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Gesundheit

E-Rezept: Alles besser oder was?

Wie klappt es mit der Einlösung in den Apotheken?

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Seit dem 1. Januar ist es da, das E-Rezept. Alles soll digitaler und damit vor allem besser werden. (Gesetzlich) Versicherte erhalten verschreibungspflichtige Arzneimittel jetzt nur noch per E-Rezept und können dieses mit ihrer elektronischen Gesundheitskarte (eGK), per App oder mittels Papierausdruck einlösen. Aber funktioniert das auch?
Es sei deutlich geworden, dass es in Sachen E-Rezept noch eine Reihe von Problemen gebe. Das sagte Michael Mahl, Apotheker in Sprockhövel und Vorsitzender der Bezirksgruppe Ennepe-Ruhr im Apothekerverband Westfalen-Lippe.

Technische Probleme
„Grundsätzlich ist der Weg richtig. Aber noch gibt es viele Probleme bei der Umsetzung. Die Herausforderungen sind sehr unterschiedlich. Ganz oben stehen dabei technische Probleme. Die Daten des E-Rezepts werden verschlüsselt auf Servern der Telematikinfrastruktur (TI) gespeichert, nicht auf der Gesundheitskarte. Doch das Speichern auf dem Server hat seine Tücken. Klappt es nicht, steht der Patient trotzdem wieder mit dem rosafarbenen Papierrezept in der Hand vor dem Apotheker. Weitere Schwierigkeiten gibt es bei der Nicht-Lieferbarkeit von Medikamenten sowie Belieferungen von Altenheimen. Bei der Heimvisite kann der Arzt überhaupt kein E-Rezept ausstellen, weil sie dafür an die TI angeschlossen sein müssen. Auch bei Hausbesuchen ist die Ausstellung des E-Rezeptes noch nicht möglich“, so Michael Mahl. Denn: Von circa 12.000 vollstationären Pflegeeinrichtungen in Deutschland sind bisher nur rund 600 an die TI angeschlossen. An dem Ort, wo das E-Rezept also am meisten nutzen würde, ist sein Einsatz derzeit unmöglich. Die flächendeckende Anbindung der Heime an die TI ist vom Gesetzgeber erst zum 1. Juli 2025 verpflichtend geplant.
„Fehler bei der Rezeptausstellung haben Auswirkungen. Die lassen sich nicht einfach korrigieren. Das Thema Sicherheit ist bei Nutzung der App ebenfalls in der Diskussion“, so Mahl weiter. Zur Anmeldung in der App ist dafür die elektronische Gesund­heits­karte mit NFC-Funk­tion nötig, erkenn­bar an einer sechs­stel­ligen CAN-Nummer, sowie die zugehörige Pin. Diese erhalten Versicherte bei ihrer Krankenkasse. Meist müssen sie sich dafür extra authentifizieren. Sind Gesund­heits­karte und Handy nicht NFC-fähig, ist die App nur einge­schränkt nutz­bar – etwa, um Rezept-Codes zu scannen und in der Apotheke einzulösen. Die Krankenkassen stellen bei Bedarf eine neue elektronische Gesund­heits­karte aus. Nicht ganz einfach zu begreifen für Menschen, die sich mit der Digitalisierung nicht richtig auskennen.
„Wir haben mit dem E-Rezept zunächst einmal nur die Digitalisierung des Papierprozesses in Angriff genommen. Einen medizinischen Mehrwert hat das nicht. Erst wenn wir die elektronische Patientenkarte hätten, wäre dies der Fall. Dann könnten wir beispielsweise durch die Speicherung der Daten auf der Karte in der Apotheke sehen, ob Medikamente - auch nicht-verschreibungspflichtige - zu der bisherigen Medikation passen. Denn nicht-verschreibungspflichtige Präparate sind ja keine Bonbons, die man nach Belieben nehmen kann“, so Michael Mahl.
Ein weiteres Problem: Das E-Rezept wird ausgestellt, aber manchmal sind die Patienten vor ihm in der Apotheke, weil die Praxen die E-Rezepte nicht sofort signieren. Und manchmal dauert es, bis die elektronische Unterschrift auf den E-Rezepten in den Server übertragen wurde. Leidtragender ist der Patient. Dies trifft besonders auf Situationen zu, in denen Arztpraxis und Apotheke in einem Haus untergebracht sind. War es früher einfach, vom Arzt direkt in die Apotheke zu gehen und das unterschriebene Rezept einzulösen, kann das heute Probleme machen. Ein zweiter Gang zur Apotheke wird notwendig - oder man löst das E-Rezept in einer anderen Apotheke (beispielsweise nach dem Einkauf) oder online ein. „Das könnte in Zukunft ein größeres Problem werden - die Menschen gehen nicht mehr in die Apotheke vor Ort, sondern nutzen die Versandapotheken im Internet“, so Mahl. Viele vor allem ältere Patienten sind außerdem verunsichert, weil sie nicht sehen können, was ihnen verordnet wurde.
Auch für Privatpatienten ist das E-Rezept mit Anfangshürden verbunden: Weil sie keine Gesundheitskarte haben, benötigen sie ihre Krankenversichertennummer, eine GesundheitsID und die E-Rezept-App. Bei Privatversicherten muss vor der ersten Verordnung einmalig die Krankenversichertennummer via Online Check-in ins System übermittelt werden. Da das E-Rezept für Privatversicherte freiwillig ist, können sie auf Wunsch oder bei technischen Problemen weiterhin ein klassisches Rezept erhalten. Auch der Kostenbeleg für die Einlösung eines Rezeptes kann von der Apotheke ausgedruckt werden - Papier gespart hat man hier nicht.

Online-Umfrage der KBV
An der jüngsten Befragung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Mitte Februar 2024 zu Erfahrungen mit dem E-Rezept beteiligten sich über 5.300 Ärztinnen und Ärzte. Demnach verordnen 92 Prozent der Ärztinnen und Ärzte verschreibungspflichtige Medikamente auf elektronischem Weg. Über 60 Prozent berichten, dass das Ausstellen von E-Rezepten bis auf kleinere Probleme funktioniert. Als ein Vorteil wurde genannt, dass weniger Patienten für die Rezeptabholung in die Praxis kommen müssten und es einfacher möglich sei, nachträglich, etwa bei Lieferschwierigkeiten, eine Verordnung zu ändern. Für Ärger sorgten aber technische Probleme beim Ausstellen und Einlösen der Rezepte in den Apotheken und auch, dass immer noch Papierrezepte beispielsweise für Heimbewohner ausgestellt werden müssten. Über die Hälfte der Befragungsteilnehmer berichtete von Fällen, bei denen Patienten von der Apotheke zurück in die Praxis geschickt werden, weil das E-Rezept dort nicht eingelöst werden kann und ein rosa Papierrezept gefordert wird. Auch bei Lieferschwierigkeiten sei der Prozess zwischen Apotheke und Arztpraxis mitunter schwierig. Die Apotheke müsste dann das E-Rezept wieder freigeben, damit die Patienten es in einer anderen Apotheke einlösen könne.
Eine weitere Erkenntnis aus der Befragung: Das Übermitteln der Verordnung an den E-Rezept-Server läuft häufig nicht fehlerfrei. Ein Drittel der Befragten hat bereits erlebt, dass es nicht möglich war, E-Rezepte an den Server zu senden. Zudem gibt es mitunter Verzögerungen mit der Bereitstellung auf dem Server, obwohl das E-Rezept signiert und versendet wurde. Die schlechte Umsetzung des E-Rezepts in einigen Praxisverwaltungssystemen sowie häufige Abstürze von Anwendungen und Softwareprogrammen machen Praxen zusätzlich zu schaffen. In der Befragung wollte die KBV auch wissen, wie die Praxen die E-Rezepte signieren und wie gut dieser Prozess läuft.
Die Komfortsignatur ist demnach schon sehr weit verbreitet: vier von fünf Befragten nutzen zum Signieren des E-Rezepts die Komfortsignatur. Mit ihr müssen Ärztinnen und Ärzte nur einmal am Tag ihre Signatur-PIN eingeben, dann sind bis zu 250 Signaturvorgänge über den Tag verteilt freigeschaltet. Für das E-Rezept ist diese Form der elektronischen Unterschrift ideal, da die Verordnung unmittelbar unterschrieben und auf den E-Rezept-Server versendet werden kann. Patienten können das Rezept somit sofort in der Apotheke einlösen. Viele Ärztinnen und Ärzte bemängeln aber, dass das Signieren sehr lange dauert und dass es für das Ausstellen von E-Rezepten für Pflegeheimbewohner bislang noch keine volldigitale Lösung gibt. Praxen drucken daher den E-Rezept-Token häufig aus. Den Aufwand hierfür bezeichnen sie als sehr hoch. Für die Apotheken sagt Michael Mahl: „Im Moment dauert der Prozess defintiv länger als ohne E-Rezept. Außerdem sind Hilfsmittel noch nicht über das E-Rezept verschreibbar.“ Es muss also noch deutlich besser werden. anja