IMAGE im Gespräch mit Evelyn Müller, Stabstelle „Ehrenamtliches Engament“, Stadt Sprockhövel.
Zum 1. Juli wurde bei der Stadt Sprockhövel eine neue Stelle geschaffen. Evelyn Müller (60), ehemals Leiterin des Geschäftsbereichs Jugend, Schule und Soziales, hat die neue Stabstelle „Ehrenamtliches Engagement und gesellschaftliche Veränderungsprozesse“ übernommen. Konkreter verbirgt sich hinter dem etwas sperrigen Namen die Stärkung des Ehrenamts sowie die Themen Städtepartnerschaft, Lokale Agenda, Fair Trade und Europa. Will die Stelle mehr als ein symbolisches Zeichensetzen sein, muss sie mit Inhalt gefüllt werden. In einer Zeit von Unsicherheit und persönlichen Sorgen bei vielen Menschen nicht gerade einfach.
IMAGE: Nach zwei Jahren Coronapause fand erstmalig wieder ein Ehrenamtstag statt. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
MÜLLER: Der Ehrenamtstag fand mit Kaffee, Kuchen, Waffeln und Grillen im TSG-Vereinsheim und auf der Tribüne statt. Es gab 55 Anmeldungen quer aus allen Vereinen. Beispielsweise waren Vertreter der Sportvereine vor Ort, aber auch der Heimat- und Geschichtsverein, Mentor, die Flüchtlingshilfe, die Bürgergemeinschaft Herzkamp sowie Vertreter der Chöre und der Feuerwehrkapelle. Es war bunte Mischung. Neben Impulsvorträgen zum Leader-Förderprogramm und der Ehrenamtskarte gab es vor allem Gelegenheit zum persönlichen Austausch. Das haben alle Vertreter während der Corona-Pandemie am meisten vermisst.
IMAGE: Wie soll es weitergehen? Viele Menschen im Ehrenamt beklagen, sie hätten viel Amt und wenig Ehre. Sie fühlen sich nicht wertgeschätzt und so manche von ihnen haben keine Lust mehr.
MÜLLER: Die Corona-Pandemie hat in der Tat bei vielen Vereinen zu Mitgliederrückgang geführt. Ebenfalls haben sich aktive Ehrenamtler aus verschiedenen Gründen zurückgezogen. Die einen haben Sorge um die Gesundheit, andere konnten dem digitalen Leben nichts abgewinnen und persönliche Treffen waren ja kaum möglich. Manche haben sich mittlerweile auch andere Beschäftigungen in ihrer Freizeit gesucht. Das Treffen hat gezeigt, wie wichtig persönliche Begegnungen sind. Ein Netzwerk kann nicht nur auf digitale Art und Weise aufrechterhalten werden. Zum Beginn des Jahres 2023 wird es wieder einen Ehrenamtstag geben. Alle Vereine brauchen für Herbst und Winter verbindliche Coronaregeln. Diese müssen aber so gestaltet sein, dass Vereinsleben möglich bleibt. Ich sage deutlich: wer Singen, Tanzen und anderen Sport zu quasi gefährlichen Freizeitbeschäftigungen macht, der darf sich nicht wundern, wenn die Mitglieder ausbleiben oder Übungsleiter fehlen. Dann kommt das Vereinsleben irgendwann zum Erliegen. Die Wertschätzung der ehrenamtlich Aktiven muss gestärkt werden – und das nicht nur durch die Ehrenamtskarte als Landesprojekt.
IMAGE: Und wie wollen Sie das machen?
MÜLLER: Zum einen gibt es die Ehrenamts-Jubiläumskarte, die für jene gedacht ist, die sich seit 25 Jahren und länger ehrenamtlich engagieren. Sie sollen noch stärker als bei der Ehrenamtskarte von landesweiten Vergünstigungen profitieren. Dazu gehören reduzierte Eintritte und Rabatte. Wer Menschen im Ehrenamt sucht, den möchte ich beispielsweise durch Suchangebote auf der städtischen Homepage unterstützen und hier auch die Medien einbinden. Außerdem soll es wieder eigene Veranstaltungen für Ehrenamtliche geben.
Der große Wert des Ehrenamtes muss sichtbarer gemacht werden. Dazu braucht es mehr Vorteile für diejenigen, die im Ehrenamt tätig sind.
IMAGE: Und woran denken Sie dabei?
MÜLLER: Ich könnte mir beispielsweise gut vorstellen, dass ehrenamtliches Engagement von Berufstätigen bei Bewerbungen stärker berücksichtigt werden kann. Vielleicht ergeben sich auch noch weitere finanzielle Vorteile. Den meisten Ehrenamtlern macht ihre Arbeit Spaß. Sie wollen sich doch engagieren – und ich hoffe, dies gilt beispielsweise auch für die geburtenstarken Jahrgänge, die bald in die Rente gehen und sich vorstellen können, auch ein Ehrenamt zu übernehmen.
IMAGE: Wie gewinnt man denn Menschen für das Ehrenamt?
MÜLLER: Das ist die zentrale Frage. Wer sich engagieren möchte, tut dies ja freiwillig. Es ist ja nicht nur die Arbeit, die damit verbunden ist. Man lernt Menschen kennen, von denen der ein oder andere zum Freund wird. Wer das Thema aber überhaupt noch nicht auf dem Schirm hat, der muss ihm begegnen. Deshalb möchten wir ja über das Ehrenamt immer wieder informieren. Lassen Sie mich einmal laut denken: Ich könnte mir auch vorstellen, mit Schulen in Kontakt zu treten. Jugendliche könnten für das Ehrenamt vielleicht auch dadurch begeistert werden, dass ihr Engagement beispielsweise in das Zeugnis aufgenommen würde. Ich halte einen ehrenamtlichen Dienst für unsere Gesellschaft im Zusammenleben aller für sehr, sehr wichtig. Am 5. Dezember findet der Internationale Tag des Ehrenamtes statt. Ich wünsche mir nicht nur an diesem Tag mehr Wertschätzung für die Menschen, die Teile ihrer Freizeit zum Wohl der anderen leben. anja