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Gesundheit

Medizin, Droge, Heilpflanze - die Diskussion um Cannabis

Verordnung von Cannabis auf Rezept seit 2017möglich - Schmerzarzt Dr. Dirk Neveling erzählt.

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Hanf

Seit dem 1. März 2017 darf Cannabis mittels Betäubungsmittel-Rezept in Deutschland verordnet werden. Wer jetzt Gedanken von rauchenden Patienten, die in einen Rauschzustand kommen, im Kopf hat, ist auf der völlig falschen Fährte. Dr. Dirk Neveling, seit 1994 Chefarzt für Schmerztherapie am St. Elisabeth-Krankenhaus in Blankenstein erklärt: „Hanf wurde schon vor 5000 Jahren als Heilpflanze eingesetzt. Sie ist nebenwirkungsarm und die Patienten erhalten sie in der Regel in Tropfenform. Möglich sind auch Kapseln. Da sitzt niemand und raucht.“
Und in der Tat: Beim Blick in die Geschichte wird deutlich: Cannabis als Medizin zu verwenden ist nichts Neues. Lediglich der Gesetzgeber hat in fast allen Ländern in dieser Welt in der Vergangenheit jegliche Nutzung von Cannabis verboten.

Alte Heilpflanze
In China im Jahre 2737 vor Christus wurde das Cannabis als medizinisches Arzneimittel eingesetzt, belegt durch das älteste bekannte Buch über Heilpflanzen „Shennong Bencaojing“. Auch in Ägypten wurde Cannabis als Medizin eingesetzt. Dies geht aus einem Papyrus mit dem Namen „Papyrus Ebers“ hervor, welcher zu den ältesten noch erhaltenen ägyptischen Schriften gehört und ca. 1600 Jahre vor Christus verfasst wurde. Erstmalig in Europa wurde Cannabis als Medizin durch den irischen Arzt William Brooke O’Shaugnessy in einem Bericht im Jahre 1839 erwähnt. Wie schon bei den alten Chinesen hat der Arzt eine schmerzstillende, entspannende und krampflösende Wirkung festgestellt.
Viele Patienten mit chronischen Schmerzen haben bereits lange Leidenswege hinter sich und viele Präparate ausprobiert, erklärt Dr. Dirk Neveling. „Zu uns in die Klinik kommen sie zu einer stationären Aufnahme bis zu 17 Tagen. Wir haben 55 Betten für diese Patienten, die nach einer umfangreichen Diagnostik eine multimodale Schmerztherapie erhalten, manchmal in Kombination mit Akupunktur oder Naturheilverfahren. Viele Patienten haben Erfahrung mit Antidepressiva oder Morphinen. Fast immer haben sie mit Nebenwirkungen zu kämpfen. Bei einigen Patienten empfiehlt sich in der multimodalen Schmerztherapie auch die Gabe von Cannabis. Unter anderem bei chronischen Schmerzen, Rheuma, aber auch Depressionen, Angststörungen, Epilepsie oder posttraumatischen Störungen kann es positiv zum Einsatz kommen.“

Medikament der Zukunft
Für den Schmerzarzt ist Cannabis kein Wundermittel, aber das Schmerzmedikament der Zukunft. Doch obwohl der Gesetzgeber 2017 für eine neue Bedeutung von medizinischem Cannabis sorgte, bleibt die Handhabe schwierig. Der Gesetzgeber nennt im Rahmen der Cannabis Legalisierung nur die schwer erkrankten Menschen, eine genaue, klare Abgrenzung auf einzelne Krankheiten wurde nicht vorgesehen. Voraussetzung für Cannabis auf Rezept ist die persönliche Einschätzung des behandelnden Arztes bezüglich des Therapieerfolges. Das heißt, man kann nicht einfach zum Arzt gehen und eine Verschreibung von Cannabis auf Rezept vom Arzt verlangen. Der Arzt selbst muss einschätzen, dass sich die Verschreibung von medizinischem Cannabis deutlich positiv auf den Krankheitsverlauf auswirkt. „Laut Gesetz muss der verordnende Arzt zusätzlich an einer nicht interventionellen, ausschließlich wissenschaftlichen Zwecken dienenden Begleiterhebung teilnehmen. Ist der Arzt hierzu nicht bereit, ist eine Kostenerstattung durch die Krankenkasse ausgeschlossen. Die Begleiterhebung ist für einen Zeitraum von fünf Jahren vorgesehen. Der Arzt muss für jeden einzelnen Patienten, der mit Cannabis behandelt wird, anonymisierte Daten zu Alter, Geschlecht, Diagnose, früheren und aktuellen
Behandlungen sowie den Verordnungsgrund für die Behandlung mit Cannabis inclusive Dosis, Wirksamkeit, Verträglichkeit und Lebensqualität an das BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) übermitteln. Das ist ein erheblicher und kostenintensiver Aufwand“, so Neveling. 
Während Neveling zu den Befürwortern gehört, gibt es auch Kritiker. Sie sehen in unzureichender Datenlage und dem nicht nachgewiesenen Nutzen Probleme. „Man muss natürlich in jedem einzelnen Fall genau hinsehen. Aber aus meiner medizinischen Praxis heraus kann ich festellen, dass es Menschen gibt, denen Cannabis hilft. Und es hilft ihnen besser als beispielsweise Morphium mit seinen Nebenwirkungen.“ anja