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Gesundheit

Tumorerkrankung - und dann? Beispiel Magen und Speiseröhre

IMAGE hat Chefarzt Dr.med. Christoph Hackmann vom Ev. Krankenhaus in Witten gefragt.

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Dr. med. Christoph Hackmann, Chefarzt der Klinik für Hämatologie und Onkologie am EvK Witten. Foto: EvK

Die Klinik für Hämatologie und Onkologie am Ev. Krankenhaus ist die einzige Hauptfachabteilung mit diesem Schwerpunkt in Witten. Dr. med. Christoph Hackmann führt die Klinik als Chefarzt gemeinsam mit Chef–ärztin Dr. med. Jacqueline Rauh. IMAGE sprach mit dem Mediziner über die seit 2011 eigenständig geführte Klinik, die den Patienten dreißig Betten sowie fünf Palliativplätze bietet.
IMAGE: Welche Tumorpatienten kommen zu Ihnen?
HACKMANN: Zu uns kommen Patienten sämtlicher Krebserkrankungen mit einem Schwerpunkt auf Tumorerkrankungen des gesamten Magen-Darmtraktes sowie der Lunge. Außerdem versorgen wir Patienten mit gut- und bösartigen Erkrankungen des Blutes sowie bösartigen Erkrankungen des lymphatischen Systems. Für die Behandlung akuter Leukämien haben wir eine sehr gute Zusammenarbeit mit Prof. Schroers aus dem Knappschaftskrankenhaus Bochum-Langendreer, wo auch eine Stammzelltransplantation durchgeführt werden kann. Die mittlere Liegedauer des stationären Aufenthaltes liegt bei fünf bis sechs Tagen, dient aber nur der Orientierung. Wir haben auch Patienten, die wesentlich länger oder kürzer bei uns sind. Wir haben Patienten, die sich einer alleinigen Chemotherapie und/oder Strahlentherapie unterziehen oder bei denen diese vor oder nach einer Operation ergänzend gegeben wird. Die Chemotherapien sind sehr unterschiedlich und so individuell verlaufen auch viele Krebserkrankungen. Für uns ist deshalb immer die Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen im Krankenhaus sowie die Verzahnung von stationärer und ambulanter Versorgung wichtig.
IMAGE: Auch die Verzahnung mit der Strahlentherapie?
HACKMANN: Aber ja. Dass unser Krankenhaus über die einzige Strahlentherapie in Witten verfügt, garantiert eine ganzheitliche Tumorbehandlung nicht nur unter einem Dach, sondern auf einer Station. Wir sehen und besprechen uns täglich und arbeiten ganz eng zusammen. Wir versorgen die Patienten gemeinsam. In regelmäßigen Tumorkonferenzen legen wir gemeinsam die Behandlungsziele fest und können so Chemo- und Strahlentherapie perfekt aufeinander abstimmen. Je besser man zusammenarbeitet und man den Patienten kennt, desto geringer ist der Informationsverlust in der Diagnostik und Therapie.
IMAGE: Betrachten wir konkret eine Tumorerkrankung bei Magen und Speiseröhre. Worauf muss sich der Betroffene einstellen?
HACKMANN: Der Krebs von Magen und Speiseröhre wird selten im Frühstadium erkannt, weil Symptome oft erst spät auftreten und meist unspezifisch sind. Für die Therapie ist zunächst einmal die Diagnostik der genauen Krebsart wichtig, der Sitz des Tumors, das Tumorstadium sowie das Bestehen von Metastasen. Der erste Schritt ist die Sicherung der Diagnose durch eine Gewebeprobe. Diese wird häufig durch eine Spiegelung der Speiseröhre beziehungsweise des Magens gewonnen. Durch die Analyse der Gewebeprobe erhalten Betroffene und Ärzte die Gewissheit, ob es sich um einen Tumor handelt. Wir können durch die Gewebeprobe feststellen, ob beispielsweise ein Adenokarzinom oder ein Plattenepithelkarzinom besteht. Mit der genauen Lokalisation bestimmt dies das weitere Vorgehen, das heißt, mit welchen Methoden und in welcher Reihenfolge die Behandlung erfolgt: Chemotherapie, Chemostrahlentherapie und/oder Operation.
Sehr kleine Tumore in Speiseröhre oder Magen – absolute Frühstadien - können sogar endoskopisch mit einer sog. Mukosektomie entfernt werden. Hat sich ein Tumor lokal ausgebreitet, operieren wir in der Regel erst nach einer vorgeschalteten Chemotherapie oder Chemostrahlentherapie, um den Tumor zu verkleinern. Anschließend erfolgt die chirurgische Entfernung der Speiseröhre oder des Magens. Grundsätzlich ist im metastasierten Stadium eine Chemotherapie sinnvoll, die sich gegen alle Krebszellen im Körper richtet. Seit kurzem gibt es die Möglichkeit einer zusätzlichen Immuntherapie. Die genaue Therapie wird interdisziplinär in einer Tumorkonferenz besprochen.
IMAGE: Gibt es eine Möglichkeit der Vorbeugung und wie sieht das Leben mit der Erkrankung nach der akuten Behandlung aus?
HACKMANN: Eine Prävention ist bedingt möglich. Ernährungsgewohnheiten spielen eine wichtige Rolle. Der Verzicht auf exzessiven Alkoholkonsum sowie Tabakkonsum und häufige, stark gesalzene Mahlzeiten wird angeraten, viel frisches Obst und Gemüse sind hingegen zu empfehlen. Einige Erkrankungen des Magens erhöhen das Risiko, später ein Magenkarzinom zu entwickeln. Dazu gehören vor allem länger andauernde Entzündungen der Magenschleimhaut, wie eine chronische Gastritis, die mit dem Bakterium Helicobacter pylori vergesellschaftet sein kann (Typ B-Gastritis) oder als Autoimmungastritis vorkommt (Typ A-Gastritis). Auch beim Speiseröhrenkrebs gelten Alkohol und Nikotin als Risikofaktoren. Zunehmend mehr Menschen leiden an einem gesteigerten Säure- und zum Teil auch Gallerückfluss (Reflux) aus dem Magen, bei dem oft Sodbrennen auftritt. Dieser Reflux schädigt über Jahre hinweg die Zellen in der unteren Speiseröhre. Es ist heute wissenschaftlich anerkannt, dass diese refluxbedingten Zellveränderungen in der unteren Speiseröhre eine Vorstufe für Speiseröhrenkrebs sein können (sog. Barrett-Ösophagus). Reflux sollte daher medikamentös behandelt und bei Fortbestehen endoskopisch untersucht werden. Was das Leben mit diesen Erkrankungen angeht: Regelmäßige Untersuchungen und Kontrolltermine einzuhalten ist selbstverständlich. Entscheidende Bedeutung kommt der Ernährung zu. Hier gibt es schon während des Krankenhausaufenthaltes umfangreiche Beratungsmöglichkeiten. Dies gilt auch für sanfte Bewegung und geeigneten Sport, der den Betroffenen oft mehr hilft als Schonung. Um die psychosoziale Situation der Betroffenen zu stabilisieren, ist der familiäre Rückhalt wichtig, aber es bieten sich auch Selbsthilfegruppen an. In der Regel kommt es bei allen Maßnahmen auf die Steigerung der Lebensqualität an. Dies gilt auch für die Situation, wenn eine Heilung der Erkrankung nicht mehr möglich ist.
IMAGE: Sie können Patienten auch in der Palliativstation aufnehmen. Wäre ein Hospiz nicht besser geeignet?
HACKMANN: Ich sehe da gar keine Konkurrenz. Die Verlegung ins Hospiz ist nicht das vorderste Ziel der stationären Palliativtherapie. Sie kann vorkommen und ist im indizierten Fall eine gute Lösung, aber der deutlich größere Teil der Patienten wird durch eine multiprofessionelle Palliativkomplexbehandlung in ihren Symptomen so gebessert, dass eine Rückkehr nach Hause möglich ist, oft mit Unterstützung des Palliativnetzes und ggf. auch des ambulanten Hospizdienstes. Logistisch ist ein wichtiger Unterschied, dass wir Patienten auch jederzeit notfallmäßig – z.B. am Wochenende und nachts - in die stationäre Palliativversorgung aufnehmen können. Im Hospiz besteht ein gewisser Vorlauf mit einer Warteliste. Für die akute Versorgung bei häuslicher Überforderung stehen wir gerne zur Verfügung. Die Palliativstation ist an die onkologische Station angegliedert und kann in fünf Zimmern jeweils einen Patienten betreuen. Wenn gewünscht, kann ein Angehöriger dabei sein. Mittelpunkt der Station ist die Wohnküche. Hier können sich Patienten und Angehörige aufhalten und gemeinsam ihre Mahlzeiten einnehmen. Der Gesprächsraum wird für die Kunsttherapie und für ungestörte persönliche Gespräche genutzt. Aromatherapie, Massagen und vieles mehr sollen die Lebensqualität des Patienten verbessern. Ein multiprofessionelles Team und qualifizierte ehrenamtliche Mitarbeiter stellen die Betreuung der Patienten und ihrer Angehörigen sicher. anja