erfahrungen, die ein Mensch gemacht hat. Hat er sichere Bindungen erlebt? Konnte er ein Urvertrauen aufbauen? Wer positiv in die Zukunft blickt, kann Unsicherheit besser ertragen und hat ein geringeres Bedürfnis nach Vorhersagbarkeit und klaren Strukturen. In unserer Gesellschaft sind wir im Alltag allerdings stark strukturiert - oder sollte ich besser sagen: wir waren vor der Corona-Pandemie eine in unserem Alltag stark strukturierte Gesellschaft? Wenn alles im Fluss ist, müssen wir verstärkt lernen, Unsicherheit auszuhalten. Dabei liegt die Lösung nicht in der persönlichen Betäubung, wohl aber im Sich-Bewusstmachen und der Akzeptanz. Es hilft, die Belastung durch Ablenkung in Form einer fordernden Aufgabe oder durch soziale Unterstützung in Gesprächen zu akzeptieren. Auch Gutes tun oder dankbar zu sein für das, was man hat, bringt überlebensnotwendige positive Gedanken hervor.“ anja