In Hattingen läuft Rats-Tv noch - ob es dauerhaft bleiben wird, bleibt abzuwarten.
In Witten wurde der Stecker gezogen. Rats-TV wurde abgeschaltet. Am 13. September 2021 ging auf Initiative der „Piraten“ Rats-TV an den Start, um Menschen die Arbeit der Stadtverordneten auch dann nahe zu bringen, wenn die Bürger und Bürgerinnen nicht live bei den Versammlungen dabei sein konnten oder wollten. Dem vorausgegangen waren lange Kämpfe, ob man das denn überhaupt machen solle. In der Ratssitzung am 6. November 2023 fand jetzt ein Antrag der FDP überraschend die Mehrheit, sich von Rats-TV wieder zu verabschieden. In geheimer Abstimmung votierten 39 Ratsmitglieder für die Abschaffung von Rats-TV aus Kostengründen. 16 Ratsmitglieder, darunter DIE LINKE votierten dagegen. „Das Kostenargument ist nur vorgeschoben. Es soll, so wie früher, nicht gezeigt werden, dass die Mehrheit im Rat sich nicht aktiv mit den wichtigen Themen der Stadt auseinandersetzt. Dass keine Debatte um die beste Lösung geführt wird, sondern die Verwaltungsvorlagen in der Regel ohne Aussprache abgenickt werden. Ein stummer Rat, so habe ich ihn 2014 vorgefunden. Dorthin soll es wohl zurückgehen. Und die Wähler und Wählerinnen in Witten sollen es nicht merken. Die Übertragung der Ratssitzungen findet ja ab sofort nicht mehr statt“, problematisiert Ulla Weiß, Fraktionsvorsitzende von DIE LINKE die Entscheidung.
Andere argumentierten damit, dass man der AfD keine öffentliche Plattform bieten wolle, nutze doch deren Vertreter das Rederecht gern und oft, gerade weil die Kamera auf ihn gerichtet sei.
„Rats-TV ermöglichte eine niedrigschwellige Teilhabe am politischen Geschehen in der Stadt. Bürger und Bürgerinnen konnten sehen, wie auch mit ihren Bürgeranträgen umgegangen wurde. Wichtige Streitthemen konnten nachverfolgt werden, z. B. Verhinderung des Gewerbegebiets am Vöckenberg, die Abholzung des Urwalds in Annen für das Bildungsquartier, keine Unterstützung zur Einführung einer Vermögenssteuer, keine Schaffung von Planstellen für Gewerbesteuerprüfer und -prüferinnen, um die Einnahmen der Stadt zu erhöhen“, so die Linken, die von einer handstreichartigen Abstimmung sprechen. Im Zeitalter der Digitalisierung diese barrierearme Möglichkeit der Teilnahme an Ratssitzungen wieder abzuschaffen, sei nicht nachzuvollziehen. Allerdings: die Quoten waren grundsätzlich bescheiden. In der ersten Sitzung 2021 gab es in Witten etwa 1700 Zugriffe bei durchschnittlicher Verweildauer von 16 Minuten. Die Sitzung im April 2022 verzeichnete 600 Zugriffe und durchschnittliche dreißig Minuten Verweildauer. Vereinbart worden war eine einjährige Probezeit und in der letzten Sitzung vor der Sommerpause 2022 wollte man gleichwohl Rats-TV unbefristet fortführen. Jetzt also das Aus. Die Kosten pro Sitzung werden mit rund 1500 Euro angegeben.
Im November 2021 beschloss auch der Rat der Stadt Sprockhövel das Rats-TV. Auch hier sollte es eine Testphase für ein Quartal in 2022 werden. Vier Ratssitzungen für 6000 Euro sollten gegen die Politikverdrossenheit angehen und im digitalen Zeitalter das Erleben von Politik vor Ort möglich machen. Man sprach von Chancen und den Wert für die Demokratie - auch bei geringer Nachfrage. Verlängert wurde das Experiment nicht. Auch in Hattingen läuft Rats-TV. Hier startete man erst am 30. März 2023 - weil ein jahrelanger Vorlauf mit vielen Streitigkeiten dem vorausgegangen war. So wurde erbittert darum gerungen, was überhaupt gezeigt werden dürfe - nur den Redner oder die Verwaltungsspitze. Ob wechselnde Einstellungen erlaubt seien und wie lange der Stream im Netz überhaupt online stehen solle, bevor er offline gehe.
In Sprockhövel legten Mitarbeitende der Stadtverwaltung ihr Veto ein, weil sie sich in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt sahen und daher weder gesehen noch gehört werden wollten. Wenn Fragen der Stadtverordneten beantwortet werden mussten, wurde deshalb eine Grafik mit Laufband eingeblendet und der Ton abgedreht. Waren Bild und Ton wieder eingeschaltet, musste Bürgermeisterin Sabine Noll das Gesagte zusammenfassen, damit die Zuschauer und Zuhörer am Bildschirm dem Geschehen überhaupt folgen konnten. In Hattingen hatten die Mitglieder der Verwaltungsspitze nichts dagegen, gezeigt und gehört zu werden. Das gilt nicht für einige Stadtverordnete. Im Live-Stream liegen die Zugriffe zwischen 450 und 800. Allerdings besteht die Möglichkeit, später noch auf den Stream zuzugreifen.anja