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Hattingen

Gartenstadt Hüttenau zwischen Tradition und Moderne

Über 100 Jahre alt ist die Wohnungsbaugenossenschaft Gartenstadt Hüttenau. Sie besitzt knapp 1200 Genossenschaftswohnungen vor allem in den Stadtteilen Welper, Holthausen, Blankenstein sowie in der Innenstadt. IMAGE sprach mit Roland Himmel vom Vorstand.

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Roland Himmel, Vorstand Gartenstadt Hüttenau, mit einem Teil der Materialien, die bei der neuen Geschäftsstelle „Am Haidchen 49“ zum Einsatz kommen könnten. Zusammen mit neuen Mietobjekten plant die Genossenschaft hier einen Beitrag zur Weiterentwicklung von Welper. Der Umzug ist für Ende 2021 geplant.

IMAGE: Vor über 100 Jahren hat die Geschichte der Gartenstadt Hüttenau begonnen. Wie hat damals alles angefangen?
HIMMEL: Die Arbeitersiedlung im heutigen Stadtteil Welper geht auf die Gründungsversammlung am 31. Oktober 1909 zurück. Sie lehnte sich an Ideen der Sozialreformen in Großbritannien und an das Gartenstadt-Konzept an. Mit der Gartenstadt eng verbunden ist der Name von Karl Thiel. Er war Amtmann und Erster Bürgermeister in Blankenstein und rief 1909 zur Gründung der Baugenossenschaft auf. Er beauftragte den Architekten Georg Metzendorf, der seit 1908 leitender Architekt der Margarete-Krupp-Stiftung in Essen war, mit der Planung und Umsetzung einer Gartenstadt als Gegenbewegung zum Konzept der Mietskasernen. Hierbei schlossen sich die Gemeinden Blankenstein und Welper zu einer Interessengemeinschaft unter finanzieller Beteiligung der Firma Henschel (Henrichshütte) zusammen. So entstanden innerhalb mehrerer Jahre insgesamt 400 Häuser mit fließendem Wasser, separatem Bad, Anschluss an Abwasserkanäle, Heizung über eine zentrale Anlage, Stromanschluss und einem größeren Garten. Insbesondere der Garten war Thiel wichtig. Die Eigenheime, viele von ihnen für die Arbeiter der Henrichshütte gedacht, wurden auf den „sonnigen Auen von Welper“ errichtet. Die Siedlung galt als vorbildlich und fand in ganz Deutschland Beachtung.

IMAGE: Heute hat sich viel verändert. Städtebaulich und stadtpolitisch zieht Welper durch den Stadtumbau West seit 2014 die Blicke auf sich. Fast acht Millionen Euro, davon über eine Million als Eigenanteil der Stadt Hattingen, fließen seit dieser Zeit in den Stadtteil, der mit der Gartenstadt Hüttenau eng verbunden ist. Wo liegen aktuell die Schwerpunkte im Unternehmen?
HIMMEL: Ein Megatrend dieser Zeit und wahrscheinlich der für die Wohnungswirtschaft mit Abstand wichtigste ist die Digitalisierung. Die Gartenstadt Hüttenau eG verwendet bereits seit den neunziger Jahren ein sog. Enterprise-Resource-Planning System, kurz ERP-System, also eine wohnungswirtschaftliche Softwarelösung zur Steuerung ihrer Geschäftsprozesse. Der größte Teil der Geschäftsanwendungen wird in einer zentralen Datenbank verarbeitet und gespeichert. 2020/2021 werden wir das System auf eine internetbasierte Anwendung umstellen. Damit sind wir sehr flexibel. Jeder Berechtigte kann von überall und zu jeder Zeit auf die Datenbank zugreifen – Mitarbeiter genauso wie Mieter. Bewohner nutzen zunehmend digitale Produkte und wünschen sich jederzeit Zugang zu relevanten Informationen. Der intensive Umgang mit Internet und cloudbasierten Anwendungen verändert die Nachfrage nach der digitalen Ausstattung in unseren Wohnungen. Dabei sind Dienstleistungen nicht eine einfache digitale Umstellung bisheriger analoger Geschäftsprozesse. Vielmehr sind damit neue Anwendungsmöglichkeiten verbunden.

IMAGE: Können Sie dazu einige Beispiele nennen? Und wie geht das zusammen mit der Kontinuität einer über 100 Jahre alten genossenschaftlichen Idee?
HIMMEL: Wir präsentieren im Bauträgergeschäft unsere Wohnungen 3-D-animiert als Rundgang durch eine virtuelle Welt, zu sehen auf mobilen Endgeräten. Wohnungsabnahmen werden digital durchgeführt mit fertigem, unterschriftsreifem Protokoll zu Ende der Abnahme. Die Welt verändert sich rasant. Wir alle sind vernetzt und damit öffentlich wie nie zuvor. Gewissheiten, Werte, Haltungen und Verhalten wandeln sich. Wohn-, Lebens- und Arbeitsformen variieren stärker als früher, werden flexibler und individueller. Wir stehen aber auch mit unser langen Geschichte für Kontinuität und Sicherheit. Eine Genossenschaft steht per se für lebenslanges Wohnen und für ein schützendes Dach über dem Kopf. Wir sind uns dieser Herausforderung bewusst. Es gilt, unsere Häuser und Wohnungen, unsere Angebote und Dienstleistungen zeitgemäß zu entwickeln, technische Möglichkeiten und digitale Chancen auszuprobieren und zu nutzen, ohne die genossenschaftliche Orientierung und Stabilität aufzugeben.

IMAGE: Sie errichten eine neue Geschäftsstelle und haben gerade den Bauantrag gestellt. Ist dieser Neubau die sichtbare Verbindung zwischen Tradition und modernen digitalen Entwicklungen?
HIMMEL: Ganz genau. Wir möchten eine neue Geschäftsstelle errichten, die in ihrer Funktionalität diese Strategie zur Veränderung nachhaltig unterstützt. Ein transparentes Gebäude mit attraktiven Begegnungsbereichen und offenen Büroräumen, Zonen zum gemeinsamen Arbeiten und Austausch sowie Rückzugsbereichen für intensive, konzentrierte Beschäftigung, aber auch zum Pausieren. Digitale Arbeitsplätze werden effizientere Geschäftsprozesse ermöglichen, diese aber auch neu gestalten und flexibilisieren, z.B. dem zeitweisen Arbeitsplatz zu Hause den Weg ebnen. Die neue Geschäftsstelle soll außerdem durch ihre hohe Aufenthaltsqualität den offenen und vertrauensvollen Umgang mit Mietern, Mitgliedern und Geschäftskunden widerspiegeln. Ihre Gestaltung wird die zeitgemäße Dienstleistungskultur der Genossenschaft auch nach außen zum Ausdruck bringen. Wenn wir den Bogen schlagen zum Beginn des Gespräches - wir sind Städter, nicht „nur“ Gartenstädter. Wir entwickeln uns und diesen Stadtteil weiter. Wir schaffen Blickachsen und Transparenz, keine starren Wände in Form von Mauern. Hinter dem Begriff Gartenstadt verbirgt sich heute viel mehr als eine von mehreren Menschen genutzte Grünfläche.

IMAGE: Welche Pläne hat die Gartenstadt für die heutige Geschäftsstelle in der Thingstraße?
HIMMEL: Nach unserem Willen soll hier eine neue Tagespflege entstehen. In jedem Fall wird es eine Nutzung im Sinne der Bürger werden.