Stationäre und ambulante Versorgung ist schon heu te am Limit – Zukunft wird schwierig werden.
Entwicklungen im Pflegebereich aufzeigen, die aktuelle Versorgungssituation bewerten und zukünftige Herausforderungen in den Bereichen Pflegeangebote und Beratungsstrukturen veranschaulichen – diese Ziele verfolgt der Ennepe-Ruhr-Kreis seit 2010 mit seiner Pflegeberichterstattung. Mit dem „Pflegebericht 2024“ hat die Kreisverwaltung jetzt eine aktualisierte Version veröffentlicht.
„Wenig überraschend prognostiziert der Bericht einen Anstieg der pflegebedürftigen Menschen und lässt auch die Folgen des demografischen Wandels, der gesellschaftlichen Veränderungen und des zunehmenden Fachkräftemangels in der Pflege nicht unerwähnt“, macht Kathrin Schmüdderich, zuständig für die Pflegekoordination und das Pflegemonitoring beim Ennepe-Ruhr-Kreis deutlich.
„Wir kombinieren unsere Ist-Analyse mit Hinweisen auf Bedarfslücken und Handlungsempfehlungen und liefern Anbieterinnen und Anbietern im Bereich Pflege damit Grundlagen, die sie bei anstehenden Entscheidungen berücksichtigen könnten und sollten. Aus unserer Sicht ein wichtiger Beitrag, um auf die Zunahme der Komplexität der pflegerischen Versorgung in den kommenden Jahren vorbereitet zu sein“, so Schmüdderich.
Zunahme der Pflegebedürftigen von 3600 auf 5000
Die demografischen Entwicklungen machen deutlich, dass die Anzahl der älteren, pflegebedürftigen und multimorbiden Menschen im Ennepe-Ruhr-Kreis weiter ansteigen wird, während gleichzeitig die Anzahl der Gesamtbevölkerung sinkt. Im Bericht heißt es: „Dies trägt dazu bei, dass sich eine Personengruppe der über 80-Jährigen herausbildet, die aufgrund ihrer Hilfebedürftigkeit einem besonderen Fokus in der Pflegebedarfsplanung bedarf. In die Zukunft gerichtet, wird dies insbesondere dann zu einer großen Herausforderung führen, wenn die Generation der sogenannten ‚Baby-Boomer’ die Altersklasse der über 80-Jährigen erreicht.”
Zu berücksichtigen sind aber auch gesellschaftliche Voraussetzungen, die die Pflegesituation erschweren. Professionelle, familiäre sowie auch die nachbarschaftlichen Hilfsangebote werden abnehmen. Oft leben die erwachsenen Kinder nicht mehr am gleichen Wohnort wie die alt gewordenen Eltern. Die Versorgung, die früher oft in der Familie stattfand, wird immer schwieriger und manchmal unmöglich.
Versorgungsengpässe im Ennepe-Ruhr-Kreis beziehen sich insbesondere auf die vollstationäre Dauerpflege und die vollstationäre solitäre Kurzzeitpflege. Zeitnah bei Bedarf einen Pflegeplatz zu finden, ist bereits heute sehr schwer. Außerdem ist es auch schwierig, einen Platz in der Kurzzeitpflege zu finden, wenn Angehörige beispielsweise eine Auszeit von der Pflegebetreuung benötigen. Beides wird durch den Pflegefachkräftemangel verstärkt. Weiter heißt es im Pflegebericht: „Auch in der ambulanten Pflege ist es durch den Pflegefachkräftemangel schwierig, einen Pflegedienst mit freien Kapazitäten zu finden. Insofern können sowohl akute als auch dauerhafte Pflegebedarfe kaum kompensiert werden. Dies kann in den betroffenen Familien zu schwierigen Situationen führen. Aufgrund der demografischen Entwicklungen kann davon ausgegangen werden, dass sich diese Problematik zukünftig verstärken wird.”
Ausgehend von der Pflegemodellrechnung 2021-2050 von IT.NRW wird die Zahl der stationär versorgten Pflegebedürftigen im Jahr 2030 mit knapp 4000 Menschen angegeben, bis 2050 sollen es knapp 5000 Menschen sein. Aktuell liegt die Zahl bei 3600 Personen. Dabei stellt sich die Situation in den einzelnen Städten sehr unterschiedlich dar. Während in Schwelm und Gevelsberg eine Überversorgung existiert, sieht es in Hattingen und Sprockhövel vollkommen anders aus. Hier liegt eine Unterversorgung vor.
Ein hoher Bedarf wird auch in der ambulanten Pflege gesehen – auch aufgrund der politisch gewollten Bestrebungen, ambulante vor stationäre Pflege zu setzen. Die Attraktivitätssteigerung des Pflegeberufes gilt als ein Mittel, personelle Engpässe zu verringern und mehr Menschen für die Pflege zu begeistern. Um das zu erreichen, hat die Studie „Pflegearbeitsplatz mit Zukunft“ vom Bundesministerium für Gesundheit (2023) unter anderem die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf als wünschenswert dargestellt sowie eine attraktivere Bezahlung, beispielsweise durch Zuschläge für die kurzfristige Übernahme von Diensten.
Mehr Fachkräfte und Ehrenamtliche notwendig
Weiter heißt es: „Im Sinne der Unterstützung und Stärkung pflegender An- und Zugehöriger sowie der Förderung der Teilhabe und Mitbestimmung von Pflegebedürftigen gilt es, die bestehenden Beratungsstrukturen (Pflegeberatung, Pflegeselbsthilfe, die Demenzberatung und Wohnberatung) im Ennepe-Ruhr-Kreis zu erhalten und durch weitere komplementäre Versorgungsstrukturen zu stärken. Dies kann dazu beitragen, Prozesse zu beschleunigen, An- und Zugehörigen in der wichtigen informellen Pflege- und Sorgearbeit durch Beratung, Vernetzung und Austausch zu unterstützen und Pflegebedürftigen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.” Nachbarschaftliche Hilfsangebote und die Qualifizierung von Ehrenamtlichen wären hier ebenso zu nennen.
Auch Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen bietet der Bericht Mehrwerte. Er enthält beispielsweise eine Karte, auf der die Standorte der verschiedenen Pflegeangebote in den neun kreisangehörigen Städten auf einen Blick eingesehen werden können. Zudem bietet er einen umfassenden Überblick über die kostenlosen Beratungsangebote im Ennepe-Ruhr-Kreis rund um das Thema Pflege.
Der Pflegebericht 2024 findet sich auf der Webseite der Kreisverwaltung, www.enkeis.de, unter dem Suchbegriff „Pflegebericht“.anja