Linus Paelke, Leiter Therapeutische Teams am Ev. Krankenhaus in Witten zu Therapien im Bewegungsbad.
Im Bewegungsbad im Evangelischen Krankenhaus in Witten sorgen Übungen im warmen Wasser für körperliches Wohlbefinden und Linderung bei Erkrankungen.
Bewegung im (warmen) Wasser ist gesund. Das Element Wasser hat viele positive Eigenschaften im Hinblick auf den menschlichen Körper und seine Gesundheit. Im Sockelgeschoss des Ev. Krankenhauses Witten befinden sich neben den therapeutischen Teams aus Physio- und Ergotherapeuten, Logopäden und Masseuren auch ein Bewegungsbad für stationäre und ambulante Patienten.
IMAGE: Warum ist Bewegung im Wasser wichtig?
PAELKE: Wasser ist das ideale Element für Bewegung und Entspannung. Zusätzlich hat das Wasser noch einige besondere Eigenschaften, die Bewegen und Trainieren beeinflussen. Eine davon ist der Auftrieb. Ein Körper verliert im Wasser relativ gesehen so viel an Gewicht, wie die von ihm verdrängte Flüssigkeitsmenge wiegt. Der Wasserwiderstand erfordert Muskelarbeit, der Auftrieb macht den eigenen Körper leichter. Außerdem kühlt der Körper im Wasser schneller ab als an Land. Deshalb ist der Stoffwechsel dadurch gefordert, die Körpertemperatur zu halten. Positive Wirkungen gibt es auch auf das Herz-Kreislauf-System, sodass auch Menschen mit diesem Krankheitsbild das Wasser als Bewegungsraum nutzen können. Der Wasserdruck in Kombination mit Muskelarbeit fördert auch den Lymphabfluss und entstaut Arme und Beine. Der Kreislauf wird trainiert, das Stütz- und Bewegungssystem wird entlastet. Nachgewiesen ist auch, dass sich durch regelmäßiges Training im Wasser altersbedingte Leistungseinbußen vermindern lassen und sich die Atmung verbessert.
IMAGE: Ist Bewegung im warmen Wasser noch wichtiger?
PAELKE: Nicht immer. Denken Sie beispielsweise an das Wassertreten nach Kneipp - das geschieht in kaltem Wasser. Auch gibt es kalte Güsse oder kaltes Duschen zur Stärkung des Immunsystems oder einer besseren Durchblutung. Grundsätzlich tut Bewegung im Wasser gut. Der regelmäßige Gang ins Schwimmbad unterstützt eine gesündere Lebensführung. Das geht sowohl im Freibad als auch im Hallenbad. Auch an einem See oder im Meer sind Trainingseinheiten möglich, so dass Bewegung im Wasser das ganze Jahr praktikabel ist. Das gilt für gesunde Menschen, und bei solchen mit Erkrankungen verschafft die Rücksprache mit dem Arzt das Wissen, wann und wo sich Bewegung im Wasser bewerkstelligen lässt. Bei verschiedenen Erkrankungen, beispielsweise Rheuma oder Erkrankungen am Bewegungsapparat, ist warmes Wasser für verschiedene Übungen besser geeignet. Die Gefäße weiten sich - und warmes Wasser hat schmerzlindernde Eigenschaften. Das warme Wasser im Therapiebecken unterstützt durch die permanente Wasserumspülung die Durchblutung der Haut und des Gewebes. Es tut den Menschen einfach gut.
IMAGE: Bewegung im warmen Wasser hilft also bei verschiedenen Erkrankungen. Das Bewegungsbad im Evangelischen Krankenhaus verfügt auch über warmes Wasser?
PAELKE: Das ist richtig. Wohltuende 31 Grad Wassertemperatur - wir haben die Temperatur um ein Grad reduziert, um einen Beitrag zum Energiesparen zu leisten - ermöglichen ein vielfältiges Angebot an Gruppen- und Einzeltherapien und werden tatsächlich sehr oft genutzt. Beispielsweise gibt es Onkologische Selbsthilfegruppen oder die Deutsche Rheumaliga, die das Bad nutzen. Wir bieten Wassergymnastik und Aquafitness, es gibt Bewegungsbadgruppen, beispielsweise die Knie- und Hüftgruppe, und natürlich auch die krankengymnastische Einzeltherapie im Wasser. Über einen externen Verein bieten wir außerdem Rehasport und Kinderschwimmen an.
IMAGE: Helfen Wärme und Bewegung im warmen Wasser auch bei der Volkskrankheit Rückenschmerzen?
PAELKE: Grundsätzlich können sowohl Wärme als auch Kälte Effekte haben. Die Therapie versucht, sich an den Präferenzen des Patienten zu orientieren. Als Faustformel kann man sagen: Bei akuten Entzündungen ist oft Kälte hilfreich, bei chronischen Schmerzen empfehlen sich warme Packungen oder Bäder. Wärme fördert die Durchblutung und damit den Stoffwechsel. So ergeben sich durch den Auftrieb des Wassers dreidimensionale Bewegungsrichtungen ähnlich den Bedingungen in der Schwerelosigkeit. Übungen im schultertiefen Wasser können mittels des Auftriebs und des Wasserwiderstands Patienten mit Beweglichkeitsdefiziten im Schulterbereich zur erfolgreichen vor der Therapie nicht möglichen Seithalte oder Rückführung des Arms führen. Chronische Schmerzen sind komplex und immer multifaktoriell. Erst müssen Treiber für den Schmerz individuell am Patienten identifiziert und untersucht werden. Danach muss auf Augenhöhe mit dem Patienten zusammen ein therapeutisches Programm aufgestellt werden. Dazu kann dann auch das Bewegungsbad gehören. Wichtig dabei ist, dass der Patient alles versteht und das Gefühl hat, alles Besprochene zu verstehen und umsetzen zu können. Ansonsten hilft die beste Therapie nicht. Bei den meisten Therapieansätzen ist der Patient in einer eher passiven Rolle. Studien und Erfahrungen der letzten zwanzig Jahre haben gezeigt, dass das nicht der vielversprechendste Ansatz ist, um die Schmerzen in den Griff zu bekommen. Das spiegelt sich auch in dem Feedback wieder, was ich von Patienten in der Therapie bekomme. In einem modernen Verständnis der Schmerztherapie ist es genau umgekehrt. Der Therapieerfolg wird vom Therapeuten und dem Patienten 50/50 geteilt. Patienten, die gut begleitet werden und denen es gelingt, die gemeinsam mit dem Therapeuten festgelegten Therapieziele einzuhalten, können ihre Schmerzen soweit in den Griff bekommen, dass sie nicht mehr durchgehend therapiert werden müssen und ihr Leben mehr nach ihren Vorstellungen gestalten können - ein Plus für deutlich mehr Lebensqualität. anja