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Sprockhövel

Krisenbegleitende Amtszeit

Bürgermeister Ulli Winkelmann im Rückblick: „Deutschland ist gut aufgestellt. Es wurden kluge Entscheidungen getroffen, wissenschaftlich basiert, die dann in unserer Kommune verwaltungstechnisch umzusetzen waren. Das hat bis ins kleinste Rädchen funktioniert“.

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Bürgermeister Uli Winkelmann

Ihre Amtszeit dauert bis zum 31.10. 2020. Die Wahl findet aber schon im September statt?
U. Winkelmann: Am 13. September ist die Wahl und dann wird meine Nachfolgerin / mein Nachfolger kurz darauf in der konstituierenden Ratssitzung auf den Thron gehoben. Ich führe bis zum 31.10.2020 die Amtsgeschäfte und übergebe dann; bis dahin bin ich präsent für die Bürger.
Image: Es gab in ihrer Amtszeit zwei herausragende Krisen, das haben Sie sich sicherlich anders vorgestellt?
U. W.: Nein, Flüchtlingskrise und Corona muss man sicherlich nicht haben. Aber beides haben wir in Sprockhövel phänomenal gut hinbekommen. 2015 haben wir, genau wie jetzt, den Krisenstab gebildet und die Verwaltung hat als Einheit gearbeitet. Der Vorteil ist, dass wir das auch auf breiten politischen Boden stellen konnten. Allen im Rat war klar – besser zusammen.
Image: Es gab ja teilweise Kritik, dass die Regierungsbeschlüsse nicht zeitnah bei den Kommunen ankamen und dass die Kommunen dann zu kurzfristig reagieren mussten. Wie ist Sprockhövel bisher mit Corona umgegangen?
U.W.: Wir waren immer im engen Kontakt mit der Landesregierung. Die Ministerin hat Telefonkonferenzen angeboten, die ich wahrgenommen habe. Vor Ort haben wir die Entscheidung, was in Berlin am nächsten Tag verabschieden würde, schon im Vorfeld über den Städte- und Gemeindebund erfahren. Wir waren immer upgedated. Was die Versorgung mit Desinfektionsmitteln etc. angeht, da hat uns der Kreis auch immer unterstützt. Wir sind nicht trockengelaufen.
Wir selbst haben sehr früh mit unserem Stab reagiert und hatten im Prinzip von Anfang an einen sehr guten Draht zur Bevölkerung. Das Ordnungsamt hat immer den Zeigefinger gehoben, anstatt den Kassenzettel zu zücken. Das ist eine sehr gute Möglichkeit, auf die Menschen vor Ort einzuwirken – das ist hier in Sprockhövel bisher echt gut gelaufen.
Image: Aber es gibt auch Ausreißer.
U.W.: Ja, kann ich bestätigen. Zur Zeit tun mir die Mallorquiner leid, die sind die Letzten, die das verdient haben. Aber es gibt Leute, die die Regeln total missachten – keine Masken, kein Abstand. Man darf gar nicht in die USA gucken – schrecklich, was in Kalifornien gerade abgeht.
Image: Hat die deutsche Politik alles richtig gemacht?
U.W.: Ich bin hundertprozentig der Meinung, es hätte nicht besser laufen können. Wissenschaftsbasiert. Und dann von oben runter gebrochen über den Verwaltungsweg bis in die kleinsten Verästelungen. Dadurch hat das so gut funktioniert.
Mit den Kindergärten, da haben wir Glück gehabt, da steckt man ja nicht drin. In den Krankenhäusern passieren immer mal Infektionen, aber da wir kein eigenes haben, sind wir da aussen vor. Aber was die Kitas angeht oder Schulen, da waren wir gut vorbereitet, und die haben ja alle gut mitgezogen. Da muss man auch den Schülerinnen und Schülern mal ein großes Lob aussprechen.
Image: Was sagen Sie denn zu dem Schulbeginn, da soll es wieder Regelunterricht geben?
U.W.: Ich bin mir da noch nicht so sicher, ob das wirklich so kommen wird mit dem Regelunterricht. Aber wir haben jetzt angefangen mit Schulen. Das stand auch schon in der Kritik. Ich habe jetzt noch keine Möglichkeit gehabt, mich mit Lehrern eingehender zu unterhalten. Das würde ich gerne im Vorfeld tun. Wie sehen das die Praktiker vor Ort? Das würde ich dann lieber mit denen besprechen. Natürlich gibt es immer zwei Seiten bei einem Neustart, auch hier im Rathaus. Wir hatten ganz klare Vorgaben: nur mit Maske, nur mit Termin. Aber dass wir wieder aufmachen müssen, war klar. Das erwarten die Bürgerinnen und Bürger auch.
Image: Haben die Bürger für die Vorgaben denn Verständnis oder unterlaufen sie die Anweisungen?
U.W.: Als wir wieder geöffnet haben, mussten wir schon eindringlich auf bestimmte Regeln hinweisen. Da standen hier schon Menschenschlangen, die dann mal eben z.B. zur Bauberatung wollten und die Abstandsregelungen nicht einhielten. Das Ordnungsamt hat das meistens über Gespräche und Erklärungen regeln können. Das war uns auch wichtig. Was soll man in so einer Phase monitär draufhauen, wir alle sind doch genug geprügelt. Der beste Weg war klare Vorgaben machen und dann aber erklären warum, und dann auf die Einsicht der Menschen hoffen.
Image: Sport ist ja mit Auflagen möglich, aber geht dabei mit Abstand und Masken der Spaß nicht verloren?
U.W.: Das sehe ich komplett anders. Man muss sich schon mit den Regeln auseinandersetzen, aber die Möglichkeit zu trainieren besteht ja. Mein guter Freund Till Schäfer trainiert jetzt für den Ironman in Portugal. Der musste sich nur mit den Gegebenheiten auseinandersetzen. Schwierig war Schwimmen. Die Vereine waren dankbar, dass wieder etwas passieren konnte und haben Konzepte erarbeitet. Die TSG Sprockhövel und der SCO waren da führend. Was kann ich erlauben, ohne dass es gefährlich wird? Sie haben das super gemacht. Viele Sportler werden aus dieser Geschichte mental stärker hervorgehen. Da bin ich hundertprozentig überzeugt.
Image: Sprockhövel hat das Freibad geöffnet. Stehen Kosten und Nutzen im Verhältnis?
U.W. Das war eine richtige Entscheidung. Mit all den Sicherheitsstandards natürlich. Wir haben ja eine Einlassregelung, und wir begrenzen die Zahl auf Zeit. Auch das wurde kommuniziert mit den Bürgerinnen und Bürgern, die sich strikt an die Regeln halten. Bei schönem Wetter wird es sehr gut genutzt. Unser Freibad war das Letzte, was wir noch an Möglichkeit hatten, den zu Hause Gebliebenen ein bisschen was zu bieten. In anderen Kommunen blieben die Freibäder ja geschlossen. Wir haben auch Besucher von außerhalb. Aber dadurch, dass wir die Besucher begrenzen, ist das erstmal egal, wo die herkommen. Wir machen zu, wenn es zu viele sind.
Image: Ist das personalmäßig denn hinzubekommen?
U.W.: Uns fehlen natürlich immer Leute, das ist so. Es ist auch schwierig, ausgebildetes Personal zu bekommen. Aber toi, toi, toi. Wir sind da gut aufgestellt. Wir haben viele Komplimente bekommen, weil wir alles so geregelt haben. Das wurde sehr positiv aufgenommen.
Image: Wer hat die Warnwesten mit dem Slogan „Bitte Abstand halten“ bekommen?
U.W.: Jedes Schulkind hat bei uns in Zusammenarbeit mit dem Stadtmarketing eine gelbe Warnweste mit dem Slogan „Bitte Abstand halten“ bekommen. Das war auch ein guter Zug. Und wenn ich sehe, wie toll die das in den Schulen geregelt haben mit der Einlasskontrolle, möchte ich den Kollegen und Kolleginnen und den Eltern und auch den Schülerinnen und Schülern mal ein Riesenkompliment machen.
Image: Was sagen Sie zu Corona weltweit?
U.W.: Man wird sich auch auf Dauer, glaube ich, an Masken gewöhnen müssen und wird sich auch daran gewöhnen. Wir sind privilegiert durch die Coronazeit gekommen. Wir leben hier in einer Insel der Glückseligen in Deutschland. Ich denke sowieso, dass nach Corona ein Umdenken stattfindet.
Z.B. Peru: Knapp 25 Millionen Einwohner, tausend Intensivbetten, da ist kein Sauerstoff mehr da in Peru. Schrecklich, was da abgeht.
Auch wenn ich Brasilien sehen – meine Freunde in Brasilien verzweifeln. Der Präsident hat sich infiziert. Er ignoriert das und gibt als allererstes eine Pressekonferenz ohne Maske. Die Journalisten vorne an, die haben ihn jetzt verklagt.
Wir müssen hier für uns zusehen, dass wir das weiterhin so geschickt hinbekommen, dass die Leute die Birne einschalten. Das ist wie auf einem Radweg. Da müssen Radfahrer und Fußgänger auch miteinander klarkommen. Das funktioniert, indem ich die Augen aufmache, mit Rücksicht geht alles ein bisschen besser. Positiv sehe ich, dass die Menschen wieder ein bisschen enger zusammengerückt sind.
Image: Gibt es auch Themen ohne Corona?
U.W.: Klar, wir sind dazugekommen, bestimmte Sachen abzuarbeiten. Die Breitwellenrutsche (so etwas kostet ca. 90.000 Euro) wurde mit Fördermitteln der Sparkassenstiftung und des Förderprogramms Vital.NRW im Freibad realisiert. Ebenso das Projekt des Trassenvereins und die Boule-Bahn. Aber besonders möchte ich mich in meiner verbleibenden Amtszeit noch mit dem Förderprogramm Vital.NRW, mit denen insbesondere Entwicklungen des ländlichen Raumes mit EU-Geldern vorangebracht werden, beschäftigen.
Ich hatte in der Weihnachtsratssitzung angeregt, dass wir in Sprockhövel 80 Bäume pflanzen, weil das genau das Äquivalent von einer Tonne CO² ist. Bei der Firma WKT ist jetzt der Kreisel neu gebaut worden. WKT hat meinen Vorschlag aufgegriffen, da gibt es jetzt einen kleinen Park und die werden uns unterstützen mit dem Sponsoring von Bäumen und Bänken, dass man sich da hinsetzen kann, um auf die Stadt zu schauen – das war mir wichtig. Zum Thema Rassismus habe ich vor einer Ratssitzung einen kleinen Anstoß gegeben. Denn was in der USA passiert ist, kann man nicht unkommentiert lassen. (siehe Info-Block). Gesprochen hat Stephane Bell, der Sprecher unserer Auszubildenden, aus Ghana kommend und in Wuppertal lebend. Er hat allein durch sein Aussehen schon so viel mitbekommen in seinem Leben. Der konnte das sehr schön plakativ erzählen.
In der nächsten Ratssitzung kommt aus dem politischen Raum jetzt die Idee „Sprockhövel hat keinen Platz für Rassismus“ an unserem Ortseingang zu platzieren.
Image: Was hat Sie zuletzt erfreut?
U.W.: Was haben wir uns gefreut, als wir wieder in den Biergarten durften. Schön, als Familie wieder im Biergarten zu sein. Da werden so die kleinen Sachen wieder wichtig. Ich war auf dem erstes Live-Konzert in Sprockhövel bei Metamorphose. Da hat der Edie aus Witten gespielt.
Die hatten Abstandsregeln an den Tischen in dem Biergarten. Aber es war herrlich, draußen zu sitzen, wieder Live-Musik zu hören. Jetzt wird alles ein bisschen kleiner werden. Das ist so, aber trotzdem muss man sich an die Regeln halten. Abstandsflächen ist das A und O. Wir halten ja auch Abstand, das gehört sich einfach so.
Hauptsächlich „Danke“, dass sich fast alle an die Regeln halten.
Und jeden Tag schöne Sachen machen geht vor allen Dingen mit netten Kleinigkeiten. Die Toleranz ist ja deutlich größer geworden. Wo soll ich mich darüber aufregen?
Image: Herr Winkelmann, wir danken ihnen für das informative und ausführliche Gespräch und wünschen Ihnen alles Gute.