02.09.2021: Die aktuell laufenden Paralympics machen Menschen mit Beeinträchtigungen im Sport sichtbarer...
Die aktuell laufenden Paralympics machen Menschen mit Beeinträchtigungen im Sport sichtbarer. Im 100-Meter-Sprint der Sehbehinderten trat zum Beispiel der Wittener Marcel Böttger in Tokio an. Im Alltag aber, etwa in der Wittener Sportszene, sind sie weitgehend unsichtbar. Wie ließe sich das ändern? Die Studierenden Adam Hielscher, Annsophie Hippler, Elena Knobe, Rebecca Reers und Kevin Twardon von der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW haben sich diese Frage für Witten gestellt. „Das Ergebnis ist klar: Es gibt in Witten Potential, aber auch Nachholbedarf“, fasst Ines Großer zusammen, die Behindertenkoordinatorin der Stadt Witten, die das Projekt gemeinsam mit Thomas Hammermeister-Kruse (Dozent der Hochschule) betreut hat.
Am 31. August haben die Studierenden ihre Projektarbeit dem Wittener Sportausschuss vorgestellt und stießen damit auf großes Interesse.
Inklusive Aktivitäten der Vereine
Ein Sportverein hat sich die Inklusion ausdrücklich auf seine Fahnen geschrieben: der ISC Witten. Die kuriose Folge: Die Angebote des Vereins werden von Menschen ohne Beeinträchtigungen kaum genutzt. Fehlende Übungsleiter*innen und Räume erschweren es dem Verein, ein größeres Angebot zu machen.
Die Fußballer des FSV Witten haben eine inklusive Mannschaft für Kinder, auch Inklusionsturniere wurden bereits ausgerichtet. Für weitere Teams fehlen aber ebenfalls die nötigen Übungsleiter*innen. Immerhin gibt es auf dem Jahnsportplatz noch Kapazitäten.
Weitere Vereine wie die Sport-Union Annen und Blau-Weiß Annen haben zwar ein breites Angebot mit Sportarten, die auch Menschen mit Beeinträchtigung betreiben könnten. Aber auch sie haben nicht ausreichend Personal, um inklusive Angebote entscheidend auszubauen.
Geeignete Angebote
Die Studienarbeit gibt auch einen guten Überblick über Sportarten, die besonders für Menschen mit Beeinträchtigungen geeignet sind. Dazu zählen beispielsweise Badminton, Boccia, Bogensport, Fußball, Kegeln, Schwimmen und Tanzen. Aufgrund der unterschiedlichsten Beeinträchtigungen sind die Bewegungsangebote selten gleichermaßen für alle Menschen mit Behinderungen geeignet.
Herausforderungen für die Helfer*innen
Menschen mit Behinderungen haben aufgrund ihrer Beeinträchtigung die unterschiedlichsten Bedürfnisse. So ist für blinde und sehbehinderte Menschen eine Vorabbegehung der Sportstätte zur besseren Orientierung nötig. Gehörlose brauchen gegebenenfalls Unterstützung bei der Kommunikation. Andere benötigen Hilfe beim Umziehen und beim Zurechtfinden in der Gruppe. Auch die Anreise ist bisweilen aufwändiger. Immerhin ist für die Raumsituation Entspannung in Sicht. Denn derzeit ist der Bau einer Einfachsporthalle geplant, in der Sportarten wie Brennball, Polybat, Showdown, Torball und Sehbehindertenfußball und Elektro-Rollstuhlhockey gespielt werden können.
Zudem gibt es verschiedene Förderprogramme, um die Sportanlagen barrierefrei zu gestalten und die technische und die personelle Ausstattung finanziell unterstützen. Dazu zählen unter anderem das Landesprogramm „Moderne Sportstätten“, der „Inklusionsscheck“ des Landes NRW, das Programm 1000x1000 des LSB NRW ebenso wie Stiftungen, etwa die „Aktion Mensch“ und die „Kämpgen-Stiftung“.
Interesse ist vorhanden
Das klingt zunächst sehr kompliziert und aufwändig. Dabei sind auch andere Aspekte bedeutend. „Es muss gar nicht alles perfekt sein. Aber Offenheit und eine Willkommenskultur sind unglaublich wichtig“, so Ines Großer. Denn Interesse ist eindeutig vorhanden, das zeigen Umfragen, die die Studierenden für ihre Studie durchgeführt haben. Gut drei Fünftel der befragten Menschen mit Beeinträchtigungen würden gerne mehr Sport machen. Fast drei Viertel bräuchten nicht einmal Hilfsmittel.
Eine weitere Umfrage unter Studierenden der Universität Witten-Herdecke zeigt zudem, dass auch Menschen ohne Beeinträchtigung grundsätzlich offen sind für inklusive Sportangebote. Nur vier Prozent konnten sich nicht vorstellen, an einem solchen Angebot teilzunehmen. Fast zwei Drittel würden sich auch als ehrenamtliche Helfer*innen beteiligen.
Hindernisse immer noch vorhanden
Warum aber gelingt diese Inklusion noch zu wenig? „Menschen ohne Behinderungen haben immer noch zu oft Hemmungen, auf Menschen mit Einschränkungen zuzugehen“, schildert Ines Großer. Zugleich fehlt es aber oft auch an der Ausstattung: zu wenig Personal, mangelnde Barrierefreiheit der Sportstätten. Zum Teil fehlt auch das Wissen über solche Angebote.
Immerhin: Die Projektarbeit der fünf Studierenden gibt allen Akteuren – Vereine, StadtSportVerband, Stadtverwaltung – wertvolle Hinweise darüber, was es bereits gibt, welche Nachfrage besteht und wo man Unterstützung bekommen kann.
„Die Studierenden haben eine ausgezeichnete Arbeit abgeliefert“, lobt daher Ines Großer. „Sie waren eine sehr engagierte und begeisterte Gruppe. Vielen Dank für die gute Zusammenarbeit und für das äußerst nützliche Ergebnis!“ js