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Witten

Menschliche Organe frisch aus dem Drucker

Faszinierendes Projekt der Uni Witten/Herdecke...

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Dr. Mona Eulitz hält den ersten gedruckten Schädel in der Hand. Im 3D-Drucker entsteht gerade ein weiteres Exemplar.Oben links ist ein echter menschlicher Schbädel zusehen, daneben die gedruckte Kopie und im Vordergrund eine verkleinerte Version eines Schädels von einem der Körperspender.

Ganz unauffällig steht er seit November im kleinen dunklen Hinterzimmer neben dem Papierdrucker: der 3D-Drucker der Uni Witten/Herdecke (UW/H) oder besser des Lehrstuhls für Anatomie und klinische Morphologie. Wo sonst Studienbescheinigungen oder Lehrpläne gedruckt werden, befindet sich gerade ein menschlicher Schädel in der Mache. Schicht für Schicht bewegt sich der computergesteuerte Arm über die Druckplatte und hinterlässt jedes Mal eine hauchdünne Lage Kunststoff-Material – das sogenannte Filament. Nach etlichen Stunden entsteht so nach und nach der Schädel. „Die Herausforderung ist beim Schädel am größten. Deshalb wollte ich den auch zuerst drucken“, erzählt Dr. Mona Eulitz über das Projekt, welches sie und ihre Kollegen dank einer Förderung von 30.000 Euro durch das Kuratorium der UW/H aktuell umsetzten.
„Was ist das hier vorne für ein Versatz“, fragt die wissenschaftliche Mitarbeiterin Dr. Kathrin Peters. „Die hellen Stellen, das ist das Stützfilament“, erläutert Mona Eulitz. Es handelt sich dabei um eine Art Stützpfeiler bzw. Auflagefläche für die nächste Schicht und kommt zum Beispiel dort zum Einsatz, wo sich Hohlräume befinden. „Das Stützfilament löst sich im Wasser auf“, erklärt Dr. Eulitz.
Die Vorlage für den Schädel und alle künstlichen Organe, die noch gedruckt werden, befinden sich ein paar Türen weiter. Es sind echte menschliche Körper von Körperspendern. Es ist üblich, dass Medizinstudenten an allen Fakultäten die Anatomie an echten Menschen kennenlernen. „Es gibt da verschiedene Verträge. Dauerspender sind selten - sowas kennt man von der Ausstellung Körperwelten von Gunther von Hagens. Bei uns sind das Körperspender, die sich für den Präparierkurs zur Verfügung gestellt haben“, so Dr. Kathrin Peters. Für zwei Jahre stehen sie den Studenten zu Verfügung, um ihr Handwerk zu erlernen.

Körperspender als Vorlage
Die Druckdaten für die Organe, die demnächst noch alle im Hinterzimmer des Lehrstuhls entstehen, stammen größtenteils von den Körperspendern: „Wir haben unsere Körperspender durch den CT geschoben“, erklärt Dr. Mona Eulitz. Das CT – also der Computertomograph – erstellt von den härteren Strukturen im Körper schichtweise Aufnahmen, aus denen virtuelle Modelle, wie beispielsweise ein Schädel, generiert werden. Diese dienen dann als Vorlage für den Drucker. Zusätzlich wurde mittlerweile eine Kamera angeschafft, die 3D-Scans ermöglicht. So können beispielsweise Hohlräume noch genauer erfasst werden. Auch Organe wie das Gehirn, welches durch ein CT nicht erfasst werden kann, lassen sich so in virtuelle 3D-Modelle umwandeln. Die Möglichkeiten sind da schier grenzenlos, wie Dr. Eulitz berichtet: „Mit der Scan-Kamera kann man auch ein Herz ablichten. Wir könnten es theoretisch aus rotem, weichem Kunststoff drucken. Dafür könnten auch MRT-Daten genutzt werden.“ Und wenn sich bei den Scans Fehler einschleichen, ist das auch nicht tragisch: „Was die Kamera nicht kann, das können die Studenten.“ In diesem Semester wurden 12 Studenten im Umgang mit den Programmen geschult. Etwa 50 „Eingeweihte“ gibt es bereits. Das Ziel ist unter anderem der Aufbau einer Datenbank. „Die 3D-Druckdaten werden zu einer gemeinfreien anatomischen Sammlung. Die Datenbank, auf die alle zugreifen können, muss aber erst noch entstehen.“ Um dies zu erreichen, hofft man auf weitere Kooperationspartner.
Eine Datenbank allein reicht dem Team an der Uni Witten/Herdecke allerdings nicht. „Die Bilddateien haben keinen 3-D-Effekt“, so Dr. Eulitz. Um die Anatomie den Studenten räumlich näher zu bringen, arbeitet man hier deshalb in den Unterrichtsräumen bereits mit 3D-Projektoren. Dr. Eulitz: „Der nächste Schritt wäre es VR-Brillen anzuschaffen.“ So könnten die Studenten virtuell durch die Organe reisen und haben zusätzlich zu den Körperspendern auch noch die gedruckten Modelle zur Hand, um sich ein genaues Bild zu machen. Ein Quantensprung im Vergleich zur klassischen Lehrmethode mit begrenzter Anzahl an Körperspendern und teuren, immer gleichen Modellen.

Standardmodelle bilden nicht die Realität ab
Gute Schädel-Modelle kosten um die 200 Euro, der Materialwert eines gedruckten Schädels liegt bei ungefähr 15 Euro. Doch das ist nicht der einzige Vorteil der gedruckten Abbilder: „Es gibt bei jedem Menschen Knochen, die durch die Alterung anders aussehen oder durch Asymmetrien. Die künstlichen Modelle sind ja idealisiert. Man sieht immer nur das Idealbild.“ Im Laufe der Zeit, mit der wachsenden Sammlung, werden es immer mehr Organe werden, die mit ihren individuelle Merkmalen und ggf. auch krankhaften Veränderungen den Studenten als 3D-Objekt oder 3D-Scan zur Verfügung stehen. Und auch die kleinsten Details, wie etwa die teilweise nur 2 Millimeter großen Knochen im Ohr könnten gedruckt werden, sagt Dr. Mona Eulitz: „Die kleinen Knochen im Ohr, die könnte man 5- oder 10-fach vergrößern – das wäre sehr interessant, was man da dann alles erkennt.“
Doch nicht nur die medizinische Abteilung der Uni wird in Zukunft von 3D-Drucker und dem Projekt profitieren. „Die Haustechnik interessiert sich auch für das Gerät. Da spielt das Thema Nachhaltigkeit eine große Rolle.“ So Andreas Czwodzinski. Er selbst arbeitet für die Haustechnik, ist aber auch Mitarbeiter am Lehrstuhl für digitale Kunst und Kulturvermittlung. So schwebt ihm vor, in Zukunft kleine Ersatzteile aus dem 3D-Drucker zu verwenden, statt neue zu kaufen – wie etwa die Kappen für die Stuhlbeine. „Für die Theateraufführungen könnte man Requisiten drucken. Wir versuchen die Kunst und die Wissenschaft zusammenzuführen.“ Übrigens: Das Filament, was beispielsweise für den Schädel benutzt wird, besteht anteilig aus Holz. Auch die Rolle für das Filament ist aus diesem Werkstoff. „Wir wollen hier nicht unnötige Plastikmüllberge produzieren“, so Mona Eulitz. Was allerdings noch angeschafft werden muss, laut einem Einwurf der Kollegen, ist eine Glasvitrine für die vielen künftigen 3D-Kunst-Organe.nxs