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Gesundheit

Knochenbrüche im Alter: Ursachen, Hilfe und Prävention

IMAGE im Gespräch mit den Chefärzten Dr. Guido Rölleke und Stephan Ziemke, EvK Witten.

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IMAGE: Bricht man sich im Alter öfter die Knochen und warum? 
RÖLLEKE: Die Häufigkeit der Knochenbrüche steigt mit zunehmendem Lebensalter. Als Kind rappeln wir uns oft nach einem Sturz schnell wieder auf und kommen meistens mit einem kleinen Schrecken davon. Im Erwachsenenalter merken wir bereits, dass das Fallen nicht mehr so leicht abzufedern ist. Im Alter wächst die Sturzgefahr zunehmend und die Verletzungen können schwerwiegend sein: schmerzhafte Verstauchungen, schwerste Prellungen und Knochenbrüche sind oft die Folge. Typische Altersfrakturen sind Hüft- und Wirbelkörperbrüche. Der sogenannte Oberschenkelhalsbruch kommt oft vor. Handgelenk und Oberarm sind weitere Brüche, die insbesondere nach Stürzen vorkommen. Auch der Heilungsprozess solcher Verletzungen macht uns im Alter mehr zu schaffen, weil die Knochen beispielsweise nicht mehr so schnell zusammenwachsen. Wenn ältere Menschen stürzen, hängt das meistens mit altersbedingten Schwächen aufgrund schwächerer Muskeln, Gleichgewichtsproblemen oder Sehschwäche zusammen.
ZIEMKE: Und es gibt noch weitere Ursachen. Durch Osteoporose nimmt die Knochendichte ab und die Knochen werden anfälliger für Brüche. Arthrose oder chronische Krankheiten wie Arthritis können das Knochenbruchrisiko steigern. Die Situation wird durch wenig Bewegung und Mangelernährung verschärft.

IMAGE: Was bedeuten Osteoporose, Arthritis und Arthrose?
RÖLLEKE: Osteoporose ist eine Schwächung der Knochen. Ursache dafür ist ein zu niedriger Mineralsalzgehalt. Dadurch nimmt die Knochendichte ab und bereits bei kleineren Unfällen oder geringen Belastungen kann es zu Brüchen kommen. Aber auch Erkrankungen innerer Organe oder vom Stoffwechsel sowie verschiedene Medikamente können Osteoporose auslösen oder verstärken. Vorbeugen kann man durch Bewegung – es gibt sogar spezielle Gymnastik. Eine kalziumreiche Ernährung mit ausreichender Vitamin-D-Zufuhr ist wichtig sowie der Verzicht auf Rauchen und täglichen Alkoholkonsum.
ZIEMKE: Eine Arthritis ist eine Gelenkentzündung. Im Gegensatz zu einer Arthrose, dem Gelenkverschleiß, handelt es sich hierbei um entzündliche Prozesse, die beispielsweise durch Rheuma, Gicht oder Bakterien ausgelöst werden. 
Eine Arthritis kommt in akuter und chronischer Form vor. Ist das Gelenk über einen längeren Zeitraum oder immer wieder entzündet, so kann es zu einer fortschreitenden Zerstörung und Einschränkungen der Beweglichkeit kommen. Arthritis und Arthrose gehen mit schmerzenden Gelenken einher und beide Erkrankungen erhöhen das Sturzrisiko. 
IMAGE: Wie wird die Diagnose gestellt?
RÖLLEKE: Empfohlen wird eine Basisdiagnostik der Osteoporose bei Frauen nach den Wechseljahren ab ca. 50 Jahren und bei Männern ab 60 Jahren, wenn weitere Faktoren wie beispielsweise Wirbelkörperbrüche, endokrinologische oder rheumatische Erkrankungen oder neurologische Befunde vorliegen. Auch bei familiären Vorbelastungen sollte man genauer hinsehen. Diese Untersuchungen führt in der Regel der Hausarzt oder der Orthopäde durch. Beispielsweise kann man die Knochendichte messen. Wird eine Osteoporose festgestellt, schaut man auf die Schwere der Erkrankung. In leichteren Fällen können Kalzium- und Vitamin-D-Präparate bereits helfen, den Knochenabbau zu stoppen oder zu verlangsamen; bei fortgeschrittener Erkrankung werden sogenannte Bisphosphonate verschrieben. Diese lagern sich auf der Oberfläche des Knochens an und führen somit zu einer Verbesserung der Knochenstruktur. Zu uns kommen die Betroffenen in der Regel nach einem Sturz. Wir versorgen die Akuterkrankung und kümmern uns zeitgleich um die Frage, was man im Lebensalltag des Menschen verbessern kann, um solche Stürze in Zukunft zu verringern oder zu vermeiden. Dazu gehören Fragen zur Medikation, zu anderen Grunderkrankungen, aber auch zum häuslichen Umfeld. 
ZIEMKE: Die Diagnose von Arthritis erfolgt durch eine Kombination aus Patientengespräch, körperlicher Untersuchung und bildgebenden Verfahren (z. B. Röntgen, Ultraschall, MRT). Zusätzlich sind Blutuntersuchungen wichtig. Hier wird ein Rheumatologe tätig. Bei Arthrose ist es oft der Orthopäde, der nach einer ersten Einschätzung vom Hausarzt den Patienten genauer anschaut. 
Treffen wir nach einem Sturz auf den Patienten, müssen wir ihn ganzheitlich betrachten. Wir schauen auf seine Ernährung, auf seinen Lebensstil und darauf, in welcher häuslichen Umgebung er lebt. Die akute Versorgung des Bruches ist nur ein Baustein in der stationären Versorgung.

IMAGE: Die Behandlung ist also ein interdisziplinärer Ansatz? 
RÖLLEKE: Unbedingt. Die fachübergreifende Zusammenarbeit ist unglaublich wichtig. Damit die Betroffenen zum Beispiel das verletzte Bein sofort wieder belasten können, um so ihre Mobilität aufrechzuerhalten, beginnen wir so schnell wie möglich mit einer intensiven Physiotherapie oder einer Ergotherapie. Vor der Entlassung prüft zudem unser Sozialdienst den aktuellen Versorgungsbedarf des Patienten. Und es gibt Tipps für die Sturzprophylaxe. Wir sind als Zentrum für Alterstraumatologie DGU (Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie) zertifiziert. Unser Ziel ist es, den Patienten nach dem stationären Aufenthalt in einem möglichst selbstbestimmten Alltag entlassen zu können. Dabei müssen wir im Team alles in den Blick nehmen. Die Beispiele reichen von Stolperfallen in der Wohnung und schlechter Beleuchtung bis hin zu allgemeiner körperlicher Schwäche, Gleichgewichtsstörungen, Medikamentenunverträglichkeiten und anderen Grunderkrankungen, die zum Sturz geführt haben. 
ZIEMKE: Unsere Gesellschaft wird – auch aufgrund des medizinischen Fortschritts – immer älter. Doch wenn Gehirn und Nerven altern, kommt es leichter zu Gleichgewichtsstörungen. Kraft und Koordination lassen nach, Schwerhörigkeit und vor allem eine zunehmende Sehschwäche erschweren die Orientierung. Zum Beispiel wird auch der Tastsinn in Beinen und Füßen schlechter: Das Gehirn weiß dann nicht mehr, ob man geradesteht oder schon schief. Es gibt dann den Beinen nicht den richtigen Befehl, um gerade zu stehen – daher steigt die Sturzgefahr. Man kann aber vorbeugend durchaus etwas tun: Koordination, Kraft und Reaktionsgeschwindigkeit trainieren. Man kann den Haushalt von Fachleuten auf Stolperfallen überprüfen lassen und mit seinem Hausarzt klären, ob Medikamente die Sturzgefahr erhöhen. 
Sehhilfen sollten regelmäßig vom Augenarzt überprüft werden. Rutschfeste Schuhe und Socken helfen, das Risiko eines Sturzes zu verringern – um möglichst lange sturzfrei zu leben.

Von Dr. Anja Pielorz