Bei der Wahl zum Vogel des Jahres 2021 hieß der Sieger am Ende: das Rotkehlchen...
Bei der Wahl zum Vogel des Jahres 2021 hieß der Sieger am Ende: das Rotkehlchen. Zum 50. Mal hatte die heutige Naturschutzorganisation (Nabu) einen Vogel des Jahres gewählt, um auf bedrohte Tiere und Lebensräume aufmerksam zu machen. Der erste Vogel des Jahres wurde der Wanderfalke – mit Erfolg. Stand die schnellste Vogelart 1971 noch am Rande der Ausrottung, führte seine Wahl schließlich zur Rettung und langfristigen Bestandserholung.
2021 konnte auch die Bevölkerung erstmals mitwählen und etwa eine halbe Million Menschen beteiligte sich. Gewählt wurde mit dem Rotkehlchen letztendlich ein keinesfalls bedrohter, aber durchaus beliebter und vertrauensseliger Singvogel. Auch zukünftig möchte der Nabu die Wahl des Jahresvogels in die Hände der Bevölkerung legen. Zur Auswahl stehen dann fünf aktuell bedrohte Vogelarten, damit die ursprüngliche Absicht des Wettbewerbs wieder in den Blickpunkt rückt.
Gärtner übernimmt Rolle des Wildschweins
Wie Jochen Roß auf der Seite der Naturschutzgruppe Witten (NaWit) beschreibt, lässt sich die vordergründige Vertrauensseligkeit des Rotkehlchens auf seinen ursprünglichen Lebensraum zurückführen. In lichten Auwäldern lernte es der kleine Vogel mit der leuchtend rot-orangen Kehle und Brust sowie seinen großen Kulleraugen, dass es sich lohnt, den in der Erde wühlenden Wildschweinen zu folgen. Zutage kamen dabei nämlich auch kleine Würmer, Larven und Krabbeltierchen, die so relativ einfach in den eigenen Speiseplan aufgenommen werden konnten. Folglich warten die „modernen“ Rotkehlchen lediglich darauf, dass der Hobbygärtner den Boden bearbeitet und dabei einige Leckereien an die Oberfläche befördert. So gesehen übernimmt der Gärtner aus Rotkehlchensicht also nur die ursprüngliche Rolle des Wildschweins.
Das Rotkehlchen fällt in unserem menschlichen Siedlungsgebiet neben seiner geringen Fluchtdistanz durch seinen unermüdlichen, feinen, hellen Gesang selbst an dunkelsten Wintertagen auf. In milden Wintern singen zwar auch Meisen schon früher als gewohnt, das Rotkehlchen steckt aber durch seinen perlenden Gesang wetterunabhängig bereits zu Beginn eines Winters sein Revier ab. Alfred Brehm nannte es vor mehr als 150 Jahren in seinem „Illustrirten Thierleben“ darum wohl auch „Winterröschen“.
Die Nähe zum Menschen lockt auch in der dunklen Jahreszeit aus ganz praktischen Gründen: Hier ist der Boden oft vom Schnee geräumt, Essensreste fallen an und in den Hausgärten sind oft Restbeeren und -Samen zu finden. Nicht zu vergessen die vielen Vogelhäuschen, gefüllt mit beständig leckerem Weichfutter.
Hinsichtlich des Zugverhaltens verwirrt gerade in den Wittener Breiten ein Phänomen: Populationen aus Nordeuropa sind zwar Zugvögel und ziehen im Herbst in den Süden. Dieser Zug kann für sie durchaus schon in dem relativ milden Westdeutschland enden. So sind die Rotkehlchen an unseren Futterhäuschen oft zugereiste Winterflüchtlinge aus Dänemark oder Schweden und gar nicht die Rotkehlchen, die uns im Frühjahr beim Umgraben zugucken. dx