Der Hattinger organisiert Drachenfestivals, Workshops und baut Nachtdrachen mit Pyrotechnik.
„Man kann weiße Seide auf den Boden legen und ein Mensch legt sich darauf. Seine Umrisse werden abgezeichnet und später ausgemalt - wie bei dieser Drachenfigur. So kann man auch als sein eigener Drache nach oben steigen.“ Foto: Pielorz
Uwe Gryzbeck liebt Drachen. Er schaut gerne in den Himmel und baut sie gern selbst. Und nicht nur das: Der Hattinger, der auch ein Faible für Pyrotechnik hat, ist Gründer vom Drachenfestival in Kamen auf dem Segelflugplatz an der Derner Straße. Vor über dreißig Jahren rief er das Drachenspektakel ins Leben. In diesem Jahr – nach der Corona-Pause - soll es am 21. und 22. Mai stattfinden. Auch seine Heimatstadt Hattingen, die den Drachen im Stadtwappen trägt, ist drachenverwöhnt. Zehn Jahre organisierte Uwe Gryzbeck das Drachenfestival am Kemnader Stausee - und bis heute finden Workshops zum Drachenbau, beispielsweise im Rahmen des Ferienspaßes, statt. Es gab eine Ausstellung im LWL-Industriemuseum Henrichshütte und einen Drachen-Workshop mit Flüchtlingsfamilien. Befreundet war Gryzbeck auch mit dem promovierten Juristen Dr. Paul Eubel, dem Leiter des Goethe-Instituts Osaka (Japan). Der lud in den achtziger Jahren bekannte Künstler aus aller Welt ein, japanische Flugdrachen zu gestalten. So entstanden 157 großformatige „Bilder für den Himmel“ von mehr als 120 namhaften Künstlern aus 27 Ländern. Nach der Vernissage 1989 gingen sie auf Tournee, landeten zur Expo 2000 in einem Privatmuseum in Detmold und blieben danach bis zum Tod von Paul Eubel 2010 in seinem Besitz in Palermo. Uwe Gryzbeck betreute den Umzug der Drachen von Detmold nach Palermo und schaffte die Drachen unter abenteuerlichen Bedingungen im Auftrag der Familie Eubel zurück nach Deutschland. Nach neun Jahren entstiegen sie in diesem Jahr den Containern und wurden vom Auktionshaus Nagel für sechs Millionen Euro versteigert. Der Auktionserlös soll für die weltweite Katastrophenhilfe gespendet werden.
Vor diesem Hintergrund treffe ich Uwe Gryzbeck. Ich habe den studierten Sozialwissenschaftler 2012 schon einmal getroffen. Erst als Amateur, seit 1983 als Profi, baut der Hattinger Drachen. Und die haben eine bewegte und lange Geschichte. Während die einen ihren Ursprung im alten China vermuten, glauben andere, die Anfänge im pazifischen Raum zu finden. In jedem Fall sind Drachen viel mehr als ein Spielzeug. Sie wurden eingesetzt zur Wettererkundung, dienten der Kommunikation, sind in Wissenschaft und Kunst zuhause. Sogar für die Raumkapseln der NASA standen die flexiblen Flügelkonstruktionen zwischenzeitlich Pate. „Im alten China gab es sogar eine Lufthoheit für den Drachenflug. Nur der Kaiser durfte sie fliegen und wer das missachtete, erhielt die Todesstrafe“, plaudert Uwe Gryzbeck aus der Geschichte.
Das dürften die wenigstens Menschen im Kopf haben, wenn sie am Strand oder auf der Wiese ihre Drachen in den Himmel steigen lassen. Die Vielfalt der Fluggeräte ist fast grenzenlos. Bis zu einer Windstärke von 110 km/h können Profis Drachen steigen lassen. Ein einzelner Mensch kann bis zu zwanzig Kilogramm halten. Sind die Drachen größer, werden mehrere Personen benötigt, die in engster Abstimmung miteinander arbeiten müssen.
Entscheidend ist immer das Warten auf den richtigen Moment, wenn der Wind den Drachen in den Himmel trägt. Übrigens: Im Frühling sind die Windverhältnisse viel besser als im Herbst, der allgemein als Drachenzeit gilt. Viele Drachen aus dem Selbstbau von Amateuren und Profis bestehen aus Segeltuch, ihr Gerüst aus Kohlefaserrohre. Es gehen aber auch andere Materialien wie Papier, Seide oder Folien. Drachengerüst und Auftriebsfläche müssen dabei im Verhältnis zueinander stehen, damit der Drache gut abheben kann. „Einen Drachen fliegen zu lassen, hat etwas Meditatives. Man kann jede Windböe spüren beim Blick in den Himmel. Es ist Ästhetik pur, ist fein und leicht, für mich eine Herzensangelegenheit. Mit Drachen und meinem zweiten beruflichen Standbein, der Pyrotechnik, kann man die Menschen dazu bewegen, mit einem Lächeln in den Himmel zu schauen“, sagt er. Zur Pyrotechnik kam er über die Nachtdrachen. „Es gab Drachen, die in der Dunkelheit mit Beleuchtung aufstiegen. LED-Licht gab es damals noch nicht. Lampions kamen zum Einsatz und irgendwann kam ich auf die Idee mit der Pyrotechnik.“ Dafür besuchte er eine Sprengschule. So wird der Drachen auch bei Dunkelheit zu einem besonderen Fabelwesen.
www.drachenundfeuerwerk.de anja