Nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehören Krebserkrankungen zur häufigsten Todesursache.
Dr. med. Christoph Hackmann, Chefarzt der Klinik für Hämatologie und Onkologie am EvK Witten. Foto: EvK
Dr. med. Christoph Hackmann ist Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie und internistische Onkologie und Palliativmedizin. Er ist Chefarzt der Klinik für Hämatologie und Onkologie am Evangelischen Krankenhaus in Witten. IMAGE hat mit ihm über das Thema Krebs gesprochen.
IMAGE: Was bedeutet die Diagnose Krebs?
HACKMANN: Krebs ist eine Erkrankung der körpereigenen Zellen. Das Erbmaterial dieser Zellen verändert sich oder es wird falsch abgelesen. Es gibt viele verschiedene Krebsarten mit völlig unterschiedlichen Aussichten auf Heilungserfolg und Krankheitsverlauf. Zu den häufigsten Erkrankungen gehören neben Krebs der Brust die Prostata und der Darm. Die Krebserkrankungen nehmen mit 230.000 Todesfällen pro Jahr in Deutschland nach den Herz-Kreislauf-Krankheiten den zweiten Platz ein. Weltweit steigt die Zahl dieser Erkrankungen permanent an, weil die Lebenserwartung steigt und eine Krebserkrankung mit zunehmendem Alter wahrscheinlicher wird. Bei jeder Zellteilung wird die Erbsubstanz verdoppelt und auf zwei Tochterzellen verteilt. Dabei kann es zu Fehlern kommen. Ebenso können beim normalen Zellstoffwechsel Fehler entstehen. Je älter ein Mensch wird, desto größer wird das Risiko, dass solche Fehler eine Krebserkrankung auslösen können. Hinzu kommen außerdem Risikofaktoren, die Krebs begünstigen können. Dazu gehören eine genetische Veranlagung sowie eine ungesunde Lebensweise mit Übergewicht, Bewegungsmangel, Alkohol oder Rauchen. Zu berücksichtigen sind auch krebsauslösende Krankheitserreger sowie Einflüsse aus der Umwelt wie chemische Substanzen oder Strahlung. Wichtig ist es aber zu wissen, dass die moderne Medizin viele Vorsorge- und Therapiemöglichkeiten bereit hält.
IMAGE: Welche Krebserkrankungen werden im Evangelischen Krankenhaus in Witten behandelt?
HACKMANN: Das Leistungsspektrum umfasst die Diagnostik und Therapie aller gut- und bösartigen Erkrankungen des Blutes, bösartiger Erkrankungen des lymphatischen Systems sowie sämtlicher Krebserkrankungen. Ein Schwerpunkt liegt auf den Tumorerkrankungen der Lunge, des Gastrointestinaltrakts, der urologischen Tumorerkrankungen sowie der recht großen Schnittmenge, die wir gemeinsam mit den Kollegen der Strahlentherapie kombiniert radio-chemotherapieren (z.B. Kopf-Hals-Tumore, Glioblastome u.a.). Des Weiteren besteht eine Kooperation mit dem Thoraxzentrum Ruhrgebiet in der Diagnostik und operativen Therapie von Tumorerkrankungen der Lunge. In regelmäßigen Tumorkonferenzen legen wir gemeinsam die Behandlungsziele fest, um dem Patienten eine ganzheitliche Behandlung zu ermöglichen.
IMAGE: Hautkrebs steht bei den Krebsarten bei Frauen an 7. Stelle, bei Männern an 9. Stelle. Welche Hauttumore gibt es?
HACKMANN: Unter den rund 230.000 Todesfällen bei einer Krebs–erkrankung in Deutschland sterben etwa knapp 4000 von ihnen an Hautkrebs. Pro Jahr erkranken in Deutschland rund 500.000 Menschen an Krebs, darunter etwa 225.000 Menschen an Hautkrebs. Wir unterscheiden dabei verschiedene Hauttumore. Die drei häufigsten sind: das maligne Melanom, auch „schwarzer Hautkrebs“ genannt. Er ist die bösartigste und tödlichste Form und entsteht in der Regel durch zu starke Sonneneinstrahlung. Die ultraviolette Strahlung (UV-Strahlung) ist ein natürlicher Teil der Sonnenstrahlung und wird auch künstlich in Solarien eingesetzt. Je mehr UV-Strahlung ein Mensch im Laufe des Lebens ausgesetzt ist, umso stärker steigt das Risiko, später an Hautkrebs zu erkranken. Aber auch jeder Sonnenbrand schädigt die Haut und steigert das Risiko.
Das Basalzellkarzinom wird auch als „weißer Hautkrebs“ bezeichnet. Rund 80 Prozent der Tumore befinden sich im Kopf-und-Hals-Bereich. Ursächlich verantwortlich ist auch hier häufig eine zu starke Sonneneinstrahlung. Schließlich haben wir noch das Plattenepithelkarzinom oder Spinaliom. Auch diese Krebsart entsteht in sonnenexponierten Lagen, bildet aber selten Metastasen. Selbstverständlich hat die Sonne auch positive Effekte. Sie verbessert das psychische und geistige Leistungsvermögen und regt die Bildung von Vitamin D an. Wichtig ist es aber, sich nicht über einen längeren Zeitraum ungeschützt der Sonneneinstrahlung auszusetzen. Wie lange man in der Sonne bleiben darf, ist abhängig vom Hauttyp. Auch müssen Menschen mit Vorerkrankungen oder vielen Leberflecken (Muttermalen) sowie Babys und Kleinkinder besonders vorsichtig sein.
IMAGE: Wissenschaftler schlagen aufgrund des Klimawandels und der stärkeren Sonneneinstrahlung schon lange Alarm. Wie erkennt man Hautkrebs und wie kann man vorbeugen?
HACKMANN: Zunächst einmal sollte man den längeren Aufenthalt in starker Sonneneinstrahlung vermeiden. Wo das nicht möglich ist, sollte man auf Sonnenschutz achten in Form von Kleidung oder Schutzmitteln. Solarien gilt es grundsätzlich zu meiden. Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren ist in Deutschland der Besuch von Solarien sogar gesetzlich verboten. Hautkrebs und seine Vorstufen sind sicht- und tastbar. Deshalb sollte man sich regelmäßig selbst untersuchen, wo neue Hautveränderungen aufgetreten oder vorhandene Leberflecken gewachsen sind. Bei der Untersuchung von Leberflecken hilft die ABCDE-Regel. Asymmetrie, Begrenzung, Colour - also Farbe - sowie der Durchmesser und die Erhabenheit über dem normalen Hautniveau können Hinweise auf einen Tumor geben. Bei Veränderungen sollte man in jedem Fall einen Arzt hinzuziehen. Außerdem haben gesetzlich Versicherte ab dem 35. Lebensjahr alle zwei Jahre Anspruch auf ein Hautkrebsscreening. Die Kosten werden von den Krankenkassen übernommen, die Untersuchung dauert etwa 20 Minuten und wird von Fachärzten durchgeführt. Ergibt sich ein auffälliger Befund, werden weitere Untersuchungen veranlasst.
IMAGE: Welche Therapiemöglichkeiten gibt es bei Hautkrebs?
HACKMANN: Basalzellkarzinome (=Basaliome) und Plattenepithelkarzinome werden in erster Linie operiert und damit oft geheilt. Je nach Lage und Größe kommen auch verschiedene andere lokale Maßnahmen in Betracht. Basaliome metastasieren zudem in der Regel nicht. Bei lokalisierten, d.h. nicht metastasierten Befunden vom malignen Melanom ist zunächst die Operation mit ausreichendem Sicherheitsabstand entscheidend. Je nach Stadium kann eine ergänzende medikamentöse Behandlung, zum Beispiel mit einer Immuntherapie erforderlich sein. Im Falle einer metastasierten Erkrankung ist zu prüfen, ob eine Operation inklusive der Metastasen durchführbar und sinnvoll ist. In der metastasierten Situation hat seit vielen Jahren die Immuntherapie einen großen Stellenwert, neben der Möglichkeit einer zielgerichteten Behandlung mit Tabletten bei Vorliegen bestimmter genetischer Veränderungen im Tumorgewebe (sog. BRAF-Mutation). Die klassische Chemotherapie ist durch die neuen Therapiemöglichkeiten sehr zurückgedrängt worden. Das Prozedere sollte durch alle beteiligten Fachdisziplinen vor Therapiebeginn in einer Tumorkonferenz festgelegt und mit dem Patienten besprochen werden.anja