Sondersitzung bringt ein Ergebnis. Der Förderantrag wird gestellt. Es gibt ein dickes ABER.
Schon seit einigen Jahren ist das Integrierte Handlungskonzept Mittelstraße Haßlinghausen ein großes Thema. Es geht dabei vor allem um die notwendige barrierefreie Umgestaltung der Gehwegbereiche sowie die Verbesserung der Aufenthaltsqualität an der stark befahrenen Straße. Ziel soll die Stärkung des lokalen Einzelhandels sein. Die Stadt drückt mit einer Sondersitzung jetzt auf die Geschwindigkeit, denn die Fördermittelbeantragung „Lebendige Zentren“ mit einer 50-prozentigen Förderung durch Landes- bzw. Bundesmittel ab Sommer 2025 wird nur dann kommen, wenn die Beantragung fristgerecht bis September 2024 erfolgt. In der Sondersitzung wurde mit deutlicher Mehrheit der Ratsvertreter bei Ablehnung durch die FDP der Beschlussvorschlag angenommen, die vorgelegte Planung zum Ende zu bringen und den Förderantrag zu stellen. Das strittige Thema von reduzierten Parkplätzen soll durch den Wegfall der bisherigen drei Mittelinseln und stattdessen durch Errichtung von Fußgängerüberwegen oder Ampel aufgegriffen werden. Außerdem soll es Tempo 30 geben. Die Politik scheint mehrheitlich davon überzeugt zu sein, Straßen.NRW in diesen Wunsch einbinden zu können. So könnte nicht nur eine Reduzierung von Parkflächen abgewendet werden, vielmehr könnten sogar zusätzliche Parkmöglichkeiten entstehen. Ob das eintreten wird, ist jedoch zweifelhaft.
Ohne die Zustimmung von Straßen.NRW geht nichts
Die Mittelstraße ist eine Landesstraße und auch eine Umleitung für die nahe Autobahn. Rund 10.000 Fahrzeuge nutzen täglich die Hauptverkehrsstraße. Zwar enthält der beschlossene Lärmaktionsplan für Sprockhövel eine Empfehlung zur Reduzierung der Geschwindkeit auf Tempo 30, doch liegen die gemessenen Werte mit 68 dB(A) tagsüber und 59 dB (A) nachts für die Mittelstraße unterhalb der Richtwerte zur Einführung von Tempo 30. Diese liegen bei 72 dB(A) tagsüber und 62 dB(A) nachts. Aufgeben will die Stadt ihren Wunsch aber nicht und hat deshalb Kontakt mit der Deutschen Umwelthilfe aufgenommen, um weitere Möglichkeiten für diese Zielsetzung zu diskutieren.
Zahlreiche Gespräche mit Eigentümern und Einzelhändlern wurden in letzter Zeit im Hinblick auf die Planungen geführt. Immer wieder wurden sie angepasst. Bürgermeisterin Sabine Noll betont, man habe immer alle Betroffenen mitgenommen und wolle dies auch in der Bauphase tun. Das sehen nicht alle so. Enttäuscht reagiert eine breite Mehrheit der Einzelhändler, die im Werbering Haßlinghausen vertreten sind, über den angedachten Wegfall von Parkplätzen. Diese sollen im Bereich des Rathausplatzes, vor der Sparkasse und im Bereich des geplanten Trittsteinplatzes vor der Mittelstraße Nr. 20 wegfallen. Der Werbering spricht von mindestens 15 Parkplätzen, eine genaue Angabe seitens der Stadtverwaltung gibt es dazu nicht. Man verweist hier lediglich auf die alternative Nutzung von Parkraum hinter der Sparkasse und vor dem Rathaus.
Der Vorstand vom Werbering sieht indes im Wegfall von Parkmöglichkeiten einen Sargnagel für so manchen Einzelhändler, der auf Laufkundschaft angewiesen ist. Hinzu kommt die Sorge, dass die geplanten Umbaumaßnahmen ohnedies zu weitreichenden Beeinträchtigungen und damit zu Kundenabwanderungen führen könnten. Für die ortsansässigen Einzelhändler, die durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie und des Online-Einkaufsverhaltens der Bürger ohnedies genug Herausforderungen zu bewältigen haben, ein weiteres Problem. Natürlich: wenn hinterher alles schick ist, dann kommen auch die Kunden wieder. Doch bis dahin treibt die Händler die Sorge um, die Umbaumaßnahmen wirtschaftlich nicht zu überleben. Das ist auch der Grund, warum Lucas Kemna als Vertreter der FDP dem Verwaltungsvorschlag, die Planungen zu einem finalen Ende zu bringen und den Förderantrag zu stellen, nicht unterstützt. Der Kommunalpolitiker ist selbst Einzelhändler und weiß um die Probleme seiner Kollegen bei Baumaßnahmen – nicht nur in Sprockhövel. Die SPD hätte sich einen weiteren Blick auf die Nachbarstadt Gevelsberg gewünscht. Der dortige Umbau der Innenstadt liegt schon länger zurück, hat aber auch bei Einzelhändlern zu großen Problemen geführt. Die Verwaltung erklärt in der Sitzung, man sei ohnedies immer in Gesprächen. Die anderen Fraktionen äußern sich zurückhaltend.
Die Parkplatzsituation, die vor allem die Einzelhändler umtreibt, ist auch nach dem Beschluss weiter offen. Politik und Verwaltung befürworten den Ersatz der Mittelinseln durch Fußgängerüberwege, um so die heute vorhandenen Parkmöglichkeiten insgesamt erhalten zu können. Als Alternative wird eine Ampel favorisiert. Allerdings liegt die Verkehrsstärke an der Mittelstraße rund 30 Prozent über dem erlaubten Einsatzbereich von Fußgängerüberwegen als Ersatz von Mittelinseln. Die Stadtverwaltung hat nach eigenem Bekunden bereits mit Straßen.NRW Kontakt aufgenommen und noch vor der Sondersitzung Vorgespräche geführt. Das Ergebnis: Straßen.NRW lehnt eine Fahrbahneinengung zugunsten von Stellplätzen ab, hat sich bei dem Thema Fußgängerüberwege beziehungsweise Ampel noch nicht abschließend geäußert.
Das vorliegende Analysegutachten des beteiligten Ingenieur- und Vermessungsbüros kommt in seiner Analyse allerdings zu dem Schluss, dass Fußgängerüberwege als Ersatz für die drei Mittelinseln entlang der Mittelstraße aus Gründen der Verkehrssicherheit keine Alternative sind. In der Analyse heißt es deutlich: „Die Regelwerke geben eindeutig vor, dass die Einrichtung von Zebrastreifen an der Mittelstraße nicht zu empfehlen sind.“ Dies gilt bei dem aktuellen Tempo von 50 km/h. Bei einer Reduzierung auf 30 km/h gibt das Regelwerk vor, dass Fußgängerüberwege entbehrlich seien. Für mobilitätseingeschränkte Menschen seien Mittelinseln sowieso bei dieser Verkehrsdichte die bessere, weil sicherere, Lösung. Die Stellplätze, die an anderer Stelle durch die Umgestaltung abgebaut werden, ließen sich also nur ersetzen, wenn die Querungsinseln durch Ampeln ersetzt würden. Dabei sei aber von hohen Anschaffungs- und Unterhaltungskosten auszugehen.
Die Idee könnte Wunschdenken bleiben
Fazit: Die Planungen werden jetzt von der Verwaltung zum Abschluss gebracht und der Förderantrag fristgerecht gestellt. Parkplätze fallen zunächst einmal weg. In der Pressemitteilung der Stadt Sprockhövel heißt es: In der öffentlichen Sondersitzung am 24. Juli 2024 wurde nun von Politik und Verwaltung ein gemeinsamer Lösungsansatz gefunden, der allen Interessen möglichst weit entgegenkommt und die wegfallenden Parkplätze kompensiert, sodass die Anzahl der Parkplätze in der Mittelstraße erhalten bleibt.“
Das jedoch wird nur eintreten, wenn Straßen.NRW zustimmt und Kosten für Ampelanlagen einplant. anja