Zusammen mit Thomas Weiß, Stadtarchivar in Hattingen, schlägt IMAGE regelmäßig ein historisches Kapitel der Stadt auf. Diesmal geht es um den Hattinger Heimatverein, der einen runden Geburtstag feiern kann und als Verein für Heimatpflege 1921 gegründet wurde.
Das Hattinger Wahrzeichen und „Wohnort“ des Heimatvereines ist bei Einheimischen und Touristen beliebt. An der Fassade hängt auf dem großen Foto noch das „Dislike“ des Hattinger Künstlers Stephan Marienfeld. Mittlerweile ist es abgenommen und durch den CUBICLE des Künstlers Philipp Valenta ersetzt worden. So sorgt das Zuhause des Heimatvereins auch immer für Diskussionen über Kunst im öffentlichen Raum.
Der am 24. November 1921 als „Verein für Heimatpflege im Kreise Hattingen“ gegründete Heimatverein Hattingen/Ruhr ist seit 1953 Inhaber des Elling‘schen Hauses am Haldenplatz 1 und seit 1962 Träger des dortigen Museums im Bügeleisenhaus. Auch das Zollhaus, das 1820 auf den Resten eines mittelalterlichen Stadtturmes errichtete kleinste Hattinger Fachwerkhaus, gehörte bis ins Jahr 2020 dem Verein, der heute rund achtzig Mitglieder hat.
Im 19. Jahrhundert nehmen Gedanken zum Heimatbegriff immer mehr Raum ein. Es entstehen erste Chroniken darüber, was man eigentlich über die Stadt, in der man lebt, weiß. Schließlich verbringen die meisten Menschen zu der Zeit ihr Leben noch überwiegend an Ort und Stelle. Mit der zunehmenden Industriealisierung wächst das Gefühl von Vertrautheit und Heimat gegenüber der Fremde. Parallel zur Gründung des Vereines zur Heimatpflege entstehen sogenannte Verschönerungsvereine mit dem Ziel, die Heimat eben noch schöner zu machen.
„Für die Gründung nicht nur des Hattinger Vereines zur Heimatpflege war der Erste Weltkrieg und seine Folgen bedeutend. Gewohnte Strukturen und bekannte Traditionen brachen überall weg. Das Selbstbewusstsein nach der Kriegsniederlage war mehr als angeschlagen. Die Sehnsucht nach alten Werten und Vertrautheit war groß. Die Beschäftigung mit der Heimat bot ein passendes Betätigungsfeld. Man besann sich auf die eigenen Wurzeln und Heimatvereine oder das Jugendherbergswesen unterstützten diese Wünsche. Das Wandern in der Natur, das Erleben und Erkunden der nahen Umgebung genoss eine hohe Wertigkeit“, erzählt Stadtarchivar Thomas Weiß. Das Bildungsbürgertum sorgte neben der Vereinsgründung für erste Vorträge mit und ohne Fotos und gab das Wissen und die Wertigkeit über die Heimat weiter. Aufgaben, die der Heimatverein neben vielen anderen Bereichen bis heute abdeckt.
„Jährlich erreichen wir mit Vorträgen, Wanderungen und Exkursionen, den Besuchen mit unserem ‚Museumskoffer‘ in Schulen und Altenheimen sowie den Ausstellungen in Hattingens ältestem Museum rund 2.500 interessierte Bürger und Gäste unserer Stadt. Für Dauer- und Sonderausstellungen und begleitende Publikationen befassen sich unsere Mitglieder mit der Erforschung der Stadt- und Kreisgeschichte. Darüber hinaus pflegen wir aktiv lokale Traditionen, z.B. durch regelmäßig stattfindende plattdeutsche Nachmittage oder den Hattinger Schnadegang, der nach der Premiere 2014 im Jahr 2021 erneut stattfinden soll. Zur Vereinstätigkeit gehört auch die Unterstützung von Aufgaben der Denkmal- und Stadtbildpflege. Auf Initiative des Heimatvereins und seiner Mitglieder wurden 2015 die Umrisse der abgerissenen Fachwerkhäuser auf dem „Platz am Bügeleisehaus“ sichtbar gemacht, wurde 2017 das Hitler-Zitat am Haus Obermarkt 13 durch eine Hinweistafel geschichtlich eingeordnet und wurde im Sommer 2018 die vor 16 Jahren entfernte Marke für die Ruhrhochwasser 1890, 1909 und 1943 wieder aufgestellt. Den 100. Geburtstag im Jahr 2021 feiert der Verein mit einer Sonderausstellung zu seiner wechselvollen Geschichte im Museum im Bügeleisenhaus“, berichtet der heutige Vorsitzende des Vereines, Lars Friedrich.
Ein großes Bürgerfest wird leider aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie nicht möglich sein. „Aber das kann man auch im nächsten Jahr als 100+1-Fest unter besseren Bedingungen nachholen“, sagt Lars Friedrich. „Außerdem freuen wir uns schon 2022 auf unseren nächsten runden Geburtstag. Da feiern wir 90 Jahre Heimatmuseum.“
Weder der Heimatbegriff noch das Museum sind angestaubte Nostalgie. „Heimat ist Sicherheit oder, um Herder zu zitieren, Heimat ist da, wo man sich nicht erklären muss“, meint Thomas Weiß. Die Vergleichbarkeit mit der aktuellen Pandemie und ihrer Unsicherheit liegt auf der Hand. Auch jetzt stellen wir wieder eine verstärkte Hinwendung zu Natur und Heimat fest. „Dabei darf die Wertschätzung der Heimat eben nicht in einen übersteigerten Nationalismus umschlagen – wie die Vergangenheit es ja gezeigt hat.“
Der Heimatverein stellt sich in seiner Bedeutung als Kontaktbörse von Gleichgesinnten dar. Mit einem vielfältigen Angebot und einem eigenen Museumsstandort führt er zurück in die Geschichte der Heimatpflege und zeigt die Wurzeln auf, die einen Menschen mit einem bestimmten Ort Heimatgefühle verbinden lassen. anja
Kontakt: Heimatverein Hattingen/Ruhr e.V., Haldenplatz 1, 45525 Hattingen; E-Mail info@heimatverein-hattingen.de; Telefon 0175 419 4195.