IMAGE im Gespräch mit Chefarzt Dr. Michael Luka über die Endoprothetik und ihre Möglichkeiten.
Dr. med. Michael Luka, Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie am EvK Witten
Das Evangelische Krankenhaus in Witten verfügt über verschiedene zertifizierte Zentren. Eines von ihnen ist das EndoProthetikZen–trum. Geleitet wird es von Chefarzt Dr.med. Michael Luka, Facharzt für Unfallchirurgie und Orthopädie. Wir haben mit ihm gesprochen, was Endoprothetik bedeutet und wie der Patient behandelt wird.
IMAGE: Was versteht man unter Endoprothetik?
LUKA: Unter Endoprothetik versteht man den künstlichen Ersatz eines Gelenkes. Dabei können die Prothesen Teile oder das ganze Gelenk vollständig ersetzen. Sie bestehen aus Metall, Kunststoff oder Keramik oder aus einer Kombination der Materialien. Häufig kommen sie bei den Gelenken der Hüfte, dem Knie und der Schulter zum Einsatz.
IMAGE: Wann muss eine Prothese eingesetzt werden?
LUKA: Grundsätzlich ist der Grund der, dass ein Gelenk seine Funktion nicht mehr ausüben kann oder eine starke Einschränkung bei dem Betroffenen vorliegt. Die Krankheiten, die diesem Funktionsverlust zugrunde liegen, sind dabei höchst unterschiedlich. So kann es sich beispielsweise um Arthrose, Gicht, Nekrosen, ein Trauma, aber auch um Brüche oder Gelenkversteifungen handeln. Unsere Zertifizierung als EndoProthetikZentrum (EPZ) durch die Gesellschaft für Endoprothetik garantiert, dass erst ein umfangreicher Entscheidungsprozess durchlaufen wird, bevor eine Patientin oder ein Patient einen Gelenkersatz erhält. In diesem Prozess kommt man dann zum Ergebnis, dass konservative Methoden in bestimmten Fällen nicht mehr ausreichend sind und der Patient in seiner Lebensqualität zu stark eingeschränkt ist. Zu den konservativen Methoden gehören beispielsweise schmerz- und entzündungshemmende Medikamente, Krankengymnastik oder eine Anpassung der Belastung. Helfen sie nicht mehr, wird über den künstlichen Gelenkersatz gesprochen. Vom ersten Sprechstundentermin bis zur Operationsnachsorge gibt es eine genaue Abfolge von Behandlungsschritten, die strikt befolgt wird. Wir beteiligen uns zudem aktiv am Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) und stellen uns damit dessen hohen Qualitätsanforderungen. Ziel ist es, Routinedaten aus Knie- und Hüftoperationen zu verknüpfen und so die Qualität der Behandlung auszuwerten.
IMAGE: Wie fällt die Entscheidung für ein künstliches Gelenk und wie läuft die Operation ab?
LUKA: Am Anfang einer jeden Diagnostik steht natürlich ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten. Hier kommt alles zur Sprache - Vorerkrankungen, Allergien, Medikamente und Verletzungen. Dann schaut man sich das betroffene Gelenk genau an. In dieser klinischen Untersuchung geht es vor allem um die Stabilität des betroffenen Gelenks, aber auch um seine Beweglichkeit und um die Schmerzen des Patienten. Dazu nutzen wir bildgebende Verfahren, beispielsweise die Computer- oder Kernspintomographie oder die Röntgenuntersuchung. Ist die Entscheidung zugunsten einer Operation gefallen, gelangt der Operateur durch einen Hautschnitt an die betroffene Stelle des Gelenks und öffnet die Gelenkkapsel. Mit Raspeln, Sägen und Feilen werden betroffene Gelenkstellen entfernt. Die Prothese muss mit dem vorhandenen Knochen verbunden werden. Das kann beispielsweise durch Knochenzement entstehen. Diese Methode kommt oft bei dem Knie-Ersatz zum Einsatz. Es gibt aber auch zementfreie Möglichkeiten, die in der Regel bei dem Hüft-Ersatz genutzt werden. Auch eine Verschraubung zwischen Knochen und Prothese ist möglich. Welche Verbindung gewählt wird, ist von vielen verschiedenen Faktoren abhängig. Auch das Alter und damit verbunden die Knochenstabilität des Patienten müssen beachtet werden.
IMAGE: Welche Endoprothetik wird am häufigsten durchgeführt?
LUKA: Am häufigsten wird der künstliche Gelenkersatz in Mitteleuropa aufgrund einer Hüftarthrose durchgeführt. In Deutschland werden pro Jahr insgesamt etwa 200.000 künstliche Hüftgelenke eingesetzt, von denen etwa drei Viertel (150.000) auf eine Arthrose zurückzuführen sind. Die zweithäufigste Ursache für den Einsatz eines künstlichen Hüftgelenkes ist der Schenkelhalsbruch. Im Jahr 2021 wurden laut Statistik etwa 170.000 künstliche Kniegelenke implantiert. Schultergelenke werden deutlich seltener implantiert. Hier weist die Statistik etwa 18.000 Eingriffe pro Jahr in Deutschland aus.
IMAGE: Und nach der Operation?
LUKA: Wenn der Operateur seine Arbeit beendet hat, fängt sie beim Patienten an. In den folgenden Wochen verwächst die Prothese mit dem Knochen. Der Patient muss sich vorsichtig bewegen, Muskulatur, Sehnen und Bänder müssen sich an die neue Situation anpassen. Die Physiotherapie gehört zum Heilungsprozess dazu. Anhand eines strukturierten Plans werden die Muskeln aufgebaut und die Beweglichkeit des Gelenks wieder hergestellt. Eine Rehabilitation - stationär oder ambulant - schließt sich der Operation in der Regel an. Auch die Psyche ist dabei nicht zu unterschätzen. Man muss sich schon positiv mit dem Gedanken befassen und künstliche Teile im Körper akzeptieren. Ansonsten ist es das Ziel der Endoprothetik, den Betroffenen wieder schmerzfrei und in seiner Lebensqualität möglichst uneingeschränkt seinen Alltag genießen zu lassen. Das sollte nach einem erfolgreichen Eingriff auch möglich sein.
IMAGE: Es gibt aber auch Kritik an der Endoprothetik - sie würde zu oft angewandt? Und kann man der Notwendigkeit eines künstlichen Gelenks vorbeugen?
LUKA: Seit 2008 ist kaum noch eine Zunahme der Operationshäufigkeit festzustellen. Das geht aus einer Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie e.V. (DGOOC) hervor. Eine Zunahme von Hüft- und Kniegelenksersatzoperationen ist bereits allein der demografischen Entwicklung geschuldet, denn Hüft- und Kniegelenksverschleiß beziehungsweise Schenkelhalsbrüche sind Erkrankungen und Verletzungen vorwiegend des höheren Lebensalters. Und: Deutschland wird immer älter.
Deutschland ist gemeinsam mit der Schweiz Weltmeister hinsichtlich der Versorgung mit künstlichen Hüft- und Kniegelenken. Die hierzu vorliegenden Statistiken vergleichen allerdings Äpfel mit Birnen; denn in Deutschland werden die geplanten (elektiven) Hüft- und Kniegelenksersatzoperationen mit denjenigen nach Schenkelhalsbrüchen als auch mit Wechseloperationen zusammengefasst. In anderen Ländern ist dies nicht der Fall. Die Statistiken sind also insofern nicht vergleichbar.
Was die Vorbeugung angeht - natürlich kann man manchen Erkrankungen, beispielsweise der Arthrose, mit ausreichender Bewegung, der Reduzierung von Übergewicht und einer ausgewogenen und gesunden Ernährung - der Mittelmeer-Küche - vorbeugen. In unserem Alltag haben wir - beruflich und privat - sehr viele Situationen, die dauerhaft für unseren Bewegungsapparat nicht gut sind. Dazu gehört die einseitige Belastung ebenso wie das verstärkte Sitzen. Mit zunehmendem Alter kommen weitere Herausforderungen dazu: beispielsweise die Neigung zu Stürzen durch Gangunsicherheiten. Hier kann man sich natürlich sein häusliches Umfeld betrachten und versuchen, es sturzsicher zu machen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch keine hundertprozentige Sicherheit oder Vorbeugung.anja