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Gesundheit

„Nähe zu den Patienten schafft eine Vertrauensbasis”

Mit Chefarzt Dr. Ralf Claas, Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am EvK Hattingen im Gespräch.

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Chefarzt Dr. Ralf Claas, Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Ev. Krankenhaus Hattingen.Foto: Augusta Kliniken

Dr. Ralf Claas hat zum 1. Mai 2022 den Standort Hattingen der Augusta Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin von Prof. Dr. Jan Florian Heuer übernommen. Dr. Claas ist Träger des Diploms der Europäischen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (ESA) für hochrangiges theoretisches Wissen und war viele Jahre Oberarzt am Essener Alfried-Krupp-Klinikum. Perspektivisch unterstützt der neue Anästhesie- und Schmerz-Experte die Bestrebungen der Augusta-Kliniken, das EvK Hattingen zu einem „Zentrum für Alterstraumatologie“ zu machen, in dem Verletzungen und Knochenbrüche älterer Patienten umfassend und ganzheitlich behandelt werden. Hattingen könnte mittelfristig darüber hinaus ein Standort für die stationäre multimodale Schmerztherapie werden – auch hier könnten gerade ältere Patienten im Fokus stehen, da eine Klinik für Altersmedizin (Geriatrie) am Standort vorhanden ist.

IMAGE: Sie haben die Leitung für Anästhesiologie und Intensivmedizin übernommen. Wie gehört das eigentlich zusammen?
CLAAS: Der Anästhesist versorgt die chirurgischen Patienten während der Operation im OP und hat, da dies ja oft unter „Vollnarkose“ geschieht, eine sehr große Kompetenz für die (Be-)Atmung.
Wenn Sie wollen, könnte man also sagen, dass die Intensivmedizin eine „Fortsetzung“ der Versorgung dieser Patienten ist – in Hattingen versorgen wir in enger Zusammenarbeit mit der Inneren Medizin, Altersmedizin und Neurologie auch Patienten dieser Abteilungen bei Bedarf intensivmedizinisch. Anästhesiologie und Intensivmedizin sind aber nur zwei Säulen. Notfallmedizin und Schmerztherapie gehören in Hattingen zur Klinik ebenfalls dazu; ein Notfalleinsatzfahrzeug ist an den Augusta-Kliniken stationiert, die Standortleitung unterliegt der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie. Die Schmerztherapie, die wir in Hattingen gern entwickeln würden, hatten Sie ja eingangs erwähnt. Fügt man die Anfangsbuchstaben zusammen, so kommt AINS heraus – und so heißt auch eine unserer Fachzeitschriften.

IMAGE: Viele Menschen haben vor einem bevorstehenden Eingriff Angst vor der Narkose. Wie können Sie helfen?
CLAAS: Ängste müssen auf jeden Fall Ernst genommen werden! Man muss aber trennen, wo diese Ängste herrühren: Einige Patienten können z.B. schlecht die Kontrolle abgeben, der Psychologe spricht von „Kontroll-Verlust-Angst“. Andere wiederum haben Angst davor „nicht wieder aufzuwachen“ und dann gibt es noch eine Gruppe, die will „gar nichts mitbekommen“. Die einen wie die anderen müssen - und können(!) wir beruhigen. Allerdings muss man schon auf den Einzelfall schauen: deshalb gibt es vor dem Eingriff ein ausführliches Aufklärungsgespräch zwischen dem Anästhesisten und dem Patienten. Dabei werden auch Erfahrungen mit vorherigen Narkosen und Unverträglichkeiten von Medikamenten besprochen, ggfs Ängste thematisiert und ein Konzept möglichst „maßgeschneidert“. Grundsätzlich sind zwei Methoden der Anästhesie möglich, nämlich die Vollnarkose, bei der der Patient ohne Bewusstsein ist, und örtliche Betäubungsverfahren, bei denen der Patient wach sein kann, aber auch auf Wunsch zusätzlich einen Dämmerschlaf erhalten kann. Einen besonderen Fokus legen wir auf die Patientensicherheit. Es gibt Checklisten, Sicherheitsabfragen - fast genauso wie im Flugzeug! Die modernen Medikamente und Messmethoden erlauben eine präzise Steuerung der Narkosedauer und -tiefe, sodass wir Sorgen vor einer unbemerkten Wachheit nehmen können. Durch die Gespräche mit den Patienten versuchen wir, ihnen die Angst zu nehmen und ihnen zu vermitteln, dass sie uns vertrauen können und bei uns in guten Händen sind.

IMAGE: Ängste setzen sich auf der Intensivstation fort?
CLAAS: Ja, das ist so. Auf der interdisziplinären Intensivstation, die unter anästhesiologischer Leitung steht, werden in Hattingen ca. 730 frisch operierte, intensiv überwachungspflichtige sowie schwer erkrankte Patienten aller medizinischen Abteilungen des Krankenhauses versorgt. Die Betreuung der Patienten erfolgt durch Ärzte, Schwestern und Pfleger der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie (AINS), unterstützt durch eine regelmäßige und enge Zusammenarbeit mit den Ärzten der jeweiligen Fachdisziplinen. Die Intensivstation ist permanent mit einem Oberarzt und mehreren Assistenzärzten unserer Klinik sowie Rotationsassistenten der internistischen und chirurgischen Klinik besetzt. Aber zu Ihrer Frage: Viele Patienten sind älter und haben bereits Vorerkrankungen und fragen sich beispielsweise, ob sie wieder so werden wie vor der Erkrankung. Mit einem ganzheitlichen interdisziplinären Ansatz versuchen wir, die bestmögliche Versorgung für den Patienten zu erreichen. Mir ist es wichtig, Patienten und Angehörige umfassend zu begleiten und die Möglichkeit zu Gesprächen zu nutzen. So können wir versuchen, verständliche Ängste zu reduzieren. Eine „Apparatemedizin“ ist heutzutage oft nicht mehr von den Patienten gewünscht (Stichwort Patientenverfügung) und eine bewusste Entscheidung, die ich als Mediziner ernst nehme: ein Leiden lindernder Ansatz, fachsprachlich Palliation, gehört mittlerweile genauso auf die Intensivstation und ist daher die fünfte Säule meines Fachgebietes: AINSP. Sinnhaft, schonend und gut wäre für mich eine Beschreibung für eine „gute“ Intensivtherapie – und ich glaube sagen zu können, dass wir in Hattingen diesbezüglich schon relativ weit sind!

IMAGE: Was ist Ihnen bei der Arbeit besonders wichtig?
CLAAS: Die Nähe zu den Menschen ist kein Lippenbekenntnis, sondern gilt sowohl für Patienten als auch für die Mitarbeiter. Wer sich wertgeschätzt fühlt, der kommt gerne zur Arbeit. Angesichts von Mitarbeitermangel im Gesundheitswesen ist der Wohlfühlfaktor sehr wichtig. Und was die Patienten angeht, so müssen sie das Gefühl haben, umsorgt zu werden. Und das meine ich nicht nur im Hinblick auf die bestmögliche Medizin, sondern auch im Hinblick auf Mitmenschlichkeit und Empathie. In meiner Arbeit und in der Mitarbeiterführung versuche ich das umzusetzen.

IMAGE: Wie sieht die Medizin der Zukunft aus?
CLAAS: Das Gesundheitssystem steht vor großen Herausforderungen. Eine wachsende Weltbevölkerung, eine Verschiebung der Altersstruktur, in vielen Bereichen der Mangel an Personal, aber auch der Einsatz von künstlicher Intelligenz und Robotik haben großen Einfluß auf die Medizin. Die Datenlage kann uns in die Lage versetzen, Therapien immer weiter zu personalisieren und auch für seltene Erkrankungen vergleichbare Patientengruppen zu finden. Wir werden immer mehr Online-Sprechstunden haben und manche medizinische Eingriffe können am Computer geplant und dadurch schonender durchgeführt und vom Arzt überwacht werden. Die Digitalisierung kann dazu beitragen, dass sich Ärzte und Pflegepersonal auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren können. Der Patient der Zukunft wird seine Krankengeschichte an einem Ort speichern und Ärzte darauf zugreifen lassen können. Gesundheits-Apps erinnern per Smartphone an die Einnahme von Medikamenten. Diabetiker verfolgen in einer App ihre Blutzuckerwerte. Menschen mit einer Depression zeichnen ihre Stimmungslage digital auf. Was wir uns aber hoffentlich erhalten, ist die persönliche Ansprache zwischen Arzt und Patient.  anja