Zusammen mit Stadtarchivar Thomas Weiß widmen wir uns in der Serie „Historische Orte“ alten Gebäuden und Plätzen. Thema heute: das Roswitha-Denkmal in Blankenstein.
Das Roswitha-Denkmal steht in Blankenstein. Die passende Straße dazu heißt „Am Roswitha-Denkmal“.
Vorbeifahrende Autofahrer haben eher die Straße im Blick, als das sie einen Blick nach oben werfen, wo auf einer Bruchsteinmauer an der Straße „Am Roswitha-Denkmal“ ein Kunstwerk aus Sprockhöveler Ruhrsandstein steht. Das Bauernmädchen Roswitha, ein Jüngling und ein Ziegenbock bilden eine auf den ersten Blick etwas merkwürdige Gruppierung. Enthüllt wurde das Werk des jungen Blankensteiner Künstlers Gustav Müller-Blankenstein am Nachmittag des 23. April 1927 durch Amtmann Karl Thiel.
DIE SERIE: HISTORISCHE ORTE
Der junge Künstler hieß eigentlich „nur“ Müller. Doch der Name bleibt in der künstlerischen Szene nicht so wirklich im Gedächtnis. Was tun? Nimmt man halt den Ortsnamen hinzu, wo man in einem bürgerlichen Elternhaus 1905 das Licht der Welt erblickte. Schon früh war für den Sohn eines Hüttenarbeiters klar, dass ihn sein Weg in die Kunst führen sollte. Sein Wunsch war der Besuch der Kunstakademie in Kassel, doch dafür brauchte er Geld. Ungewöhnlich ist, dass sein Förderantrag an das Amt Blankenstein tatsächlich bewilligt wurde Stein, Holz, Ton – er experimentierte mit den Materialien. Anlässlich des Burg- und Stadtjubiläums 1927 erhielt der junge Künstler 1926 den Auftrag für ein Kunstprojekt im öffentlichen Raum – eben das Roswitha-Denkmal. Und was soll man sagen: das Amt war begeistert von seiner Arbeit. Und zwar so sehr, dass beschlossen wurde, ihm die als Darlehen gezahlte Förderung von zunächst 1200 Mark pro Jahr für vier Jahre und noch einmal jeweils 1000 Mark für die Jahre 1926 und 1927 zu erlassen. Zum Vergleich: Ein Bier kostete damals zehn Pfennige. Ein künstlerisches Leben war also gut möglich.
Was aber hat es mit dem eigenwilligen Motiv auf sich? Dafür muss man sich in die Welt der Sagen begeben. Hier wird vom Blankensteiner Schatz berichtet. Ein Handwerksbursche soll in einer Winternacht müde und hungrig auf einem Bauernhof in Blankenstein um ein Nachtlager und Brot gebeten haben. Obwohl die hübsche Bauerstochter Roswitha sich für ihn einsetzte, warf der Vater ihn wieder hinaus und versagte ihm die Hilfe. In einem Heuschober legte er sich schließlich zur Ruhe und erwachte um Mitternacht durch einen heftigen Donnerschlag. Er sah den hartherzigen Hofherrn mit einer Kiste unter einem Baum stehen. In der Kiste war ein Schatz, den er vergrub und dabei den Teufel anrief, diesen zu bewahren. Das Pfand sei ein schwarzer Ziegenbock. Die Zeit verging und aus dem Wanderburschen war ein Jäger geworden, der für Turnier und Jagd nach Blankenstein zurückkehrte. Er traf auf ein verfallenes Bauernhaus und als er klopfte, öffnete Roswitha die Tür. Der Jüngling gab sich zu erkennen als der Wanderer von damals und hörte von dem Tod des Hofherrn in jener Nacht unter dem Baum, unter dem er den Schatz vergraben hatte. Weil Roswitha ihm damals helfen wollte, erzählte er ihr von dem vergrabenen Schatz und dem Fluch, der durch einen schwarzen Ziegenbock aufgehoben werden konnte. Die junge Bauerstochter besorgte ein solches Tier und so konnte die Schatzkiste gehoben werden. Die beiden heirateten. Sie lebten glücklich bis an ihr Lebens Ende. Das ist die Geschichte hinter dem Denkmal.
1928 wurde der Amtmann-Thiel-Brunnen in Blankenstein eingeweiht. Auch das Denkmal schuf der junge Künstler. Es wurde allerdings von den Nationalsozialisten 1933 zerstört. Das hing mit dem Amtmann Karl Thiel zusammen, der sich für die Ideen der Gartenstadt begeisterte. Thiel rief 1909 zur Gründung einer Baugenossenschaft auf und beauftragte den Architekten Georg Metzendorf mit der Planung und Umsetzung einer Gartenstadt als Gegenbewegung zum Konzept der Mietskasernen. Den Nationalsozialisten war der beliebte Thiel ein Dorn im Auge. 1933 wurde ein Disziplinarverfahren gegen ihn eröffnet. Die Vorwürfe schienen absurd: In seiner Dienstwohnung sollte er Waschtische auf Amtskosten eingebaut haben. Die Nationalsozialisten bemängelten, dass der Brunnen am Bebelplatz nach ihm benannt wurde und versetzten den Amtmann 1934 in den Ruhestand. Er starb 1942. Gustav Müller-Blankenstein wurde im Zweiten Weltkrieg zum Kriegsdienst eingezogen, geriet in Kriegsgefangenschaft und kehrte 1946 zurück. Im Auftrag des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge schuf er tausende von Inschriften in Holzkreuze sowie später ausdrucksstarke und teilweise überlebensgroße Skulpturen „Trauernde Mutter“ und „Die Fliehende“, die an die Eindrücke des Krieges erinnerten. 1970 starb der Künstler in seiner Wahlheimat Hagen. anja