IMAGE-Serie „Starke Frauen“: Brigitte Schreiber-Heise und Andrea Kehry-Rudolph.
Brigitte Schreiber-Heise und Andrea Kehry-Rudolph führen seit 2016 „Die Potteery“ in Hattingen, bauten in der Corona-Pandemie ihr Onlinegeschäft aus, entwickelten mit „Da.Heim“ eine zweite Geschäftsidee und sind Mitinitiatorinnen von „Nettes Hattingen“.
2016 waren Brigitte-Schreiber-Heise und Andrea Kehry-Rudolph mit damals 50 Jahren schon lange taffe Frauen, bevor sie sich beruflich neu erfanden. Während die eine seit Jahren in einer Bochumer Agentur für digitale Medien arbeitete, tourte die andere viele Jahre als Marketingleiterin im Anlagenbau für ein internationales Unternehmen durch die Welt. Während die eine aus München der Liebe wegen nach Hattingen zog, kommt die andere aus Winz-Baak. Kennengelernt haben sich beide Frauen über die Berg- und Skigilde in Frankreich beim Skilaufen. Die Chemie passte und schnell stellte sich heraus, dass beide in Keramikgestaltung und Tee verliebt sind. Ihre Männer schenkten ihnen 2015 einen Kurs in Keramikmalen. Beide Frauen gaben ihre Jobs auf und eröffneten 2016 als selbstständige Geschäftsfrauen „Die Potteery“ in Hattingen.
IMAGE: Sie waren beide 2016 beruflich erfolgreich in interessanten Jobs als Angestellte. Sie gaben es auf für die Selbstständigkeit mit einem Geschäft für Keramik und Tee. Warum?
KEHRY-RUDOLPH: Weil das genau das war, was wir machen wollten. Meine Mutter hat früher Töpferkurse gegeben. Sie war früh verwitwet und verdiente damit ihr Geld. Ich fand das schon immer toll. Kreativ sein entspannt. Und gemeinsam mit Brigitte passte das einfach. Für uns war es die richtige Zeit und der richtige Ort. Und dann sind wir erfolgreich mit der Potteery durchgestartet.
IMAGE: Gab es nicht auch Stimmen, die die Geschäftsidee nur als kreative Selbstverwirklichung für zwei Frauen gesehen haben?
KEHRY-RUDOLPH: Doch, am Anfang auf jeden Fall. Aber wir hatten natürlich einen Business-Plan und haben das nicht einfach blauäugig aufgezogen. Immerhin haben Menschen Zeit und Geld in unsere Idee investiert. Wir hatten durch unsere Berufe wirklich eine gute Grundlage und konnten uns durch Zufall schnell vergrößern, weil der Nachbar in der Bahnhofstraße aus dem Nachbargeschäft auszog.
Wir haben gemeinsam unsere Ziele vor Augen und wie wir sie erreichen wollen. Frauen gehen an solche Dinge auch etwas heran als Männer. Vielleicht nicht so ganz so „polterig“.
Und vor allem müssen wir uns gegenseitig auch nichts beweisen. Wir wissen, was wir können und wo wir hinwollen.
SCHREIBER-HEISE: Wir entwickeln uns ständig weiter. Gerade haben wir mit Da.Heim ein zweites Geschäft in räumlicher Nähe zur Potteery eröffnet. Hier geht es mehr um schöne Dinge für ein gemütliches Zuhause. Außerdem bieten wir zwei Ausstellern oder Ausstellerinnen auf Zeit die Möglichkeit, ihre Produkte in unserem Geschäft zu präsentieren. In der Corona-Pandemie haben wir die Digitalisierung und Vernetzung stark vorangebracht. So haben wir heute zwei Onlineshops, aber auch die Möglichkeiten für Online-Buchungen der Keramik-Kurse und vieles mehr. Zu uns gehört mittlerweile ein Team von 13 Personen zwischen 17 Jahren und 60plus.
IMAGE: Hat der stationäre Einzelhandel denn noch eine Zukunft ?
KEHRY-RUDOLPH: Ja sicher, wenn er sich digital aufstellt und sich vernetzt. Man darf das Digitale und den stationären Handel nicht als Konkurrenz verstehen, sondern man muss die sich ergänzenden Perspektiven erkennen. In der Corona-Pandemie gab es viele Fördermöglichkeiten, sich digitaler aufzustellen. Wir hatten dazu den beruflichen Hintergrund, aber auch der, der das nicht hatte, konnte mit den Fördermitteln Agenturen beauftragen, sein Geschäft digital zu verorten. Aber die Hemmschwelle dazu ist bis heute noch groß.
SCHREIBER-HEISE: Ohne Digitalisierung wird es in Zukunft nicht mehr gehen. Und ohne Vernetzung auch nicht. Beispielsweise haben wir eine WhatsApp-Gruppe aus Einzelhändler, Gastronomen sowie Dienstleister mit begründet, die über das Projekt „Nettes Hattingen“ der Stadt Hattingen und Stadtmarketing, zustande kam. Derweilen gehören weit über neunzig Mitglieder dazu. Hier entstehen viele Ideen zur Gestaltung der Innnenstadt. Auch das Weilfest, welches wir im Herbst gefeiert haben, war eine solche Idee. Und es wird weitergehen.
IMAGE: Preise haben Sie auch schon gewonnen?
KEHRY-RUDOLPH: Das war 2021. Bei „Helden des Handels“ wurden wir vom NRW-Handelsverband und Wirtschaftsministerium ausgezeichnet. Kurze Zeit später erhielten wir dann in Berlin den Deutschen Handelspreis. Beworben haben wir uns darauf übrigens nicht. Als ich die E-Mail bekam, dachte ich sogar zuerst an eine Spam-Nachricht.
IMAGE: Waren Sie beide denn immer so taff? Oder waren Sie eher zurückhaltende Mädchen?
SCHREIBER-HEISE (lacht): Na ja, ich wurde schon mädchentypisch erzogen, war aber auch immer eine kleine Revoluzzerin. Ich war gerne draußen unterwegs und habe auch immer gerne mit Jungen gespielt. Ich habe zwei deutlich ältere Brüder und da musste ich mich schon durchboxen.
KEHRY-RUDOLPH: Einen älteren Bruder habe ich auch. Das prägt. Ich glaube, ich bin aber auch nicht als typisches Mädchen aufgewachsen.
IMAGE: Was war für Sie als Mädchen und später als Frau im Berufsleben wichtig? Was raten Sie jungen Frauen heute?
BEIDE: Immer das zu tun, was man auch tun will. Und sich ausprobieren. Das muss man tun dürfen, denn man muss herausfinden, was man will und was einem Spaß macht. Denn wenn man Spaß hat und etwas mit Leidenschaft tut, dann ist man auch gut darin. Dann gibt es die strikte Trennung - hier die Arbeit und dort die Freizeit - nicht.
KEHRY-RUDOLPH: Man muss auch mal spinnen dürfen, um neue Ideen zu entwickeln. Natürlich bleibt manches Spinnerei, aber manches eben nicht. Auch unser neues Geschäft ist wieder eine Art Experiment. Wir wollen uns weiterentwickeln und Neues kreieren. Jedenfalls stehen wir nicht dafür ein, dass alles so bleiben soll wie es ist.
IMAGE: Wo stehen Sie in zehn Jahren?
BEIDE: In einer quirligen Innenstadt, die allen Generationen Spaß macht. Das wird gut. anja