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Gesundheit

Multimodale Schmerztherapie im Einsatz bei Rückenschmerzen

Dr. Michael Luka, Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie, und Linus Paelke, Leiter der Physiotherapie EvK Witten, wissen: Rückenschmerzen sind nach Infekten der zweithäufigste Grund für den Arztbesuch. Manchmal hilft die ambulante Behandlung aber nicht weiter.

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Dr.med. Michael Luka, Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie am Ev. Krankenhaus Witten, und Linus Paelke, Bereichsleiter Physiotherapie EvK Witten.

Seit 2011 behandelt das Evangelische Krankenhaus Witten als eines der ersten Krankenhäuser Patienten mit chronischen Schmerzen mit der Multimodalen Schmerztherapie. Dr.med. Michael Luka, Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie, hat insbesondere bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen gute Erfolge erzielt.
IMAGE: Fast jeder Mensch hat sie schon einmal gehabt – Rückenschmerzen. Wie enstehen Rückenschmerzen?
LUKA: Die meisten Schmerzen entstehen durch die Überforderung der Muskeln. Unser Rücken ist für Bewegung (z.B. Laufen, Rennen, Klettern) ausgelegt, wir aber verlangen vorwiegend statische Leistungen (z.B. Sitzen, Stehen, Zwangshaltungen). Außerdem nimmt die Leistungsfähigkeit mit dem Alter ab, wir aber wollen die gleiche Leistung ohne zusätzliches Training. Hinzu kommt, dass sich Emotionen (Angst, Stimmung, Freude) und Stress am Rücken durch eine erhöhte Muskelspannung widerspiegeln. So sind Rückenschmerzen ein Spiegel unserer Lebensrealität. Chronischer und akuter Rückenschmerz werden anhand des zeitlichen Ablaufes unterschieden. In den ersten Wochen spricht man von einem akuten, danach von einem chronischen Rückenschmerz. Die Übergänge sind fließend. Chronische Schmerzen müssen anders therapiert werden als akute, auch wenn sie den gleichen Namen tragen. Akuter Schmerz ist eine Erfindung der Evolution, ohne die die Menschheit schon längst ausgestorben wäre. Er ist ein wichtiges Warnsignal, das uns die Hand von der heißen Herdplatte ziehen lässt und uns davon abhält, mit verstauchtem Knöchel einfach unbekümmert weiterzulaufen. Andauernde, chronische Schmerzen haben ihren Überlebensvorteil eingebüßt. Chronische Schmerzen können als akute Schmerzen beginnen. Doch oft ist die Verletzung längst geheilt und eine organische Ursache nicht mehr feststellbar –der Schmerz ist trotzdem geblieben.
IMAGE: Was kann man gegen Rückenschmerzen machen?
LUKA: Bei einem akuten Rückenschmerz reichen in der Regel ein aktiver Umgang (in Bewegung bleiben, kurze Ruhephasen), vielleicht ein einfaches Schmerzmittel und Wärme aus, um die Schmerzen rasch zu lindern. Wir kümmern uns im EvK Witten um Patienten mit chronischen Schmerzen, ursächlich oft mit Problemen im Hals-, Brust- und Lendenwirbelbereich verbunden. Die Ursachen können vielfältig sein: Abnutzung, Degeneration oder Verletzungen, Bandscheibenvorfälle und eingeklemmte Nerven. Die Patienten haben in der Regel bereits verschiedene Therapien ausprobiert und können von der Orthopädischen Gemeinschaftspraxis Dres. Nase, Schul, Fennes, PD Wiese, Koch in Witten-Annen zur stationären Aufnahme für eine Multimodale Schmerztherapie überwiesen werden. Diese Praxis ist unser Kooperationspartner und arbeitet mit uns Hand in Hand. Zusammen mit ihnen, einer Psychologin und der Physiotherapie erarbeiten wir ein gemeinsames Konzept für Körper, Geist und Verhalten. Dabei lassen wir uns vor allem von dem Bewegungsaspekt lenken – denn Bewegung ist Leben und Leben ist Bewegung.
IMAGE: Und wie genau funktioniert diese Therapie?
LUKA: In der stationären Phase wird der Patient schmerzfrei gesetzt durch Medikamente. Das ist nowendig, um den Körper zu entspannen und die Motivation des Patienten für Bewegung zu stimulieren. Oft vermeiden Patienten aufgrund des Schmerzes jede mögliche Form der Bewegung, was aber zu weiteren Schmerzen führt. Diesen Kreislauf gilt es zu durchbrechen und das ist durch die Medikamente möglich. In der stationären Phase sind unsere Kooperationspartner permanent eingebunden, auch durch Präsenz im Krankenhaus und durch eine gemeinsame Teambesprechung aller Beteiligten. Der Patient bekommt ein Konzept an die Hand, mit dem er nach dem stationären Aufenthalt in Bewegung bleiben kann. Die stationäre Behandlung dauert acht Tage und umfasst neben der orthopädischen und medikamentösen Therapie eine psychologische Betreuung sowie Krankengymnastik. Ziel ist es, die Operation zu vermeiden. Wenn der Patient entlassen wird, führe ich immer ein Gespräch mit ihm und das ist mein Abschlussgedanke an jeden Patienten: Bleiben Sie in Bewegung!
IMAGE: Die Patienten müssen dann aber selbst etwas dafür tun, damit sie in Bewegung bleiben?
LUKA: Selbstverständlich. Fällt der Patient in alte Bewegungsmuster zurück oder bewegt er sich nicht mehr ausreichend, macht dies den Erfolg nach etlichen Wochen zunichte.
PAELKE: Die Studienlage dazu zeigt, dass Selbstmanagement einer der wichtigsten Eckpfeiler ist, um Schmerzen unter Kontrolle zu bekommen und um nachhaltig Einfluss zu nehmen. Der erzielte Erfolg bleibt nur dann bestehen, wenn der Patient mit ins Boot geholt und in die Therapie vollständig integriert und mit einbezogen wird.
IMAGE: Welche Tipps geben Sie bei Rückenschmerzen?
PAELKE: Chronische Schmerzen sind komplex und immer multifaktoriell. Daher muss sich das Management auf mehrere Bereiche erschließen. Erst müssen Treiber für den Schmerz individuell am Patienten identifiziert und untersucht werden. Danach muss auf Augenhöhe mit dem Patienten zusammen ein Programm aufgestellt werden. Wichtig dabei ist, dass der Patient alles versteht und das Gefühl hat, alles Besprochene zu verstehen und umsetzen zu können. Ansonsten hilft die beste Therapie nicht. Es muss eine Balance zwischen Belastung und Belastbarkeit geschaffen werden. Belastung setzt sich aber nicht nur aus physischen Einflüssen zusammen, sondern auch aus z.B psychischen. Beides wird aus dem gleichen Pool geschöpft. Es muss gelernt werden, wie man mit verschiedenen Treibern für den Schmerz umgeht, die einen Einfluss auf den Schmerz haben. Schlafhygiene, Stress Management, Ernährung und Bewegung sind die adressierten Eckpfeiler. Bei den meisten Therapieansätzen ist der Patient in einer eher passiven Rolle. Durch Studien und Erfahrungen der letzten 20 Jahre konnte man sehen, dass das nicht der vielversprechendste Ansatz ist, um die Schmerzen in den Griff zu bekommen. Das spiegelt sich auch in dem Feedback wieder, was ich von Patienten in der Therapie bekomme. In einem modernen Verständnis der Schmerztherapie ist es genau umgekehrt. Der Therapieerfolg wird vom Therapeuten und dem Patienten 50/50 geteilt. Patienten, die gut begleitet werden und eine hohe Adhärenz gegenüber der Therapie haben, konnte ihre Schmerzen soweit in den Griff bekommen, dass sie nicht mehr durchgehend therapiert werden müssen und ihr Leben mehr nach ihren Vorstellungen gestalten können - ein Plus für Lebensqualität.anja