Der erste Gedanke: abreißen wäre einfacher, aber...
Günnemann Kotten soll Begnungsstätte werden – Marc Junge (re.) erläutert die Visionen seines Vereins (links: SPD-ler Robert Beckmann und Ralf Kapschak).
Seit mehr als 350 Jahren steht der Günnemann Kotten an der Brunebecker Straße 98 in Rüdinghausen, aber gut zu finden ist das älteste noch erhaltene Gebäude des Ortteils wahrlich nicht. Der ehemalige Bauernhof liegt versteckt hinter Bäumen und Büschen und ist, vorsichtig gesagt, in einem renovierungswürdigen Zustand. Der erste Gedanke: abreißen wäre einfacher. Um den alten Kotten, dessen Name auf den Kauf des damaligen Pächters Bernhard Heinrich Günnemann im Jahre 1818 für damals 1300 Taler zurückgeht, dennoch wieder ins Leben zurückzuholen, bedarf es sicher einer gehörigen Portion Idealismus – und einer Vision.
Beides hatte Marc Junge. Die letzte Bewohnerin Erna Wortmann hatte der 59-Jährige noch kennengelernt. Als sie auszog, war offen, was aus dem 1668 gebauten ursprünglich stattlichen Fachwerk-Gebäude wird. Marc Junge wollte sich kümmern und fand schnell Gleichgesinnte.
Motto „global lokal“
Bereits vor 20 Jahren gründete die Gruppe den gemeinnützigen Verein „Günnemann-Kotten“ e.V. mit dem Ziel, Gebäude und Grundstück als Kulturerbe der spezifischen bäuerlichen Prägung der Gemeinde Rüdinghausen zu erhalten. Wie Marc Junge, der dem Verein als Vorsitzender vorsteht, berichtet, gelang es seinem Verein in einem aufwändigen Verfahren, den Kotten zu ersteigern. Das Geld für den Kauf kam weitgehend von ortsansässigen Spendern.
Die Vision der Gruppe: Der Kotten soll in Zeiten der großen globalen Themen wie Klimaschutz und augenblicklich Corona das Lokale stärken. „Wir möchten zeigen, wie die Menschen vom 17. Jahrhundert bis heute mit den Problemen der jeweiligen Zeit zurecht gekommen sind. Der Günnemann Kotten soll daher kein Ort der Idylle werden, sondern eine Begegnungs- und Kommunikationsstätte, wo wir Themen wie Geschichte, Natur und Klima ansprechen und diskutieren können.“ Ein Aspekt wird dabei die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Zeit sein, auch da sich auf dem Grundstück ein von Zwangsarbeitern gebauter Bunker befindet. Im Kräuter- und Nutzgarten sollen auch Kleintiere wie Ziegen, Enten, Hühner und Bienen gehalten werden. Die Erträge werden dann im Sinne eines Kreislaufsystems selbst verwertet.
Alle packen mit an
Bis dahin ist es sicher noch ein weiter Weg. Marc Junge ist jedoch zuversichtlich: „Das Schöne ist, dass alle mit anpacken.“ So erstellte ein Architekt ehrenamtlich die Zeichnungen und Planungen für den Erhalt des Gebäudes. Studenten visualisierten das Konzept in einer Projektarbeit.
Der Kauf war das eine, das andere sind die Kosten für die Bauarbeiten und die Renaturierung des Gartens, die im hohen sechsstelligen Bereich veranschlagt werden. Angetan von der Idee war auch SPD-Bundestagsabgeordneter Ralf Kapschak. Er unterstütze einen Antrag auf Fördermittel des Denkmal-Sonderprogramms der Bundes. Heraus kam eine Zusage über 350.000 Euro. Bundesweit bekamen nur 200 Anträge grünes Licht. Die Hoffnung ist groß, dass diese Zusage gleichzeitig eine Signalwirkung auf weitere Fördermittel aus Quellen wie der NRW-Stiftung erzeugt.
Der Startschuss für die Arbeiten soll im Frühling 2021 fallen. Begonnen wird mit der Erneuerung der Ostwand.