Marie-Sophie Macke blickt ehrgeizig auf das neue Jahr. Dann möchte die Diskuswerferin aus Sprockhövel wieder durchstarten – möglichst ohne Verletzungen.
Von denen wurde sie in den vergangenen zwei Jahren gestoppt. Ein Mittelfußbruch, den sie sich vor den Deutschen Meisterschaften 2024 zugezogen hatte, verheilte nicht richtig und ging 2025 wieder auf. Und das, nachdem sie im Frühjahr noch lang ersehnte neue Bestweiten warf. Dabei trat sie ohnehin schon lange auf der Stelle. 2025 flog sie dann auch noch aus dem Bundeskader. Doch die 21-Jährige kämpft sich erneut aus dem Loch und erzählt, wie das in mental schwierigen Lagen gelingen kann.
IMAGE: Welche Gedanken kommen einem, wenn man erst einmal weiß: Jetzt geht längere Zeit nichts?
MACKE: Im Moment, als mein Fuß gebrochen ist, wusste ich sofort: Die Saison ist für mich vorbei. In dem Moment habe ich gar nicht so richtig verstanden, was gerade passiert. Ich war schockiert, traurig. Ich habe eine ganze Zeit gebraucht, um es zu verarbeiten. Ich habe mir die Deutsche Meisterschaft von der Tribüne aus angeschaut. Für die Starterinnen waren es gute Wetterbedingungen. Zu sehen, wie gut alle anderen geworfen haben, tat weh. Mit dem Bundeskader-Aus hatte ich danach zu kämpfen. Und nach der zweiten Verletzung war ich noch schockierter. Ich habe erst mal geweint und wollte alleine sein. Ich konnte mit keinem reden und habe mir direkt die Frage gestellt: Machst du weiter oder hörst du auf? Den Leuten, die mich abgeschrieben haben, wollte ich aber zeigen: Ich komme wieder.
IMAGE: Was war besonders schwierig und vielleicht gar nicht gut?
MACKE: Ich habe mich abgeschottet. Dadurch habe ich Freundschaften verloren, weil ich in so einen Trotz hereingerutscht bin. Ich hatte schlechte Laune und mich zuerst nicht motiviert. Meine Eltern haben vieles abbekommen und mir zurückgegeben, wie es herüberkommt und dass es so nicht weitergeht. Dann habe ich begonnen, mich zu öffnen und drüber zu reden.
IMAGE: Was hat dir in dieser Phase geholfen?
MACKE: Freunde und Familie waren für mich da. Durch die Kundinnen in dem Fitness-Studio, in dem ich arbeite, gab es viel Zuspruch. Von allen Seiten wurde mir gesagt: Du kannst jetzt nicht aufhören. Es tat gut, dass es Leute gab, die an mich glauben. Das hatte ich schon immer. Es half mir auch, dass ich mich selbst direkt zum Weitermachen entschieden hatte.
IMAGE: Wie kann man kleine Rituale in den Alltag einbauen, die mental unterstützen?
MACKE: Ich habe mich nicht zurückgelehnt und abgewartet. Direkte Rituale habe ich nicht. Ich habe so früh wie möglich wieder begonnen, dosiert Krafttraining zu machen und kleine Muskelgruppen zu trainieren. Das hat mir nach meiner ersten Verletzung sogar sportlich geholfen und gleichzeitig hatte ich Ablenkung und ein Ziel. Zuhause vor dem Fernseher habe ich gemerkt, dass mir eine Pause sogar mal ganz gut tut. In der Zeit habe ich mich für meinen Beruf etwas weitergebildet. Die Arbeit ist sowieso ein Ausgleich zum Sport und anders herum. Ich habe mich mit Freunden getroffen, um rauszukommen und kurze Trips gemacht, um etwas anderes zu sehen. Dazu habe ich sonst weniger Zeit.
IMAGE: Du arbeitest mit einem Mentalcoach zusammen. Was hast du durch ihn mitgenommen?
MACKE: Gerade als es um das Thema Aufhören ging, hat er gemeinsam mit mir versucht, herauszufinden, welche Vor- und Nachteile es gibt. Allein darüber zu reden und intensiver zu reflektieren war hilfreich. Gerade, wenn es wieder um etwas geht, zeigt er mir, wie ich mich konzentrieren kann. Meine Nervosität war früher immer hoch, wenn ich in den Ring gestiegen bin. Nach der ersten Verletzung auch. Atemübungen haben mir dabei sehr geholfen. Als es dann plötzlich richtig gut lief und ich überrascht war, dass ich direkt so weit geworfen habe, sah ich direkt die Chance auf die U23-EM. Aber den Gedanken habe ich erst mal bewusst beiseite geschoben, um ruhig zu bleiben.
IMAGE: Würdest du anderen Personen empfehlen, sich von jemandem begleiten zu lassen?
MACKE: Auf jeden Fall. Ich war früher ein Mensch, der versucht hat, alles mit sich selbst auszumachen. Auch bei Entscheidungen auf den Sport bezogen. Durch meinen Mentalcoach habe ich jemanden, vor dem mir nichts peinlich ist. Er nennt seine neutrale Ansicht und gibt dadurch positive Energie, wie ich mich verhalten kann und Gespräche führen sollte. Und ich habe gemerkt, welche Störfaktoren es gibt, die ich beseitigen kann. Wenn man so etwas nicht hat, sollte man auf jeden Fall einen Menschen haben, dem man alles sagen kann. Im besten Fall ist es nicht die Familie, an der man zu nah dran ist. Sondern jemand, mit dem man nicht jeden Tag zu hat.
IMAGE: Ab wann ist der Punkt erreicht, dass man sein Tief komplett überwunden hat?
MACKE: Das ist immer unterschiedlich. Bei mir hat es sich eingeschlichen, dass ich mich mit der Situation abgefunden und entsprechend zufrieden gegeben habe. Klar ist es nicht schön, wenn man eingeschränkt ist und ich zum Beispiel nicht richtig trainieren kann. Ich weiß aber, wofür das gut ist, was ich mache. Dann verpufft die negative Energie so langsam. Ich setzte mir neue Ziele, will im Januar oder Februar wieder einsteigen. Daran versuche ich mich festzuhalten, um meinen Weg zu gehen.
IMAGE: Inwiefern kann man die Gefahr eindämmen, erneut in einem Loch zu landen?
MACKE: Man lernt aus Fehlern. Man macht sie vielleicht zwei oder auch dreimal. Man sollte sich aber nicht hinter sein Leben verkriechen. Ich habe in den vergangenen zwei Jahren ganz viel dazugelernt. Man sollte sein Leben so leben, wie man es möchte, aber gleichzeitig so, wie es sinnvoll ist. Ich habe nun vor allem gelernt, auf Warnzeichen von meinem Körper zu hören. Wenn sich etwas nicht richtig anfühlt, gehe ich nicht zum Training oder spreche offen darüber, um nichts zu riskieren. Früher habe ich nicht immer ehrlich darüber gesprochen. Wenn es weh tat, habe ich es trotzdem gemacht. Bis es geknallt hat. Jetzt weiß ich, wo es enden kann. Von Hendrik Steimann