Logo
Superbanner 749 x 89 Pixel_Platzhalteranzeige.jpg
Witten

Mädchenhaus Mäggie II: Als Team gegen Traumata

In Witten werden traumatisierte Mädchen auf ihren Weg in die Selbstständigkeit begleitet.

WIT-Maeggi-Maedchenhaus-Maerz2024.jpg

Das Betreuerinnen-Team von Mäggie II (v.l): Tanja Riedel, Stefanie Krefter, Laura Nietz, Lisa Richter, Antonia Ament und Helena Krenzer.

Im Wiesenviertel in Witten hat der Verein Vive Žene e. V. ein wichtiges Angebot für traumatisierte Mädchen geschaffen. Das Projekt trägt den Namen Mäggie II. Das Konzept erklärt die Vorsitzende von Vive Žene, Cornelia Suhan, so: „Mäggie II ist ein Projekt gedacht als Vorverselbstständigung für traumatisierte Mädchen, für die ein ambulantes Setting in einer eigenen Wohnung eine deutliche Überforderung wäre.“ Wenn es optimal läuft, soll die Einrichtung also ein Zwischenschritt sein, bevor die Mädchen mit traumatischer Vergangenheit aus der Jugendhilfe ihren Weg in das Erwachsenenleben und die Selbstständigkeit gehen. Die ersten vier Bewohnerinnen sind bereits eingezogen.
Bis zu sechs Mädchen im Alter von 14-21 Jahren finden hier Platz. Weiter erläutert Gruppenleiterin Tanja Riedel, während sie durch die modernen loftähnlichen Räumlichkeiten führt: „Wir haben hier aktuell zwei Flüchtlingsmädchen und zwei sogenannte Systemsprenger.“ Eines der Mädchen ist erst vor wenigen Tagen eingezogen. Jede hat ihr eigenes kleines Reich mit Küche, Bad, Bett und Schrank – wie eine moderne Einraumwohnung. „Wir sind hier kein Hotel, aber wir lassen jeder ihren Freiraum.“ Die Mädchen haben einen eigenen Schlüssel zum Haus. „Im Moment kochen wir noch mit allen gemeinsam.“ Dafür gibt es einen Gemeinschaftsraum. „Und einkaufen gehen wir auch gemeinsam.“ Das Kochen, Einkaufen oder auch die Wäsche machen und ähnliche alltägliche Aufgaben sollen die Mädchen nach und nach selbst in den Griff kriegen. Nicht immer funktioniert das reibungslos. „Es kommt auch mal eine psychische Krise und wir fangen wieder von vorne an. Aber sie müssen lernen: man darf auch Fehler machen. Wichtig ist, dass sie wissen, da ist jemand.“
Denn wenn die Mädchen es wollen, können Sie beim traumageschulten Fachpersonal jederzeit Hilfe und Rat bekommen. „Die Mädchen entscheiden sich sehr bewusst hierher zu kommen, weil sie diese Nähe brauchen“, so Riedel. Eine Nähe, die Sie beispielsweise von Ihren Eltern nie erfahren haben. „Viele der Mädchen haben bisher im Leben gelernt, dass sie nichts richtig machen können und nie Anerkennung bekommen.“ 24 Stunden lang steht bei Mäggie II immer mindestens eine Frau aus dem sechsköpfigen Mäggie-Team den Mädchen zur Seite. Gerade zur späten Stunde sei das wichtig, wie Gruppenleiterin Tanja Riedel erklärt: „Wenn ein Vorfall passiert, dann gerade auch nachts. Man kommt zur Ruhe, ist mit sich selbst beschäftigt. Bei den Mädels sind das Gedanken wie ‚Ich bin nichts wert‘ und so.“ Daher kann es gerade in der Dunkelheit im Wiesenviertel zu Polizei- oder Rettungseinsätzen kommen, da die Mädchen Suizidgedanken äußern, selbstverletzendes Verhalten zeigen oder dissoziieren. „Die sind ja alle zu einem gewissen Grad traumatisiert und haben von den nächsten Angehörigen Gewalt oder sexuellen Missbrauch erfahren. Für diese Mädchen ist es schwer Beziehungen aufzubauen. Und gerade jetzt zu Beginn, hier testen sie viel und es geht oft um die ‚Hältst-du-mich-aus- oder-schickst-du-mich-auch-weg?‘-Frage.“  
Die sogenannten Systemsprenger wurden nicht nur von ihren Familien verlassen, sondern haben oft auch schon mehrere Jugendhilfeeinrichtungen durchlaufen, bis sie bei Mäggie II ankommen. „Kinder und Jugendliche haben in Deutschland eine ganz, ganz schlechte Lobby“, erklärt die Vereinsvorsitzende Cornelia Suhan. Deshalb war auch die Umsetzung des Projekts ein eher steiniger Weg. Zunächst fand man keine Immobilie, hatte das Projekt schon aufgegeben - überraschend wurde dem Verein dann die alte Fabrik im Wiesenviertel angeboten. Es folgte der schwierigste Teil: Das LWL-Landesjugendamt Westfalen von der Idee zu überzeugen und die Gelder zu generieren. „Allein das Konzept für das LWL hat gedauert. Die Crux ist, sie müssen alles fertig haben: Konzept, Personalplanung und so weiter. Wir haben allein ein Jahr gebraucht, um sechs Frauen zu finden an Fachpersonal“, berichtet die Vorstandvorsitzende und erzählt weiter: „Wir sind ein kleiner engagierter Träger. Der Vorstand arbeitet ehrenamtlich. Was bei uns besonders ist: Wir haben keinen Verwaltungsapparat, der finanziert werden muss. Wir haben mit unseren eigenen Einnahmen und Rücklagen das aufgebaut.“ Etwa 120.000 Euro sind im vergangenen Jahr von Seiten des Vereins in das Projekt Mäggie II geflossen. Zu verdanken ist die erfolgreiche Umsetzung genaugenommen dem persönlichen Engagement einzelner. Nun ist man bemüht, das Projekt zum Erfolg zu führen und neue Rücklagen zu schaffen. Auch wenn die Finanzierung und Betriebserlaubnis mittlerweile geklärt ist, gibt es noch viel Unterstützungsbedarf.
„Hier ist die Stellenbesetzung zwar abgeschlossen, aber wir suchen noch als halbe Stelle eine Psychologin, die ein niederschwelliges Angebot für die Mädchen macht, die häufig gar nicht wissen, was eine Therapie ist.“ Interessenten können sich unter der Mailadresse n.below@vive-zene.de, telefonisch unter 02330 6570177 oder per Kontaktformular auf www.vive-zene.de/kontakt/ melden. Tanja Riedel hat aber auch noch andere Bedarfe, die gedeckt werden müssten: „Was wir hier immer gut gebrauchen können, sind Spenden. Gerade auch im Beschäftigungsbereich. Dinge wie Bastelpapiere, Federballspiele oder beispielsweise Leinwände – da sind wir immer dankbar.“ Aber natürlich sind auch Geldspenden an den Verein, die frei eingesetzt werden können, immer hilfreich und auch die Anschaffung und die Finanzierung eines Autos für das Projekt steht noch aus „Ein Siebensitzer sollte es sein, aber kein Kastenwagen“, erläutert die Gruppenleiterin. So wären in Zukunft auch gemeinsame Ausflüge mit den Mädchen möglich, denen vor Ort leider kein Garten zur Verfügung steht. Spendenwillige können direkt online tätig werden unter www.vive-zene.de/spenden/online-spenden/ oder klassisch per Überweisung:
Kontoinhaber: Vive Žene e.V., Sparkasse Dortmund, IBAN: DE05 4405 0199 0291 0012 97, BIC: DORTDE 33XXX, Verwendungszweck: Projektunabhängige Spende
Doch nicht nur mit Geld- und Sachspenden kann den Mädchen geholfen werden, weiß Cornelia Suhan: „Die Mädchen, die hier sind, sind zum Teil sehr schwer seelisch verletzt und wurden sehr früh seelisch verletzt. Da fehlt dann das Selbstbewusstsein. Was ich mir wünschen würde für die Mädels, dass wenn sie rausgehen, ihnen mit mehr Akzeptanz und Empathie begegnet wird. Das hilft auch! Anerkennung und Unterstützung in der Gegend tun gut – dem Team, den Mädels und auch mir.“  nxs

Das ist Vive Žene e.V.

Vive Žene ist eine gemeinnützige Frauenorganisation, die sich für die Stärkung von Mädchen und Frauen einsetzt. Vive Žene arbeitet gegen Gewalt und fördert Autonomie in allen Lebensbereichen. Der Verein hat zwei traumapädagogische Einrichtungen: ein Mädchenhaus (Mäggie) in Herdecke und nun Mäggie II in Witten. Mehr zum Verein unter: www.vive-zene.de.