Nichts ist so spannend und bewegt den Menschen so sehr wie sein eigenes Verhalten und das seiner Mitmenschen. Auch in diesem Jahr greift IMAGE gemeinsam mit Dr. med. Willi Martmöller, Facharzt für Allgemeinmedizin, Psychotherapie (Tiefenpsychologie) in unserer Serie „Wie tickt der Mensch“ spannende Fragen auf und stellt verblüffende Antworten aus der Psychologie vor.
„Sei doch nicht so empfindlich und schaffe Dir eine dicke Haut an.“ - Was umgangssprachlich etwas flapsig daherkommt, nennt sich in der Psychologie Resilienz. „Stress, Krisen und Schicksalsschläge gehören zum Leben. Der Mensch ist ihnen jedoch nicht hilflos ausgeliefert, sondern kann seine eigene seelische Widerstandskraft trainieren. Das nennt man Resilienz“, erklärt Dr. Willi Martmöller. „Wir gehen heute dank der Neurowissenschaften und der modernen Resilienzforschung davon aus, dass diese Widerstandskraft erlernbar ist. Es gibt Studien, die ein Netzwerk von Botenstoffen im Gehirn, die sogenannten Neurotransmitter, für Resilienz verantwortlich machen. Beim Vergleich von resilienten mit weniger resilienten Menschen hat sich gezeigt, dass die Gehirnregion des Hippocampus bei den resilienten Personen größer ist. Ob man allerdings resilient wird, wenn die Voraussetzungen im Gehirn gegeben sind, oder ob das Gehirn sich so entwickelt, weil man gute Resilienzstrategien hat, lässt sich damit noch nicht beantworten. Mögliche genetische Faktoren spielen jedoch mit der Umwelt und dem persönlichen Erleben zusammen. Dabei betrachtet man die psychische Gesundheit über einen längeren Zeitraum und zum anderen schaut man, welchen Belastungen der Betroffene ausgesetzt ist. Im Verhältnis von beidem lässt sich die Resilienz erkennen.
Wichtig dabei ist, dass Krisen zwar als schmerzhaft, nicht aber als lähmend wahrgenommen werden. Man unterscheidet dabei zwischen alltäglichen Herausforderungen oder schwerwiegenden Ereignissen wie beispielsweise Traumata oder Tod eines nahen Angehörigen.
Auch wenn es schwerfallen mag - Krisen sind nicht dauerhaft und es kann aus ihnen Positives entstehen. Der Gedanke mag derzeit schwerfallen, weil man das Gefühl hat, eine Krise wird durch die nächste ersetzt. Damit dieses negative Gefühl nicht dominant wird, ist die eigene Stärkung umso wichtiger. Der Glaube an sich selbst und die Hilfe eines sozialen Netzwerkes haben eine große Bedeutung. Dabei schließt der Begriff ,Familie‘ auch jene Menschen ein, die zwar keinen Verwandtschaftsgrad zueinander haben, sich aber dennoch stark miteinander verbunden fühlen und sich zur Seite stehen. Gemeinsam lassen sich Lösungen mit klaren Zielen erarbeiten. Dabei dürfen diese Ziele nicht unveränderlich sein. Was als Ziel in Stein gemeißelt ist, wird bei jeder Krise zu schwerem Ballast, weil man unter allen Umständen an diesem Ziel festhalten will. Zur Resilienz gehört aber ein dynamischer Anpassungs- und Entwicklungsprozess.
Nach vorn zu blicken ist das eine - es tut aber auch gut, sich deutlich zu machen, was man im Leben geschafft hat. Und schließlich: Hoffnung auf bessere Tage sind ein nicht zu unterschätzender Schutzfaktor.“ anja