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Gesundheit

Sicherheit für ältere Patienten durch das Netzwerk Geriatrie

Frank Hübner kümmert sich seit 2015 im Evangelischen Krankenhaus Witten um die Versorgung.

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Frank Hübner kümmert sich als Case­manager und Pflegeberater seit 2015 um die älteren Patienten. Foto: EVR

Das Durchschnittsalter von Patienten in Krankenhäusern steigt stetig an. Viele leiden an mehreren Erkrankungen gleichzeitig. Hinzu kommt die Tendenz zur Auflösung der traditionellen Familienstrukturen, sodass viele ältere Menschen niemanden mehr haben, der sich um ihre Versorgung kümmert. Die Versorgung älterer Patienten stellt deshalb eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung dar. Vor diesem Hintergrund wurde der geriatrische Versorgungsverbund „Netzwerk Geriatrie“ im Ev. Verbund Ruhr (EVR) geschaffen. IMAGE sprach mit Casemanager und Pflegeberater Frank Hübner.

IMAGE: Sie sind ein Netzwerker für ältere Patienten und zuständig für den Liaisondienst. Was genau bedeutet das?
HÜBNER: Die Einrichtung des Liaisondienstes beinhaltet eine qualifizierte Mitbetreuung des Patienten während eines Krankenhausaufenthaltes und stellt bei der Identifizierung notwendiger Versorgungsbedarfe nach dem stationären Aufenthalt das Bindeglied zwischen Patient, Arzt und Pflege dar. Mit der Klinik für Geriatrie mit Tagesklinik sowie dem altersmedizinischen Schwerpunkt in allen Bereichen bietet das Evangelische Krankenhaus eine ganzheitliche Therapie von der Akutbehandlung über die Frühmobilisation bis hin zur ambulanten Weiterbehandlung. Wir haben zunächst den Liaisondienst eingerichtet und danach in einer zweiten Phase Kooperationsverträge mit den Wittener Altenheimen und mit den ambulanten Pflegediensten geschlossen. Diese Kooperationen werden bis heute laufend erweitert.

IMAGE: Was genau ist das Ziel dieses Netzwerkes?
HÜBNER: Das Ziel ist die Betreuung der älteren Menschen durch intensive Vernetzung und Bündelung von Kompetenzen sowie einer Weiterentwicklung der regionalen Versorgungsstrukturen. Das wurde 2015 von der nordrhein-westfälischen Landesregierung im Krankenhausplan beschlossen. Von der Einrichtung der Liaisondienste versprach sich das Gesundheitsministerium unter Barbara Steffens auch eine Verbesserung der Versorgung älterer Patienten. Der Evangelische Verbund Ruhr, zu dem drei Krankenhäuser an vier Betriebsstellen in Herne, Castrop-Rauxel und Witten gehören, hat in seinen Häusern diese Dienste realisiert. Wir sehen darin einen größeren Nutzen. Wir wissen aber auch: Nicht alle Krankenhäuser in NRW sind der Gesetzgebung gefolgt. Für uns steht fest: Wir möchten einfach erreichen, dass die älteren Patienten nach dem Aufenthalt im Krankenhaus noch optimaler versorgt werden können. Ein Weg zu diesem Ziel ist der Liaisondienst.

IMAGE: Wie erreichen Sie das und wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
HÜBNER: Wenn ich morgens im Büro im Ev. Krankenhaus Witten den Computer einschalte, hole ich mir als erstes aus dem Krankenhausinformationssystem die Listen mit den frisch aufgenommenen Patienten auf den Bildschirm. Bei allen über 75-Jährigen wurde bei der Aufnahme ein sogenanntes ISAR-Screening (Identification of seniors at risk) durchgeführt, dessen Ergebnis im System hinterlegt ist. Sechs Fragen zum Hilfebedarf und möglichen akuten Veränderungen, Krankenhausaufenthalten der letzten sechs Monate, sensorischen und kognitiven Einschränkungen sowie Multimorbidität sollen helfen, einen möglichen geriatrischen Versorgungsbedarf zu ermitteln.
Es sind Fragen, ob man beispielsweise Probleme mit dem Gedächtnis hat oder ob man pro Tag mehr als sechs Medikamente einnimmt. Oder einfach auch, ob man in der letzten Zeit grundsätzlich mehr Hilfe benötigt hat.
Wer bei dem Screening drei oder mehr Punkte erreicht oder mehr als zwei Fragen auffällig beantwortet, erhält von mir Besuch. Dies geschieht in der Regel binnen 24 Stunden. Ich unterhalte mich mit dem Patienten und/oder seinen Angehörigen. Diese Gespräche helfen mir, die häusliche Situation und den notwendigen Hilfebedarf einzuschätzen. Ich versuche, die Alltagssituation des Patienten genau einzuschätzen. Abhängig vom Ergebnis leite ich dann die nächsten Schritte ein, die ich mit dem Sozialdienst und dem Ärztlichen Dienst abstimme.
Beispielsweise empfehle ich die Verordnung von Hilfsmitteln wie Rollator, Rollstuhl oder Toilettenstuhl, die Beantragung eines Pflegegrades, eine sozialrechtliche Beratung oder die Weiterbehandlung in der Klinik für Geriatrie. In dem Fall wird ein geriatrisches Konsil unter Einbeziehung des behandelnden Arztes durchgeführt.

IMAGE: Welche Qualifikation braucht man für diese verantwortungsvolle Aufgabe?
HÜBNER: Ich bin seit Februar 2015 im Ev. Krankenhaus Witten für den Liaisondienst zuständig. Im Krankenhaus selbst arbeite ich seit über zwanzig Jahren. Ich habe eine Ausbildung zum Altenpfleger gemacht und neun Jahre in der Geriatrie gearbeitet, danach in der Notfallambulanz. Berufsbegleitend habe ich Weiterbildungen zum zertifizierten Case Manager nach DGCC und zum zertifizierten Pflegeberater absolviert. Ich bringe die verschiedenen Beteiligten zusammen und bin selbst gut vernetzt.

IMAGE: In Ihrem Beruf ist neben dem Fachwissen sicherlich auch viel Empathie gefragt?
HÜBNER: Unbedingt. Kein Patient über 75 Jahre sollte unterversorgt nach Haus entlassen werden. Die Angehörigen sind oft überfordert oder wissen nicht, welche Hilfsmittel zur Verfügung stehen und was sie überhaupt bei wem beantragen müssen. Unser Netzwerk sorgt dafür, dass ein Patient, der einen hohen Hilfebedarf hat, der noch nicht abgedeckt ist, schon 24 Stunden nach der Aufnahme sicher sein kann, dass bei einer bevorstehenden Entlassung eine bestmögliche, dem Alter und dem Krankheitsbild angepasste Versorgung und Unterstützung eingeleitet wurde. Das gibt Sicherheit und fördert auch den Heilungsprozess und das Vertrauen.

IMAGE: Gibt es Fälle, die Sie persönlich nicht loslassen und die Sie auch mit nach Hause nehmen?
HÜBNER: Ja, die gibt es. Vor allem vor einem finanziellen Hintergrund bei geringer Rente oder bei schwierigen familiären Strukturen. Wenn ich erlebe, dass es zwar Kinder gibt, die sich aber nicht um ihre Eltern kümmern, dann wird man schon sehr nachdenklich. Die Corona-Pandemie hat viele Situationen auch noch schwieriger gemacht. Der Kontakt zu den Patienten ist für mich unter Beibehaltung der Maskenpflicht gerade bei dementen Menschen sehr schwierig. Auch die Angehörigen sind oft keine persönlichen Ansprechpartner mehr. Vieles konnte und kann nur per Telefon besprochen werden. Mein Eindruck ist, dass viele der älteren Menschen verstärkt unter Einsamkeit leiden. Die Kontakte sind einfach weniger geworden. Ich versuche zu helfen, wo es geht. Wenn man sich seiner Verantwortung für die Menschen bewusst ist, dann lässt einen deren Schicksal auch nicht einfach los. Wir bemühen uns sehr, für die Herausforderungen gute Lösungen zum Wohle des Patienten zu finden.anja