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Gesundheit

Endoprothetik: Ein Händchen für das Handwerk

IMAGE im Gespräch mit Chefarzt Dr. Guido Rölleke, Evangelisches Krankenhaus Witten.

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Dr. Guido Rölleke ist neuer Chefarzt der Unfallchirurgie und Orthopädie am Evangelischen Krankenhaus Witten. Am EvK-Standort in Herne ist der Facharzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie bereits seit mehr als sechs Jahren Chefarzt. Seine Kenntnisse auf dem Gebiet der Implantationstechnik sorgen dafür, dass er nun gemeinsam mit seinem Team die endoprothetische Versorgung zum Wohle der Patienten und Patientinnen in Herne und Witten durchführt. Beide Häuser gehören zum Ev. Verbund Augusta Ruhr (EVA Ruhr). 
IMAGE hat mit ihm über die Versorgung mit künstlichen Knie- und Hüftgelenken gesprochen.

IMAGE: Was versteht man unter Endoprothetik? 
RÖLLEKE: Eine Endoprothese ist ein künstlicher Gelenkersatz. Man unterscheidet dabei den vollständigen Gelenkersatz und die Teil­endoprothese, die eben nur Teile eines Gelenks ersetzt. Eine Endoprothese wird dann notwendig, wenn ein zerstörtes Gelenk seine Funktion dauerhaft nicht mehr erfüllen und nur noch eingeschränkt bewegt werden kann und die konservativen Möglichkeiten nicht mehr ausreichen. Die Lebensqualität des Patienten ist deutlich eingeschränkt und er leidet unter chronischen, schubweise verlaufenden Schmerzen. Grund dafür ist fast immer eine Arthrose. Das bedeutet, es kommt zu einer Schädigung des Gelenkknorpels und in der Folge zu einer Kapselschwellung, einer Gelenkreizung und schließlich zu einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung. Die Gründe für eine Arthrose sind unterschiedlich. Sehr oft sind es Fehlstellungen, die irgendwann immer mehr Probleme machen. Die Endoprothetik ist dann das Mittel der Wahl, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgereizt sind. Wir führen hier etwa 600 endoprothetische Operationen pro Jahr durch. Mehr als die Hälfte davon betreffen das Knie, ein weiterer großer Teil die Hüfte. Schulterversorgungen sind eher selten.

IMAGE: Wie wird die Diagnose gestellt?
RÖLLEKE: Neben einer ausführlichen Anamnese, die in einem Gespräch erörtert wird, werden verschiedene Untersuchungen durchgeführt. In einer klinischen Untersuchung wird das betroffene Gelenk untersucht und auf Stabilität, Beweglichkeit und Schmerzen überprüft. Eine Röntgenuntersuchung wird immer durchgeführt, unter bestimmten Umständen kommt es außerdem zu einer Computer- oder Kernspintomographie.

IMAGE: Wann wird eine Operation notwendig?
RÖLLEKE: Es gibt Leitlinien, die vorgeben, unter welchen Umständen operiert wird. Das Beschwerdebild muss dabei zur Erkrankung passen. Es kann vorkommen, dass ein Röntgenbild ein stark beeinträchtigtes Knie oder eine Hüfte zeigt, der Patient aber noch keine Beschwerden hat. In solchen Fällen wird auch nicht operiert. Die Operation ist erst dann das Mittel der Wahl, wenn wirklich alle anderen Möglichkeiten ausscheiden. Kommt es zur operativen Versorgung, so dauert eine solche Operation etwa eine Stunde bei der Hüfte und 75 Minuten beim Knie. Die Prothese kann auf verschiedene Weise mit dem Knochen verbunden werden. Wir nutzen die Möglichkeit einer zementfreien Verankerung des künstlichen Gelenks in der Regel bei jüngeren Patienten, bei denen die Knochen noch besser sind als bei älteren Patienten. Bei ihnen greifen wir eher auf eine Knochenzementverankerung zurück. Die eingesetzten Implantate haben sich im Laufe der letzten Jahre deutlich verbessert und sie lassen sich auch besser verankern. In der Regel sind sehr kleine chirurgische Schnitte möglich – nicht ganz minimalinvasiv, aber auch nicht viel größer. Die Haltbarkeit der Implantate hat sich ebenfalls deutlich verbessert. Ein künstliches Hüftgelenk hält heute normalerweise etwa 25 Jahre, ein Kniegelenk um die zwanzig Jahre. Nach dem Einsetzen eines Gelenkersatzes dauert der stationäre Aufenthalt meist etwa eine Woche. Danach ist eine physiotherapeutische Nachbehandlung mit Mobilisationsübungen notwendig. Der Schwerpunkt der Physiotherapie liegt auf gezieltem Muskelaufbau und der Gangschulung. Mit regelmäßigen Nachuntersuchungen beim Orthopäden oder in der Klinik können mögliche Komplikationen frühzeitig erkannt werden. So wird die langfristige Funktion des künstlichen Gelenks sichergestellt.

IMAGE: Oft taucht der Vorwurf auf, es gäbe zu viele Operationen? 
RÖLLEKE: In Deutschland werden jährlich rund 400.000 künstliche Gelenke implantiert mit überdeutlichem Schwerpunkt bei Knie und Hüfte. Ausschlaggebend ist der Leidensdruck des Patienten und die Frage, ob klassische Methoden ausgereizt sind. Das sehen die aktuellen Leitlinien auch so vor. Daher kann ich für unser Haus und für meine Entscheidungen sagen, dass wir nach den Leitlinien arbeiten und daher nur dann operieren, wenn es wirklich die letzte Möglichkeit ist. Die Endoprothetik bietet aber in solchen Fällen eine hervorragende Lösung, damit die Patienten beschwerdearm werden und sich ihre Lebensqualität wieder deutlich verbessert. Das bezieht sich auf die Funktionsfähigkeit im Alltag. Wenn mir jemand sagt, er habe Einschränkungen und könne keinen Marathon mehr laufen, dann muss er es eben mit einem Halbmarathon versuchen (lacht). Das jedenfalls wäre kein Grund für die Durchführung einer Operation. Ganz außer Acht lassen dürfen wir allerdings nicht, dass viele Gründe für den künstlichen Gelenkersatz sich erst im Alter zeigen. Und wir haben eine Gesellschaft, die relativ alt ist und wird. 
IMAGE: Kann man etwas für die Gesundheit seiner Gelenke tun?
RÖLLEKE: Manche Fehlstellungen von Hüfte oder Beinen kann man frühzeitig korrigieren. Die Hüftdysplasie beispielsweise ist eine Fehlbildung der Hüftgelenkpfanne, die entweder angeboren oder erworben sein kann. Deshalb schauen beispielsweise die Kinderärzte in den frühen Vorsorgeuntersuchungen schon genau hin, um eine angeborene Hüftdysplasie erkennen und korrigieren zu können. Ein weiteres Problem für eine sich im Laufe des Lebens herausbildende Arthrose können Fehlstellungen der Beine sein, sogenannte X- oder O-Beine. Hier können Einlagen oder Orthesen helfen. 
Starke Muskeln rund um die Gelenke entlasten diese und beugen Fehlstellungen vor. Um die Gelenke zu stärken und gesund zu halten, ist eine Kombination aus regelmäßiger Bewegung, ausgewogener Ernährung und gegebenenfalls der Vermeidung von Risikofaktoren wie Übergewicht oder Rauchen wichtig. Schwimmen, Radfahren, Nordic Walking oder gelenkspezifische Gymnastik sind ideal, um die Gelenke zu bewegen, ohne sie zu überlasten. Immer ist regelmäßige Bewegung wichtig. Und die kann man oft in den Alltag integrieren. Einfach mal auf den Aufzug verzichten und stattdessen Treppen steigen. Kurze Spaziergänge in der Mittagspause und die Pause nicht sitzend zu verbringen, gehören ebenfalls dazu. Bei älteren Menschen kommt noch die Sturzprophylaxe dazu. 
Eine gesunde und ausgewogene Ernährung sowie der Verzicht auf Genussgifte wie Alkohol und Nikotin sind nicht nur für die Gelenke sinnvoll. Jedes Kilo weniger entlastet die Gelenke. Übergewicht fördert entzündliche Prozesse und kann Gelenkprobleme verschlimmern. Es ist notwendig, auf die Signale des Körpers zu hören, um möglichst lange gesund zu bleiben. von Dr. Anja Pielorz