Patienten kommen mit völlig unterschiedlichen Leiden in die Notaufnahme des Krankenhauses.
Das EvK setzt auf Digitalisierung und Spezialisierung: Das Geschehen in der Notaufnahme eines Krankenhauses ist mit dem geregelten Klinikalltag auf Station kaum vergleichbar. Von der kleinen Schnittwunde über den gebrochenen Fuß bis zum Herzinfarkt sind die Beschwerden der Patienten sehr vielfältig. Dazu kommt ein kaum planbares Patientenaufkommen. Eine große Herausforderung, der das Evangelische Krankenhaus Witten mit Digitalisierung und Spezialisierung begegnet.
IMAGE: Was ist das Besondere in einer Notaufnahme?
HOPPMANN: Die Beschwerden der Patienten, die in eine Notaufnahme kommen, sind völlig unterschiedlich. Mitarbeitende der Notaufnahme müssen innerhalb kürzester Zeit Situationen korrekt einschätzen, um Leben zu retten. Das ist angesichts der Bandbreite an Notfällen, mit denen sie es zu tun haben, eine große Herausforderung. Die fachlichen Anforderungen sind sehr umfangreich. Auch das tägliche Patientenaufkommen ist kaum planbar. Die Zentrale Notaufnahme im EvK Witten ist eine eigenständige Abteilung mit fünf Behandlungsräumen und einem spezialisierten Team, das aus fachweitergebildeten Mitarbeitenden besteht. In der Pflege und in der Medizin. So bin ich als Leitende Ärztin nicht nur Fachärztin für Allgemein- und Viszeralchirurgie, sondern auch Ärztin für Notfall- und Rettungsmedizin sowie für Klinische Akut- und Notfallmedizin. Cristina Annas als Pflegerische Leitung der Zentralen Notaufnahme hat die Fachweiterbildung Notfallpflege absolviert und ist damit für ihren Einsatz in der Ambulanz besonders qualifiziert.
IMAGE: Was versteht man eigentlich genau unter Notfall?
HOPPMANN: Grundsätzlich geht man von einem Notfall aus, wenn Lebensgefahr besteht oder bleibende Schäden nicht ausgeschlossen werden können. Oft sind die Vitalfunktionen einschränkt.
Zu solchen Notfällen zählen unter anderem Vergiftungen, schwere Verletzungen – beispielsweise durch Unfälle – oder akute Krankheiten. Wir haben es dabei in der Regel mit ungeplanten Patienten aller Altersgruppen zu tun.
IMAGE: Wer in die Notaufnahme kommt, erwartet umgehend Hilfe. Manchmal dauert das aber. Warum?
ANNAS: Wir haben alle Patienten zu jeder Zeit und an jedem Ort genau im Blick – ob sie im Wartezimmer sitzen, in einem unserer fünf Behandlungsräume sind oder beim Röntgen. Das Cockpit macht dies möglich. Die Computer-Software hilft uns, von überall aus den Überblick zu behalten. Hier ist alles erfasst: neben dem Behandlungsort auch sämtliche Befunde, Diagnosen und sogar die Wartezeit. Dass es in der Ambulanz auch schon einmal etwas länger dauern kann, hat mehrere Gründe: Zum einen kennen Notfälle keine Uhrzeiten. Zum anderen werden die Patienten nicht in der Reihenfolge ihres Eintreffens behandelt, sondern nach der Dringlichkeit ihres Problems. Um das richtig bewerten zu können, wird jeder Patient in dem eigens dafür eingerichteten Triage-Raum ersteingeschätzt.
Hier werden Symptome, Vitalwerte und Schmerzgrade der Patienten erfasst, um jene Fälle zu ermitteln, die augenscheinlich nicht schlimm sind, tatsächlich aber akut behandelt werden müssen. Ein verstauchter Finger ist weniger bedrohlich als ein Herzinfarkt. Dafür müssen die wartenden Patienten dann Verständnis aufbringen. Alle Arten von Notfällen werden rund um die Uhr so schnell wie möglich und professionell versorgt.
HOPPMANN: In der Notaufnahme müssen wir akute und ernsthafte Notfälle von leichteren Verletzungen trennen. Jeder Mensch, der sich – gerade auch am Wochenende – in die Notfallambulanz eines Krankenhauses begibt, hat Angst, ihm könne etwas Schlimmes zugestoßen sein. Unsere Aufgabe ist es, in der Notaufnahme für diejenigen da zu sein, die wirklich ein Notfall sind. Hier kann es schnell um Leben und Tod gehen. Dabei gibt es andere Anlaufstellen für Patienten – zum Beispiel die 116 117, die Rufnummer des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes der Kassenärztlichen Vereinigung. Dort können Menschen anrufen, wenn sie nicht lebensbedrohlich erkrankt sind, aber auch nicht bis zur nächsten Sprechstunde beim Hausarzt warten können.
IMAGE: Neben der Digitalisierung ist also die Weiterbildung sehr wichtig, um die Situation richtig beurteilen zu können?
ANNAS: Wir setzen kontinuierlich auf die Qualifizierung der Beschäftigten, denn erst eine Spezialisierung macht es möglich, Patienten in Akutsituationen bestmöglich zu behandeln. Aktuell sind in der EvK-Ambulanz doppelt so viele Mitarbeitende in der Notfallpflege weitergebildet wie gesetzlich vorgeschrieben. Diese Zielsetzung erreichen wir bald auch in der Notfallmedizin im ärztlichen Bereich.
IMAGE: Was lernt man in der Weiterbildung Notfallpflege?
ANNAS: Dabei handelt es sich um eine zweijährige berufsbegleitende Weiterbildung mit Theorie- und Praxisteil. Es geht darum, Patienten in der Notaufnahme ersteinschätzen, aufnehmen und begleiten zu können. Außerdem geht es um Überwachung und Versorgung von Patienten mit akuten Diagnosen und Symptomen sowie akuten traumatologischen Ereignissen. Die Abläufe in Notaufnahmen zu strukturieren und zu organisieren gehört ebenso zur Weiterbildung wie den eigenen Umgang mit den Belastungen zu erlernen.
IMAGE: Die Digitalisierung in der Notaufnahme macht die Arbeit zum Wohle der Patienten und Mitarbeiter effizienter?
HOPPMANN: Das ist so. Wichtig ist, so wenig Bürokratie wie nötig, damit wir uns der Diagnostik und Therapie der akut kranken Patienten widmen können. Dabei können digitale Prozesse enorm unterstützen, wenn diese fehlerfrei und schnittstellenübergreifend laufen. Ein Gewinn wäre die digitale Übermittlung von Vorbefunden aus dem ambulanten Bereich. Damit könnten doppelte Untersuchungen vermieden und Zeit für den Patienten eingespart werden. Die Arbeit in der Notaufnahme würde zudem durch eine Echtzeitangabe, wann der Patient eintrifft, erleichtert werden. Die Leitstelle informiert zwar über die Ankunftszeit, trotzdem gibt es manchmal Wartezeiten, bis der Patient eintrifft. Eine bessere Vernetzung hilft sowohl dem Patienten als auch den Ärzten und dem Pflegepersonal. Wartezeiten in der Notfallaufnahme lassen sich ebenso verringern wie die Belastung von Ärzteschaft und Pflegepersonal. anja