IMAGE hat den Facharzt Christoph Brüggenolte vom Ev. Krankenhaus in Witten gefragt.
Christoph Brüggenolte, Facharzt für Innere Medizin am EvK Witten.Foto: EvK Witten
Wer in das Schlaflabor des Ev. Krankenhauses in Witten aufgenommen wird, hat bereits eine Vordiagnose seiner Schlafstörungen erhalten. Oft liegt der Verdacht nahe, dass eine gravierende Erkrankung vorliegt, die sich durch andauernde Atmungsaussetzer in der Nacht bemerkbar macht. In dem 2016 eröffneten Schlaflabor der Klinik stehen sechs Plätze für die sogenannte Polysomnographie zur Verfügung - eine Untersuchung des Schlafes mit Messfühlern, die verschiedene Aspekte aufzeichnen - beispielsweise die Hirnströme, die Augenbewegungen, Atemfluss und Atembewegung und die arterielle Sauerstoffsättigung. So erhält man ein Schlafprofil des Patienten.
IMAGE: Was bedeutet „guter Schlaf“ und warum ist er so wichtig?
BRÜGGENOLTE: Der Schlaf ist gekennzeichnet durch verschiedene Schlafstadien, in denen das Zentralnervensystem und verschiedene Körperfunktionen entsprechend aktiv beziehungsweise weniger aktiv sind, um so Erholung und Regeneration im Schlaf zu ermöglichen. In einer dieser Schlafstadien bewegt der Schläfer seine Augen unter den geschlossenen Lidern schnell hin und her. Wir sprechen deshalb von REM-Schlaf (von engl. rapid eye movement). In diesem Stadium träumen wir besonders lebhaft. Die anderen Stadien sind Einschlaf-, Leichtschlaf- und Tiefschlafphasen, die sich mit dem REM-Schlaf mehrmals in der Nacht ablösen.
Alles, was das Zusammenspiel der verschiedenen Schlafstadien beeinflusst, stört unseren natürlichen Schlafrhythmus. Wir müssen aber gesund schlafen, damit Körper und Geist sich erholen können. Dauerhafter Schlafentzug macht uns krank.
IMAGE: Welche Patienten kommen in das Schlaflabor und warum?
BRÜGGENOLTE: Viele Menschen leiden unter Schlafstörungen. Dazu gehören zum Beispiel Einschlafstörungen, nicht durchschlafen können, aber auch schnarchen, was alles zu erhöhter Tagesmüdigkeit führen kann. Dauerhafter Schlafmangel hat erhebliche gesundheitliche Folgen. Deshalb muss man den Ursachen auf den Grund gehen. In manchen Fällen geschieht dies nach einer Vordiagnose im Schlaflabor. Hier können wir beispielsweise ein obstruktives Schlafapnoesyndrom abklären. Das ist eine gefährliche organische Erkrankung, die behandelt werden muss. Was ist das genau? Im Schlaf kommt es zu einer Erschlaffung der Muskulatur im Schlundbereich. Der Atemweg wird durch die Spannung der Muskulatur offen gehalten. Erschlafft diese nur leicht, kann es zu Schnarchgeräuschen kommen. Erschlafft sie zu stark, kann der Atemweg durch Halsweichteile verschlossen werden. Dann gelangt keine Luft mehr in die Lunge und damit kein Sauerstoff ins Blut. Der Körper reagiert mit der Produktion von Stresshormonen und diese führen zu Weckreaktionen, die der Mensch in der Regel aber nur im Unterbewusstsein wahrnimmt. Kommt es aber sehr häufig zu diesen Atempausen mit nachfolgenden Weckreaktionen, dann wird der Schlafrhythmus nachhaltig gestört und es kann zu ernsthaften Folgeerkrankungen kommen.
Ein weiteres Beispiel ist das Restless-legs-Syndrom, welches sich durch unwillkürliche Beinbewegungen kennzeichnet, welche vor allem vor dem Einschlafen oder beim Einschlafen auftreten können. Durch Bewegen der Beine und Umhergehen lassen sich Kribbeln und Schmerzen in den Beinen meist mildern, doch der damit verbundene Bewegungsdrang erschwert nicht nur das Einschlafen, sondern zwingt die Betroffenen auch nachts immer wieder aufzustehen. Der Tiefschlafanteil und REM-Schlaf ist verkürzt oder entfällt und ausgeprägte Tagesmüdigkeit, Konzentrations- und Leistungsstörungen sind die Folge.
IMAGE: Und was passiert im Schlaflabor?
BRÜGGENOLTE: Nun, der Patient kommt in der Regel für zwei Nächte. In der Vordiagnose wird bei einem Verdacht auf Schlafapnoe in der Regel die sogenannte Polygraphie eingesetzt. Man erhält ein kleines Gerät mit verschiedenen Messfühlern, das im eigenem Bett im Schlaf aufzeichnet, ob Schnarchen und Atempausen bestehen, in welcher Ausprägung und Körperposition und wie sich die nächtlichen Sauerstoffwerte verhalten. Dies wird am nächsten Tag ausgewertet.
Wenn sich der Verdacht erhärtet, wird mit Hilfe der Polysomnographie der Schlaf des Patienten im Schlaflabor untersucht. Es besteht grundsätzlich die Möglichkeit, diese Untersuchung ambulant oder stationär durchzuführen. Dies wird abhängig von der aktuellen Situation des Patienten und des Krankheitsbildes entschieden.
Bestätigen die Messungen den Anfangsverdacht einer Schlafapnoe, sollte eine Therapie in Angriff genommen werden. Die Lunge wird nicht mehr ausreichend mit Luft versorgt. Unbehandelt verstärkt die Schlafapnoe das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall.
IMAGE: Welche Therapien gibt es überhaupt?
BRÜGGENOLTE: Eine Therapieoption beim obstruktivem Schlafapnoesyndrom ist die sogenannte Überdruckbeatmung. Hier wird von einem kleinen Gerät über einen Schlauch und eine Maske, die in der Regel über der Nase oder über Mund und Nase sitzt, ein leicht erhöhter Druck in den Schlundbereich abgegeben, damit die Halsweichteile
die äußeren Atemwege nicht verschließen. Der benötigte Druck kann für jeden Patienten individuell angepasst werden. Das ist eine Therapie, mit der die meisten Menschen gut zu Recht kommen. Sie müssen sie allerdings lebenslänglich anwenden, sonst kommt es wieder zu den anfangs dargestellten Symptomen.
Liegen körperliche Fehlbildungen oder Veränderungen des Hals-Nasen-Ohren-Bereichs vor, so können in einigen Fällen operative Eingriffe Abhilfe schaffen.
In Deutschland sind je nach Studienlage ca. drei bis sieben Prozent der Männer und zwei bis fünf Prozent der Frauen erkrankt. Die Zahl der erkrankten Menschen steigt jedoch, da einer der Hauptrisikofaktoren, nämlich das Übergewicht, auch zunimmt.
Grundsätzlich schauen wir bei Schlafstörungen auch immer auf die Lebensgewohnheiten des Patienten. Manchmal lässt sich hier einiges
verbessern und auch sportliche Aktivitäten können unter Umständen Linderung bringen.
IMAGE: Kann man selbst etwas tun, damit man nicht erst erkrankt?
BRÜGGENOLTE: Man kann für eine gute Schlafhygiene sorgen, Übergewicht vermeiden und eine gesunde Ernährung zum Alltag machen. Zwei Stunden vor dem zu Bett gehen sollte kein Alkohol mehr getrunken werden. Alkohol hat eine entspannende Wirkung auf die Muskulatur und kann dazu führen, dass die Muskulatur der oberen Atemwege stärker erschlafft als normal. Auch zu spätes Essen ist nicht ratsam. Seitliches Schlafen kann sinnvoll sein.
Sind die Schlafstörungen Teil einer Grunderkrankung, so muss natürlich diese Erkrankung in den Blick genommen werden. Der Griff zur Schlaftablette ist jedenfalls selten eine geeignete Lösung.anja