Zusammen mit Thomas Weiß, Stadtarchivar in Hattingen, schlägt IMAGE regelmäßig ein historisches Kapitel der Stadt auf. Diesmal geht es um ein Hattinger Wahrzeichen.
Seit 25 Jahren stehen die Eisenmänner an der Stadtmauer und sorgten für viel Empörung...
Seit 25 Jahren stehen die Eisenmänner an der Hattinger Stadtmauer. Gerade in den neunziger Jahren sorgten sie mit ihrer Nacktheit für viel Aufregung und wurden gern einmal verhüllt.
Die umstrittenen Drillinge kamen 1996 zum Hattinger Stadtjubiläum erstmalig in die Hansestadt. Die Männer aus Eisen wurden von dem polnischen Bildhauer Zbigniew Fraczkiewicz erschaffen und von der damaligen Vorsitzenden des Hattinger Kunstvereines, Ulla Rauh-Beyer, nach Hattingen geholt. Die 2,40 Meter großen Kolosse mit gußeisernem Verstand und verrosteten Muskeln sorgten für viel Aufregung.
Für den polnischen Künstler und die Kunstinitiative Hattingen waren die Schwergewichte damals ein Ausdruck zwischen Tradition und Avantgarde. Sie symbolisierten die lange Stahlgeschichte der Stadt Hattingen und sollten für immer daran erinnern. Zum Stadtjubiläum 1996 standen 15 von ihnen zunächst im Gewerbe- und Landschaftspark Henrichshütte und nur einer erhielt seinen Platz an der Hattinger Stadtmauer. Einer der Kolosse büßte sofort seine Männlichkeit ein und erhielt einen bronzefarbenen Ersatz. Bereits im Juni 1996 hing am besten Stück einer Skulptur ein Gedicht: „Die Damenwelt sieht mit Verdruß, daß bestimmt beim nächsten Regenguß, man das edle Teil entrosten muss...“
Überhaupt diskutierte man eigentlich weniger über die Figuren als solches als vielmehr über ihre Nacktheit und eben das, was man dort bei den in Reih und Glied stehenden Skulpturen ganz offensichtlich in Augenschein nahm. Und nicht nur das: zwei weitere Skulpturen wurden ebenfalls entmannt. Die Frage, wann der Mann ein Mann ist, entbrannte und nicht zuletzt kochte die Entrüstung hoch, ob das denn überhaupt alles sein müsse.
Dabei ging es zum einen um die Frage, ob einige Skulpturen dauerhaft ihre Heimat in Hattingen finden sollten und zum anderen um den Standort an der Stadtmauer – offensichtlich ein Eingangstor in die Stadt, an dem viele Kinder und Jugendliche vorbeizogen. Es bewegte die Frage nach einer dadurch verstörten Jugend. Es schockierte die Nacktheit so sehr, dass man immer wieder Kleidungsstücke in Nacht- und Nebel-Aktionen um die besten Teile der Figuren wandt. So wie die entblößte Brust der „Hattingia“ auf dem Kirchplatz, so war das männliche Prachtexemplar ein Stein des Anstoßes. Natürlich nicht bei jedem, aber die Aufregung war groß.
Die Volksbank schließlich kaufte den ersten Eisenmann für damals 20.000 DM und sicherte den dauerhaften Verbleib an der Stadtmauer.
Die Debatten rissen nicht ab: Während die einen den Sinn der Geldausgabe mehr als in Frage stellten und in den Figuren selbst nur ein Sinnbild der Erstarrung sahen, freuten sich andere über die lebhafte Debatte über Kunst im öffentlichen Raum. Der Künstler selbst überließ der Stadt in Kommission zwei weitere Skulpturen. So standen nun die vieldiskutierten Drillinge an der Stadtmauer ihren Mann, wurden vom Ausländerbeirat als „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ gescholten, bekamen Schilder umgehängt mit der Aufschrift „Weg mit diesem Misthaufen“. Im August 1997 war der zweite Eisenmann aufgrund von Spenden und Sponsoren dennoch bezahlt.
Durch eine weitere Großspende des Bauunternehmers Schack wurde schließlich auch die dritte Skulptur finanziert.
Die Eisenmänner wurden immer stärker ein prägendes Element im Stadtbild. Und sie wurden buchstäblich Kunst zum Anfassen. Zahlreiche Fotos von Einheimischen und Touristen, die ihre Hand an die sensible und viel diskutierte Stelle legen (Männer sogar mit nacktem Oberkörper), gibt es. Nicht ganz so spektakulär mag da der „Kleine Eisenmann“ sein, der als Skulptur vom gleichen Künstler vor dem Alten Rathaus als Idee 1998 initiiert und 2005 dann endlich feierlich eingeweiht wurde.
Und weil hier zusammengeschraubte Einzelteile keine Rolle spielen, wurde er auch nie seiner Männlichkeit beraubt.
Im September 1998 wurden die Eisenmänner sogar Werbeträger für das Potenzmittel Viagra. Doch die berühmte blaue Pille zwischen den Lippen blieb bei den Eisenkolossen folgenlos. Das Fernsehen kam natürlich auch.
Der angeblich zur Schau getragene sexuelle Exhibitionismus regt heute niemanden mehr auf. Im Gegenteil weitere acht der eisernen Gesellen fanden 2019 den Weg nach Hattingen und sollen ihren Platz finden im Gewerbe- und Landschaftspark Henrichshütte.
Heute sind die eisernen Drillinge an der Stadtmauer für viele Touristen ein magischer Anziehungspunkt.