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Hattingen

Hauptsache, es gibt Futter und ganz viele Streicheleinheiten

Doch 2024 war für die beiden Hobbyschafzüchter Burkhardt Pfläging und Iris Behrens nicht einfach.

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Burkhardt Pfläging und seine Frau Iris Behrens.

Schafe sind schlau, sozial und Vegetarier. Sie gehen zu ihrem Futter, schlafen wenig und können bis zu 15 Jahre alt werden. Studien belegen, dass die Tiere sich Gesichter ihrer Artgenossen und Menschengesichter über einen längeren Zeitraum merken können. Der gebürtige Hattinger Burkhardt Pfläging (aber seit vielen Jahren Sprockhöveler!) und seine Frau Iris Behrens halten seit 2013 Schafe. Und Iris Behrens ist Herdbuchzüchterin und eine beim Schafzuchtverband eingetragene Moorschnucken-Züchterin, eine seltene vom Aussterben bedrohte Rasse. In Hattingen leben die Tiere in einer Herde mit Kamerunschafen. Zusammen rund siebzig Tiere.
Burkhardt Pfläging hatte mit Schafen vorher gar nichts am Hut. „Eigentlich wollte ich Tierarzt werden, ich hatte einen Studienplatz in Pisa. Bei der Überlegung, wie das Studium zu finanzieren sei, kam ich auf meine Musik, denn ich spiele seit meinem siebten Lebensjahr Geige. Tja, und irgendwie hat mich die Musik dann richtig gepackt und sie bestimmt seit vielen Jahren meinen beruflichen Alltag.“ Pfläging ist Orchestergeschäftsführer vom Sinfonieorchester Wuppertal. „2012 haben wir von meinen Eltern eine Weide geerbt und mit fünf Schafen angefangen – wir dachten, dann hätten wir keine Arbeit mit der Weide. Finde den Fehler“, lacht er. Mittlerweile hat er eine Zertifizierung für Schafschur und eine zum Betäuben und Töten von Kleinwiederkäuern erworben – um im äußersten Notfall Tiere erlösen zu können.
Im Herbst kommen die Böcke zu den Weibchen und nach einer Tragezeit von etwa fünf Monaten werden im Frühling um Ostern herum die Lämmer geboren. Sind sie auf der Welt, hört man häufig Blöken. So verständigen sich Mutter und Kind. „Weltweit gibt es aber nur noch rund 3000 Moorschnuckenmutterschafe und auch die Böcke sind selten geworden. Daher werden auch nicht mehr so viele Lämmer dieser Rasse geboren“, so Iris Behrens. Das Jahr 2024 sollte für die Hobbyschafzüchterin besonders bitter werden, denn nicht jedes ihrer Lämmchen überlebte. „Ursache ist der Hundekot, der auf den Wiesen liegt und mit dem Gras zu Heu trocknet. Hunde scheiden die Eier des mikroskopisch kleinen Erregers Neospora caninum massenhaft mit dem Kot aus. Im Freien werden diese Eier dann nach wenigen Tagen ansteckend und können auf Weiden monatelang – bis zu 2 Jahre –überleben und somit auch infektiös bleiben. Über die Weide oder Heu werden die Erreger aufgenommen. Die Lämmchen gingen zunächst normal an die Zitze, verstarben aber kurze Zeit später“, sagt sie. Hier könnte man Abhilfe schaffen – wenn die Hundebesitzer den Kot der Tiere auch auf den Weiden aufsammeln oder ihre Hunde gar nicht erst auf die Weide lassen würden.
Der Tod der Lämmchen sollte erst der Anfang sein. „Danach kam die Blauzungenkrankheit. Wir haben auch rund zwanzig kranke Tiere in der Herde gehabt. Die Krankheit wird durch Mücken übertragen und es gab zunächst überhaupt keinen zugelassenen Impfstoff. Dann kam die Notzulassung und wir konnten die Tiere schnell impfen lassen. Doch die Impfung schützt nicht zwingend vor jeder Ansteckung. Wir haben viel Zeit mit den Tieren verbracht und sie gefüttert und gepäppelt. So haben bis auf ein Tier alle überlebt“, ergänzt Burkhardt Pfläging. Fragen und Sorgen gibt es aber noch viele. Wie hat sich die Krankheit auf die Fruchtbarkeit der Muttertiere ausgewirkt? Das wird man wohl erst im nächsten Frühjahr wissen.
„Viele Züchter haben mittlerweile aufgegeben oder reduzieren den Tierbestand. Auch die negativen Erfahrungen mit dem Wolf sind ein Grund dafür. Damit haben wir zum Glück noch keine Probleme, aber leicht war das Jahr 2024 bis jetzt nicht. Trotzdem: ans Aufgeben haben wir nie gedacht. Eigentlich haben wir in unseren Berufen genug Arbeit, aber die Beschäftigung mit den Tieren ist perfekt zum Runterkommen“, sagen beide überzeugt. Sie lieben ihre Tiere - und haben deshalb in diesem Jahr auch nur eine knappe Woche Urlaub gemacht. In dieser Zeit hütete die Familie die Herde.

Tiergestützte Therapie
Das Runterkommen durch Schafe nutzt Iris Behrens auch bei der tiergestützten Therapie. Die Gesundheits- und Krankenpflegerin sowie Fachkraft für Tiergestützte Therapie und Interventionen hat gute Erfahrungen mit dem freundlichen Wesen der Schafe gemacht, wenn es um Menschen mit Handicap geht oder um Menschen, die Vertrauen aufbauen müssen. „Schafe sind Herden- und Fluchttiere. Sie können den Menschen ein Gefühl von Zusammengehörigkeit und Teamgeist vermitteln. Der Kontakt zu einer lebendigen Welt in der Natur inspiriert. Vertrauen, überlegte und ruhige Bewegungen führen den Menschen in den Kontakt mit dem Tier. Ich habe es erlebt, dass zum Beispiel Menschen mit einer Spastik plötzlich ihre Hände öffnen konnten, weil sie die Tiere streicheln wollten.“ Unter behrens.tiergestützt@web.de kann man zu Iris Behrens Kontakt aufnehmen.
Und manchmal sind die Schafe nicht nur die Stars auf der Wiese, sondern auch auf der Bühne. Auch in diesem Jahr waren zwei von ihnen beim Tanztheater Pina Bausch am Start. Lili (auf dem Foto oben rechts) und Ada, beide acht Jahre alt, wurden begleitet von Ida und Alma, jeweils sechs Jahre alt. Schafe sind Herdentiere und gerne mit anderen zusammen. Der Aufenthalt auf der Bühne war nur ein kurzer Moment, aber für die Zuschauer schon besonders. Wer von der Schafherde auf der Weide umringt wird, der erlebt besondere Momente mit diesen schlauen Wesen immer wieder. anja