Nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehört der Schlaganfall zur häufigsten Todesursache...
Dr. David Minwegen, Facharzt für Neurologie, (links) und Stephan Ziemke, Facharzt für Innere Medizin, (rechts); Oberärzte an der Klinik für Geriatrie des EvK Witten.
Die Konsequenzen eines Schlaganfalls sind gravierend: Fast die Hälfte der Patienten leidet an Folgeschäden wie Lähmungen oder Sprachstörungen und ist dauerhaft auf fremde Hilfe angewiesen. In den letzten Jahren ist ein Anstieg der Erkrankung besonders bei jungen Menschen zu beobachten. Ein Schlaganfall ist ein medizinischer Notfall und muss so schnell wie möglich behandelt werden. IMAGE sprach darüber mit den Oberärzten am EvK Witten Dr. David Minwegen und Stephan Ziemke.
IMAGE: Was passiert bei einem Schlaganfall?
MINWEGEN: Rund 260 000 Menschen erleiden in Deutschland jährlich einen Schlaganfall. 15 Prozent der Patienten sind jünger als 55 Jahre. In den meisten Fällen lösen Durchblutungsstörungen im Gehirn einen Schlaganfall aus (ischämischer Schlaganfall). Eine Durchblutungsstörung entsteht aufgrund eines Blutgerinnsels oder aufgrund einer Arterienverkalkung. Durch Veränderungen kleiner Gefäße im Gehirn, Verengungen hirnversorgender Gefäße oder Vorhofflimmern im Herzen kann es zu einem Gefäßverschluss im Gehirn kommen. In der Folge werden manche Hirnareale unzureichend mit Sauerstoff versorgt. Schlaganfälle aufgrund einer Mangeldurchblutung machen rund 80 Prozent aller Schlaganfälle aus. Rund 20 Prozent aller Schlaganfälle werden durch Hirnblutungen hervorgerufen (hämorrhagischer Schlaganfall), beispielsweise im Rahmen einer Bluthochdruckerkrankung oder durch die Einnahme blutverdünnender Medikamente. Eine Hirnblutung schädigt den von ihr betroffenen Teil des Gehirns unmittelbar. Diagnostiziert wird der Schlaganfall in der Regel mit Hilfe einer Computertomographie (CT).
IMAGE: Wie bemerkt man einen möglichen Schlaganfall?
ZIEMKE: Ein typischer Schlaganfall-Patient ist zumeist älter und hat bereits mehrere Vorerkrankungen. Grundsätzlich kann ein Schlaganfall aber in jedem Alter auftreten. Symptome eines Schlaganfalls können sein Sehstörungen, Übelkeit, Schwindel mit Gangunsicherheit, plötzlich auftretende Sprach- oder Sprachverständnisstörungen sowie plötzliche starke Kopfschmerzen. Nicht immer müssen Lähmungen mit einem Schlaganfall verbunden sein. Die Symptome sind abhängig davon, welches Hirnareal von dem Schlaganfall betroffen ist. Vor allem bei jüngeren Patienten ist das Erkennen der Symptome eine Herausforderung, weil man bei ihnen nicht immer sofort auf die Idee kommt, die Beschwerden könnten durch einen Schlaganfall ausgelöst worden sein.
IMAGE: Was ist der FAST-Test und ist er hilfreich?
MINWEGEN/ZIEMKE: Der FAST-Test soll vor allem Laien helfen, schnell eine grobe Einschätzung zum Schlaganfall zu geben. Das Augenmerk liegt dabei auf einseitig herabhängenden Mundwinkeln, was beim Lächeln auffällig wird (FACE). Ein zweiter Punkt sind die Arme (ARMS). Die betroffene Person sollte beide Arme ausgestreckt und mit nach oben geöffneten Handflächen vor sich zu halten. Bei einer Lähmung sinkt ein Arm herab. Drittens gilt es auf die Sprache zu achten, weil ein verwaschenes Sprachbild auf einen Hirnschlag hindeutet. Und viertens - der Zeitfaktor (TIME). Bei einem Verdacht sollte sofort gehandelt und der Notruf (112) gewählt werden. Time is brain: Gemeint ist damit, dass bei einem Schlaganfall jede Minute zählt. Je früher Hilfe möglich ist, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, bleibende Schäden verhindern zu können.
IMAGE: Welche Ursachen hat ein Schlaganfall? Gibt es vorbeugende Maßnahmen?
MINWEGEN: Es gibt Risiken, die das Auftreten eines Schlaganfalls begünstigen. Dazu gehören arteriosklerotische Gefäßschädigungen. Rauchen, Alkohol, Übergewicht, Bewegungsmangel und Bluthochdruck sind klassische Risikofaktoren, die inzwischen auch immer öfter bei jüngeren Patienten zu finden sind. Stress und Stoffwechselstörungen gehören ebenso zu den Risiken, die man in weiten Teilen selbst durch eine gesunde Lebensweise positiv beeinflussen kann. Eine ausgewogene Ernährung, regelmäßige Bewegung und der Abbau von negativem Stress sind dabei wichtig. Herzfehler oder erbliche Erkrankungen erhöhen das Risiko eines Schlaganfalls ebenfalls, können aber natürlich nicht beeinflusst werden. Es gibt aber auch Schlaganfallpatienten, bei denen der Grund für die Erkrankung ungeklärt bleibt.
IMAGE: Wie wird ein Schlaganfall behandelt?
ZIEMKE: Viele Patienten werden auf einer Stroke Unit behandelt, die auf die Behandlung von Schlaganfällen spezialisiert ist. Dort können Blutdruck, Herzfrequenz und andere wesentliche Parameter engmaschig überwacht werden. Grundsätzlich gibt es zwei Therapien – die sogenannte Lysetherapie und die Thrombektomie. Bei der Lyse wird das Blutgerinnsel in der Hirnarterie durch ein Medikament aufgelöst. Bei der Thrombektomie entfernen Neuroradiologen das Blutgerinnsel mechanisch aus der Hirnarterie mittels eines sehr kleinen Katheters. Sehr wichtig ist der Faktor Zeit. Für die Lysetherapie steht zum Beispiel nur ein Zeitfenster von wenigen Stunden nach Beginn der Symptome zur Verfügung. Danach kommt die Behandlung für die meisten Patienten zu spät. Die Thrombektomie ist eine sehr effektive Therapie, doch auch sie muss so schnell wie möglich durchgeführt werden und sie kommt bisher nur bei einem kleineren Teil der Betroffenen in Frage.
Im EvK Witten übernehmen wir die Patienten nach der akuten Erstversorgung zur Frührehabilitation. Ein Team aus Neurologen, Pflegenden, Physio- und Ergotherapeuten, Logopäden und Neuropsychologen kümmert sich hier um die Patienten. Der Schlaganfall gehört heute zu einer gut behandelbaren Erkrankung. Aber trotz guter Therapiemöglichkeiten können Beeinträchtigungen zurückbleiben. Dazu gehören beispielsweise Defizite bei der Kommunikation, aber auch Hirnleistungsstörungen oder motorische Defizite. Auch Schluckstörungen können auftreten, denen man mit Logopädie-Einheiten entgegenwirken will. Jüngere Patienten, die noch berufstätig sind, können nicht immer an ihren Arbeitsplatz zurückkehren.
IMAGE: Welche Rolle spielt die Rehabilitation?
MINWEGEN/ZIEMKE: Eine individuelle Rehabilitation ist oft ein zentrales Element in der Schlaganfall-Behandlung. Der erste Schritt beginnt im Krankenhaus mit einem Netzwerk aus Spezialisten. Im Mittelpunkt steht, dass Patienten mit Bewegungseinschränkungen nach einem Schlaganfall ihre Mobilität zurückerlangen – und so ihren Alltag wieder weitestgehend selbständig bestreiten können. Dabei ist der Erfolg aber auch vom Engagement des Patienten abhängig und von der Tatsache, das Erlernte aktiv im Alltag umsetzen zu können. anja