Thema im Elterntreff: Rechenschwäche (Dyskalkulie) - wie man es merkt und was man tun kann...
Bereits im Kindergartenalter entwickelt sich ein Vorläuferwissen über die Bedeutung von Zahlen und Mengen. Mit Fingern, Murmeln, Steinen und vielen anderen Gegenständen beginnen die Kleinsten ihren ersten Ausflug in die Welt der Zahlen. Es kommt etwas hinzu, es wird etwas weggenommen. Auch das wird zunächst zählend erkundet. Diese Kenntnisse erweitern Kinder in den ersten Schuljahren – sie erlernen die Grundrechenarten und verinnerlichen die Basis mathematischer Logik. Dabei müssen sie sich vom zählenden Rechnen lösen. Jeder Lernschritt baut auf den vorangegangenen auf, denn die Mathematik ist eine hierarchische Wissenschaft. Hat ein Kind die ersten Schritte nicht richtig verstanden, beginnt später das Mathegebäude zu wanken und kann sogar einstürzen. Eine Rechenschwäche oder Dyskalkulie erschwert diesen Lernprozess erheblich. Doch gerade die Corona-Pandemie und das mit ihr verbundene Homeschooling haben gezeigt: es muss nicht immer eine Rechenschwäche vorliegen, wenn mathematische Aufgaben nicht verstanden werden. Denn so wichtig es für die Eltern ist, ihren Kindern zu helfen – gerade bei Mathematik können sie qualifiziertes Lehrpersonal mit ausgebildeter Mathematikdidaktik nicht ersetzen.
Zählen ist nicht Rechnen
„Am Anfang ist es für Kinder völlig in Ordnung, die Finger beim Zählen zu nutzen. Doch das muss spätestens in der zweiten Grundschulklasse Vergangenheit sein. Die Zahlenwerte werden größer und so viele Finger haben wir nicht. Sicherlich kann man auch über das Sehen, also das Betrachten der Finger, am Anfang eine Hilfe erhalten – aber ich muss lernen zu abstrahieren. Kinder entwickeln aber eigene Strategien, wenn sie nicht mehr weiterwissen und keine Ahnung haben, wie sie die Rechenaufgabe lösen können. Und diese Strategien sind nicht unbedingt richtig“, erklärt Dr. Marion Suschke, Leiterin des Duden Instituts Hattingen. Sie zeigt an einem Beispiel auf, worauf es ankommt. „Vieles ist einfach abhängig von Logik. Das zeigt sich beispielsweise bei sogenannten Kapitänsaufgaben: Auf einem Schiff befinden sich 26 Schafe und zehn Ziegen. Wie alt ist der Kapitän? Noch 1990 gaben 76 von 97 Schülern auf diese Frage eine errechnete Antwort. Oft die Angabe 36. Das wäre heute nicht viel anders und es zeigt, wie wichtig Logik und Grundverständnis sind, um Mathematik und die Welt der Zahlen zu begreifen. Schüler addieren Schafe und Ziegen, um das Alter des Kapitäns zu errechnen, ohne auf die Tauglichkeit der Angaben zu achten und zu begreifen, dass mit solchen Angaben eine Lösung der Aufgabe nicht möglich ist.“
Aufgaben verstehen
Neben Logik und Konzentration braucht man für die Welt der Zahlen unbedingt Orientierung, Vorstellung und Abstraktion. In der Regel wird all dies bereits im Kindergartenalter eingeübt. So ist etwa das Rechts-Links-Verstehen sehr wichtig. Dies bezieht sich zunächst auf den eigenen Körper, später dann auf das Gegenüber. „Es ist einem Kind nicht in die Wiege gelegt und auch nicht genetisch vererbt, dass es verstehen muss, sein linker Arm im Gegenüber der Mutter ist rechts.“
Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass wir uns Dinge am besten behalten, wenn wir sie sehen und selbst getan haben. Deshalb versucht man, die Welt der Zahlen spielerisch einzuführen, beispielsweise mit den sogenannten „verliebten Zahlen“. Die verliebten Zahlen, auch Partnerzahlen genannt, sind ein pädagogischer Trick für Schulanfänger im Fach Rechnen. Die Schüler basteln dabei beispielsweise Herzhälften, auf die sie die Zahlen schreiben und diese dann beweglich, z. B. mit Musterklammern verbinden. Oder es wird mit Würfelbildern gearbeitet. Dabei werden die Zahlen im Zahlenraum bis zehn zu Pärchen zusammengeführt, die immer zusammen zehn ergeben. Da im Dezimalsystem die zehn eine wesentliche Zahl ist, erleichtert es immer, gerade die einzelne Zerlegung im Bereich zehn auswendig zu kennen. Dies kann durch Reime zusätzlich unterstützt werden. Benötigt wird die Fähigkeit der Zehnerzerlegung grundsätzlich für den Rechenübergang über den vollen Zehner hinaus. Die Zahl wird dabei aufgeteilt, zunächst erfolgt die Rechnung bis zum nächsten Zehner und dann weiter. Eine Erweiterung erfahren die verliebten Zahlen im Bereich bis 100, wenn ganze Zehner zu Paaren zusammengestellt werden z. B. 10 plus 90, 30 plus 70 usw.
Überhaupt, so empfiehlt die Expertin, sollen Eltern/Großeltern mit ihren Kindern (oder Enkeln) vieles spielerisch machen. „Lassen Sie sich den Weg durch die Stadt beschreiben. Bieten Sie spielerische Übungen an, etwa die, einem Kind einen Luftballon in die rechte Hand zu malen. Diese Dinge müssen Kinder beherrschen, wenn sie in der Welt der Zahlen bestehen wollen.“ Denn: In der ersten Zeit entwickelt der Nachwuchs oft erstaunliche Fähigkeiten, auch wenn es mit dem Verstehen der Zahlen nicht klappt. „Die Kinder lernen auswendig und das klappt am Anfang sehr gut. Natürlich kann man das Einmaleins lernen und am Anfang muss das nicht auffallen, dass das Kind eigentlich das Rechenprinzip gar nicht verstanden hat, weil es in der Regel durch Auswendiglernen oft zum richtigen Ergebnis kommt. Doch wenn die Aufgaben komplexer werden, dann geht das irgendwann nicht mehr und weil dann die Grundlagen fehlen, kommt das Kind nicht mehr nach. Den betroffenen Kindern fehlen das nötige Mengenverständnis und die Zählfertigkeiten, um die Grundrechenarten erlernen zu können. Sie verstehen Zahlen als reine Symbole, nicht als Mengenangaben. Damit fehlt ihnen bereits das wesentliche Handwerkszeug, um Lernschritte in der Mathematik zu verinnerlichen.“
Es gibt Hilfe
Ob es sich bei den Problemen tatsächlich um eine Rechenschwäche (Dyskalkulie) handelt, können Experten mit Hilfe von speziellen Tests herausfinden. Bei vielen Kinderärzten kann ein solcher Test ebenfalls durchgeführt werden. „Wenn eine Lernstörung vorliegt, bringt eine normale Nachhilfestunde nichts. Sie hilft bei Themen, die nicht verstanden worden sind. Aber es sollte nicht so sein, dass eine Nachhilfe von der Grundschule bis zum Abitur durchgängig ein Thema ist. Dann liegen die Probleme in der Regel woanders. An ihnen kann man allerdings natürlich auch arbeiten und Erfolge erzielen. Wichtig für Sie als Eltern ist, ob das Kind die Aufgabe verstanden hat. Lassen Sie sich also von Ihrem Kind die Aufgabe erklären und Sie werden erkennen, ob das der Fall ist. Scheuen Sie sich nicht, Hilfe zu holen, wenn Sie glauben, ihr Kind hat Probleme. Dies gilt auch für die Lese-Rechtschreib-Schwäche. Das Hattinger Jugendamt bietet über die Erziehungshilfen Möglichkeiten, die teilweise für Eltern sogar kostenlos sind. Es gibt in Hattingen viele Beratungsmöglichkeiten, die Hilfe anbieten.“anja
Kontakt: Dr. Marion Suschke, Duden Institut Hattingen, St.-Georg-Str. 10, Tel. 02324 9033053