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Gesundheit

Wenn die Seele nach der Diagnose einfach Hilfe braucht

IMAGE im Gespräch mit Psychoonkologin Sophia Bremshey, Ev. Krankenhaus Witten.

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Sophia Bremshey, Psychologin M.Sc., Psychologische Psychotherapeutin u. Psychoonkologin (DKG) im EvK Witten.

Wenn ein Patient eine schlimme oder lebenszeitverkürzende Diagnose bekommt, wird ihm der Boden unter den Füßen weggerissen. Warum ich? Angst und Unsicherheit machen sich breit. Sein Stress-level steigt ins Unermessliche. Wie soll es nur weitergehen? Geht es überhaupt noch weiter? Was bleibt mir noch zu tun?
Fragen, bei denen Sophia Bremshey (32) Hilfestellungen geben kann. Die Psychologin arbeitet im Evangelischen Krankenhaus Witten hauptsächlich auf der Onkologie- oder Palliativstation mit Patienten, für die der Sinn des Lebens durch ihre Erkrankung oft neue Fragen aufwirft.

IMAGE: Wie sieht Ihre Arbeit als Psychotherapeutin und Psychoonkologin im Krankenhaus aus?
BREMSHEY: Hauptsächlich komme ich auf der Onkologie oder auf der Palliativstation zum Einsatz. Die Onkologie beschäftigt sich mit der Entstehung und Entwicklung von Tumorerkrankungen - und die Patienten haben ihre Krebsdiagnose entweder relativ frisch erhalten oder sie sind hier, weil sich etwas im Verlauf ihrer Erkrankung verändert hat. Auf der Palliativstation sind schwerstkranke Patienten mit einer unheilbaren und weit fortgeschrittenen Erkrankung untergebracht, die unter Symptomen leiden, die in einem Krankenhaus versorgt werden müssen. Dabei bedeutet das nicht, dass diese Patienten auf der Palliativstation bis zu ihrem Tod bleiben. Palliativmedizin meint nicht nur eine Behandlung in den letzten Lebenswochen, sondern Ziel der palliativen Versorgung auf der Station ist es, den Patienten zur Weiterbetreuung durch Angehörige nach Hause oder an einen anderen Ort zu entlassen. In beiden Fällen bin ich für Patienten und Angehörige Ansprechpartnerin, beispielsweise im Rahmen einer Gesprächstherapie.

IMAGE: Wollen die Patienten oder Angehörigen mit Ihnen sprechen? Sie sind ja eine fremde Person, der sie in einer sensiblen und schwierigen Zeit im Krankenhaus begegnen?
BREMSHEY: Natürlich ist das immer abhängig vom jeweiligen Menschen. Es gibt Patienten und Angehörige, die großen Bedarf an psychoonkologischer Begleitung haben. Es gibt andere, mit denen man erst über „Umwege“ ins Gespräch kommt - beispielsweise über die Frage nach den Personen auf dem Foto, das auf dem Nachttisch steht oder wer die Blumen geschenkt hat. Ich muss mir immer ein Bild davon machen, wieviel der Patient oder die Angehörigen von der Krankheitssituation verstanden haben. Ist es ein Nicht-Wahrhaben-Wollen? Verdrängen Patienten und Angehörige die Diagnose? Ist der Patient depressiv? Auf der Palliativstation schaffe ich Raum für das Unaussprechliche, für Tod und Sterben.

IMAGE: Keine leichte Aufgabe. Wie helfen Sie mit Gesprächen?
BREMSHEY: In Gesprächen versuche ich „Ordnung ins Chaos“ zu bringen. Für Patienten bedeutet dies häufig die Klärung von wichtigen Fragen und wie sie ihre verbleibende Zeit noch leben möchten. Zum Beispiel mit wem sie noch einmal in Kontakt treten möchten oder welche Ziele die Patienten gerne in der nächsten Zeit noch erreichen würden. Das können ganz unterschiedliche Vorhaben sein, wie zum Beispiel noch einmal ans Meer zu fahren, einmal noch mit der Ehefrau zu tanzen oder sogar noch zu heiraten. Auch die Patientenverfügung kann häufig zum Thema werden oder die Planung der eigenen Beerdigung. Was ist eigentlich ein guter Tod? Manchmal reiche ich dem Patienten ein Telefon, damit er mit jemandem Kontakt aufnehmen kann. Oft haben die Menschen das Bedürfnis zurück auf ihr Leben zu blicken und eine Lebensbilanz zu ziehen. Wichtig ist immer, dass sich die Menschen nicht allein mit ihrer Situation fühlen. Einige von ihnen haben eine enge und große Familienkonstellation. Bei anderen ist das nicht so. Aber niemand bleibt bei mir und unserem Team ohne Ansprache und Wertschätzung.

IMAGE: Gibt es in den Gesprächen Übungen, mit denen Sie den Menschen helfen können?
BREMSHEY: Ja, die gibt es. Sogenannte Imaginationsübungen zum Beispiel. Man macht sich hierbei die Vorstellungskraft des Menschen zunutze. Imaginationsübungen wirken sich nicht nur bei Traumapatienten positiv aus, auch alten Menschen helfen sie gegen depressive Gefühle, Einsamkeit und Schmerz. Oder sie kommen eben bei kranken Menschen zum Einsatz. Dazu muss man vorab versuchen, den Patienten möglichst genau kennenzulernen. Wenn ich ihn mit der Übung auf eine positive innere Reise schicken möchte und ihn beispielsweise an den Strand bringen will, er sich aber in den Bergen wohler fühlt, ist das nicht so sinnvoll. Er soll spüren, wie es dort riecht, wie sich der Sand oder die Erde unter den Füssen anfühlt oder der Wind durch die Haare streicht. Dadurch erlebt er einen Entspannungszustand und negative Empfindungen rücken durch imaginative Techniken in den Hintergrund. Es gibt sehr viele Übungen wie ,Gepäckablegen‘ oder der ,innere sichere Ort‘ und viele andere, die das emotionale Befinden stabilisieren können und Basis einer wirksamen Hilfe zur Selbsthilfe sind.

IMAGE: Begegnet Ihnen denn nicht auch manchmal bis zum bittersten Ende nur Wut auf die eigene Situation?
BREMSHEY: Das ist sehr selten der Fall. Am Anfang hadern viele Patienten oder auch die Angehörigen mit ihrem Schicksal. Und manche sind auch wütend. Es ist eine akute Stress-Situation. Es ist bekannt, dass negativer Stress erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Körper und Psyche haben kann. Aber auch das Umgekehrte gilt: Eine bestehende Erkrankung kann Stress hervorrufen. Gut bekannt ist dies zum Beispiel von Krebspatienten, die sich oft plötzlich wie aus dem Nichts heraus mit einer schweren Krankheit, einschneidenden und monatelangen Behandlungen und eventuell mit der Endlichkeit ihres Lebens konfrontiert sehen. Hier muss man versuchen, Abhilfe zu schaffen. Entspannungsübungen gehören dazu. Im Laufe der Tage oder Wochen beginnen die meisten Menschen, die Situation anzunehmen und finden sich ein. Das hat aber nichts damit zu tun, dass sie depressiv oder teilnahmslos werden. Mit Unterstützung können Patienten ihre verbleibende Energie gut für sich nutzen und positiv einsetzen. Zum Beispiel erleben wir immer wieder Familienzusammenkünfte auf der Station, die in der Form seit Jahrzehnten nicht mehr statt gefunden haben, meistens durch Kontaktabbrüche in Familien. Und so gibt es auf der Onkologie und auf der Palliativstation tatsächlich schöne und sogar fröhliche Momente.

IMAGE: Sie binden auch die Angehörigen in die Gespräche mit ein?
BREMSHEY: Selbstverständlich. Es gibt Gespräche nur mit Angehörigen, nur mit dem Patienten oder gemeinsam. Das ist sehr unterschiedlich. Ich arbeite schon seit meiner Ausbildung mit Krebspatienten und erlebe immer wieder, wie individuell die Gespräche verlaufen. Jeder macht andere Erfahrungen in seinem Leben, die Erkrankung verläuft anders und das spiegelt sich natürlich auch in meiner Arbeit mit den Menschen wieder.

IMAGE: Ihr Job ist nicht einfach. Sie werden mit vielen traurigen Geschichten konfrontiert. Wie erleben Sie das für sich selbst?
Bremshey: Es verändert die Perspektive auf das eigene Leben. Man lernt, kleine Dinge wertzuschätzen. Meine Arbeit gibt mir viel zurück. anja