Das Gefühl der Sicherheit ist für die betroffenen Frauen das Wichtigste - Hilfe aber auch für Täter...
Kathleen Schmalfuß arbeitet seit zwanzig Jahren in der Frauenberatung.
Sie wurde geschlagen und gedemütigt. Von ihrem Mann und an einem Ort, der für sie sicher sein sollte – in ihrem eigenen Zuhause. Sie flüchtete sich in das Frauenhaus Ennepe-Ruhr. Sie wünscht sich ein eigenes Leben. So fangen viele Geschichten an, die Kathleen Schmalfuß kennt. Die Sozialarbeiterin arbeitet seit zwanzig Jahren bei GESINE Intervention, dem Zentrum für Prävention, Information, Schutz und Unterstützung bei Gewalt gegen Frauen im EN-Kreis. 1992 eröffnete der Verein „Frauen helfen Frauen EN e.V.“ das Frauenhaus im EN-Kreis. 1996 wurde mit der Frauenberatungsstelle ein weiteres Angebot für Frauen in schwierigen Lebenssituationen geschaffen. Und es gibt noch viel mehr.
Nachts mit der Polizei oder tagsüber mit einem Köfferchen an der Hand – so kommen die meisten Frauen nach einem telefonischen Erstkontakt über die Rufnummer 02339 – 6292 in das Frauenhaus des Ennepe-Ruhr-Kreises. In welcher Stadt es liegt, dürfen wir aus Sicherheitsgründen nicht verraten, denn es ist in den dreißig Jahren seit der Gründung öfter vorgekommen, dass rasende Ehemänner, Brüder oder andere männliche Familienmitglieder Einlass begehrten. Immer ist die Ursache der Aufnahme in das Frauenhaus häusliche Gewalt. Häufig ist es körperliche Gewalt, aber auch psychische oder sexuelle Gewalt, Demütigungen und finanzielle Abhängigkeiten gehören dazu.
„Unser Haus bietet insgesamt 25 Plätze für Mütter und Kinder. Aufgenommen werden Frauen ab 18 Jahre aus allen möglichen Ländern. Gesprochen wird neben deutsch auch englisch und türkisch. Manchmal kommt ein Dolmetscher zum Einsatz. Die Frauen leben im Haus in einem eigenen Zimmer mit ihren Kindern, müssen sich aber Küche und Essraum gemeinsam mit anderen Frauen teilen. Jungen werden bei uns im Frauenhaus nur bis zum 14. Lebensjahr aufgenommen. Das ist der Struktur des Gebäudes geschuldet. Es ist leider auch nicht barrierefrei. Aber wir versuchen in jedem einzelnen Fall Schutz zu bieten und für jeden einzelnen Fall eine Lösung zu finden“, sagt Kathleen Schmalfuß.
Einfach ist das nicht, denn die Plätze in Frauenhäusern sind stark nachgefragt.
Unter www.frauen-info-gewalt.de kann ein freier Platz in NRW gesucht werden und unter www.frauenhaus-suche.de kann seit dem 31. Mai 2021 tagesaktuell die Aufnahmekapazität von Frauenhäusern und Schutzwohnungen bundesweit öffentlich eingesehen werden.
Bundesweit fehlen laut Istanbul- Konvention ca. 15.000 Betten in den Frauenhäusern. Das führt seit Jahren zu einem chronischen Platzmangel in den Häusern. Die Corona-Pandemie hat das noch verstärkt. Es gab viel mehr telefonische Kontakte und einen Anstieg von Polizeieinsätzen. Man hockte mit zu vielen Personen auf zu engem Raum. Nicht selten eskalierte ein Streit.
Rund 70 Frauen kommen pro Jahr ins Frauenhaus EN. Manche bleiben Monate, manche nur ein paar Wochen. Falls Kinder mitbetroffen sind, müssen diese Kita oder Schule wechseln und eine Einrichtung in der Nähe des Frauenhauses besuchen – wenn sie in der Kita einen Platz bekommen. Manchmal haben sie Kontakt zum Vater, manchmal nicht. Der Weg zurück in ein eigenes Leben führt für die Frauen oft nur über staatliche Leistungen. Viele von ihnen haben, wenn sie einen Beruf hatten, diesen lange nicht mehr ausgeübt. „Manchmal ist die Flucht aus dem alten Leben planbar. Dann ist es wichtig, ein paar Dinge mitzunehmen. Dazu gehören alle wichtigen Papiere wie Pässe und Ausweise, Geburts- und Heiratsurkunden, Jobcenter- oder Rentenbescheide, Krankenkassenkarte, Mutterpass, gelbes Vorsorgeheft, Impfpässe, Kontokarte, Sparbücher, Bargeld, Mietvertrag der Wohnung, Zeugnisse, Zertifikate vom Deutschkurs, Unterlagen von Verträgen (z.B.: Telefon, Internet, Versicherungen), notwendige Medikamente, Kleidung, für Kinder die Schulsachen und das Lieblingsspielzeug. Wenn die Flucht nicht planbar ist, kommen die betroffenen Frauen aber auch manchmal mit leeren Händen. Das Wichtigste ist ihre Sicherheit und die der Kinder“, erzählt Kathleen Schmalfuß.
Sie weiß: Der Weg in ein selbstbestimmtes und sicheres Leben ohne häusliche Gewalt ist nicht leicht. „Für die Frauen muss das, was sie erlebt haben, zunächst sprechbar – aussprechbar – werden. Sie müssen Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten fassen und ihr Selbstwertgefühl muss sich aufbauen. Es ist unsere Aufgabe, ihnen dabei zu helfen.“ anja
Kontakte:
Frauenberatung:
Schwelm Markgrafenstraße 6
Telefon: 02336/475 90 91 Witten Augustastraße 47
Telefon: 02302/5 25 96
Hattingen Talstraße 8
Telefon: 02324/ 38 09 30 50
Herdecke Hauptstraße 43
Telefon: 02330/611 111
www.gesine–intervention.de
Frauenhaus Tel.: 02339/6292 E-Mail info@frauenhaus-en.de
Für Täter
Tatorientierte nachhaltige Intervention
Telefon 02336/ 475 90 94