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Gesundheit

Verstehen sich Menschen ohne Worte?

Nichts ist so spannend und bewegt den Menschen so sehr wie sein eigenes Verhalten und das seiner Mitmenschen. IMAGE greift gemeinsam mit Experten wie Dr. med. Willi Martmöller, Facharzt für Allgemeinmedizin, Psychotherapie (Tiefenpsychologie) in unserer Serie „Wie tickt der Mensch“ spannende Fragen auf und stellt verblüffende Antworten aus der Psychologie vor.

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Manchmal begegnen wir im Alltag in einer Situation Menschen, mit denen wir uns scheinbar ohne Worte verstehen. Aber ist das überhaupt möglich? „Die Körpersprache ist eine spannende Form der Kommunikation. Sie ist ein komplexer Prozess, an dem nahezu alle Hirnregionen und zahlreiche neuronale Netzwerke beteiligt sind. Beispielsweise spielt die Amygdala eine zentrale Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen, insbesondere von Angst und Aggression. Sie ist an der Auslösung von körperlichen Reaktionen beteiligt, die sich in der Körpersprache ausdrücken, z.B. in einer defensiven oder aggressiven Körperhaltung. Das vegetative Nervensystem steuert unbewusste körperliche Reaktionen, die oft in der Körpersprache sichtbar werden. Beispiele dafür sind Erröten, Schwitzen oder das Verengen der Pupillen. Durch Mimik und Gestik verraten Menschen oft mehr über Gefühle und Gedanken als durch die verbale Sprache – und manchmal auch mehr als sie wollen und wahrhaben wollen. Mimik bezieht sich auf die Bewegungen und den Ausdruck unseres Gesichts. Ein Lächeln, hochgezogene Augenbrauen oder ein Stirnrunzeln können eine Vielzahl von Emotionen ausdrücken, von Freude über Überraschung bis hin zu Besorgnis. Unsere Gesichtsmuskeln zeigen, wie wir uns fühlen – noch bevor wir etwas sagen. Denken wir an ein Geräusch, blicken die Augen zur Seite, bei einem Bild nach oben. Eine plötzliche Anspannung im Körper oder die Stimme signalisieren Freude, Unsicherheit oder auch Lügen. Wenn uns etwas unangenehm ist, verengen sich die Pupillen selbst bei gleichbleibenden Lichtverhältnissen“, gibt Dr. med. Willi Martmöller einige Beispiele. „Die Gestik umfasst die Bewegungen der Hände, Arme und manchmal des ganzen Körpers. Sie unterstützen nicht nur das gesprochene Wort, sondern können auch unabhängig von der Sprache starke Botschaften vermitteln. Zum Beispiel kann ein Fingerzeig Autorität ausdrücken, während offene Handflächen oft Vertrauen signalisieren.“
„Neben den körperlichen Reaktionen fühlen wir im Unterbewusstsein, ob es einem Menschen gut geht oder nicht, wenn wir ihn anschauen. Wir erleben in einer Art inneren Simulation, was der andere fühlt. Diese Fähigkeit unterstellen wir den sogenannten Spiegelneuronen im Gehirn. Ohne sie wäre es uns Menschen nicht möglich, Empathie zu empfinden. Auch beim Lernen nehmen sie eine wichtige Rolle ein, da Spiegelneuronen es uns ermöglichen, durch Beobachtung zu lernen.“ 
Eine 100-prozentige Zuverlässigkeit bescheren die Körpersignale zwar nicht. „Aber mit Menschenkenntnis, Beobachtung und statistischer Erfahrung lassen sich die Menschen recht gut lesen. Ein Psychotherapeut sollte jedenfalls nonverbale Kommunikation begreifen, um das Verhalten seines Gegenübers zu verstehen, damit er ihm helfen kann.“  Von Dr. Anja Pielorz