Zum Ende 2022 muss die Hattinger Tafel die Räume an der Nordstraße verlassen - wohin jetzt?
Seit 2003 versorgt die Hattinger Tafel Bürger und Bürgerinnen der Stadt mit Lebensmitteln. Pro Monat werden zwischen 600 und 800 Haushalte bedient. Nach Räumlichkeiten an der Bredenscheider Straße und einem kurzen Intermezzo im Evangelischen Krankenhaus Hattingen befindet sich die Hauptausgabestelle seit 2008 an der Nordstraße. Doch jetzt erhielt das „soziale Gewissen“ der Stadt Hattingen die schriftliche Kündigung zum 31. Dezember 2022. Nach 14 Jahren muss die Einrichtung neue Räume finden, um die Arbeit weiterführen zu können.
Vorsitzende Anja Werning und Geschäftsführer Jürgen Sotzek – übrigens der Einzige, der hauptamtlich bei der Hattinger Tafel arbeitet – erklären: „Wir finanzieren uns eigenständig und mit Hilfe unserer Sponsoren. Wenn Lebensmittel ausbleiben, wenn Gelder wegbrechen, dann müssen wir jedesmal sehen, wie wir das ausgleichen können. Bisher haben wir das auch in der Corona-Pandemie immer geschafft. Unsere Arbeit funktioniert aber nur, wenn wir Räumlichkeiten haben. Jetzt wurde uns unsere Hauptausgabenstelle an der Nordstraße gekündigt und wir brauchen dringend Ersatz.“
Gesucht: Neue Räume
Montag, Mittwoch und Freitag, jeweils ab 11.30 Uhr, werden an der Nordstraße gespendete Lebensmittel ausgegeben. „Die Ausgabe muss an einem zentralen Ort erfolgen, den die Menschen gut erreichen können. Außerdem brauchen wir Lagerräume für die Lebensmittel, Anschlüsse für Wasser und Strom, damit wir beispielsweise die Produkte kühlen können und Platz für ein kleines Büro sowie sanitäre Anlagen. 100 Quadratmeter müssen es sein“, überlegt Anja Werning. Miete zahlt der gemeinnützige Verein auch an der Nordstraße – allerdings in einem mittleren dreistelligen Bereich. „Wir können uns nicht so viel leisten. Die Spenden, die wir bekommen, gehen natürlich in den Verein. Wir müssen aber auch ein Fahrzeug unterhalten“, gibt sie zu bedenken.
Knapp ein Jahr hat der Verein Zeit, um neue Räume zu finden. Dabei hofft man auf Ideen langjähriger Unterstützer und Sponsoren oder der Stadt Hattingen. Was nicht infrage kommt, sind Räume, die weit außerhalb liegen oder stark sanierungsbedürftig sind – dazu fehlen dem Verein schlicht Geld und Manpower. Die Hattinger Tafel erhalten – das wollen Werning und Sotzek unbedingt. Seit 16 Jahren ist Jürgen Sotzek der Geschäftsführer der Hattinger Tafel. Die Situation in der Corona-Pandemie hat die Arbeit nicht leichter gemacht. „Viele unserer Kunden trauen sich nicht mehr aus dem Haus. Einen Lieferservice können wir nicht anbieten. Wir haben nur ein Fahrzeug, welches zur Abholung der Lebensmittelspenden im Einsatz ist. Was aber möglich ist: Unsere Kunden haben eine Nachweiskarte von der Hattinger Tafel und wenn andere Personen diese Karte mitbringen, also beispielsweise Familienmitglieder oder Nachbarn oder Freunde, dann können diese natürlich für die Betroffenen bei uns die Lebensmittel abholen“, erklärt Jürgen Sotzek das Prozedere.
Fast zwanzig Jahre sorgt die Hattinger Tafel dafür, dass in der alten Hansestadt an der Ruhr Menschen Hilfe bekommen. Die gemeinnützige Einrichtung war und ist dabei immer auf Unterstützung angewiesen, um selbst helfen zu können. Benefizaktionen hat es gegeben und regelmäßige Unterstützer. Dazu gehören beispielsweise Architekt Peter M.H. Damm und seine Frau oder die hwg. Ein Hattinger Fitness-Studio und ein Hattinger Stadtprinzenpaar reihen sich in die Riege der Unterstützer ein.
Anerkannt wird die Arbeit der Hattinger Tafel von vielen Menschen. 2012 von höchster Stelle – Anja Werning, Vorsitzende der Hattinger Tafel, durfte sich über eine besondere Einladung freuen. Sie gehörte zu den 4000 geladenen Gästen, die als Ehrenamtliche in Schloss Bellevue in Berlin beim Fest des Bundespräsidenten Joachim Gauck dabei war. Jetzt hofft die Tafel auf Hilfe bei der Suche nach neuen Räumen, damit das soziale Gewissen der Stadt weitermachen kann. anja