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Gesundheit

Die Neurologie: Wenn unser Nervensystem erkrankt

Schlaganfall, Multiple Sklerose, Polyneuropathie: Das ist bekannt zu Ursachen, Diagnosen und Therapien.

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Prof. Dr. Min-Suk Yoon, Chefarzt der Klinik für Neurologie und Ärztlicher Direktor am Ev. Krankenhaus Hattingen. Foto: Augusta Kliniken

Neurologie ist die Lehre von den Krankheiten des Nervensystems. Zum Nervensystem gehören das Gehirn, das sich innerhalb der Wirbelsäule ins Rückenmark fortsetzt und die von dort ab- und zuführenden Nerven in Arme und Beine, die sogenannten peripheren Nerven. IMAGE sprach mit dem Chefarzt der Klinik für Neurologie am Ev. Krankenhaus Hattingen, Prof. Dr. Min-Suk Yoon. Sein klinischer Schwerpunkt liegt auf der Versorgung neurologischer Notfälle wie dem Schlaganfall sowie verschiedenen entzündlichen Erkrankungen des Nervensystems wie Multiple Sklerose und Polyneuropathien.

IMAGE: Welche Risiken führen zum Schlaganfall?
YOON: Der Schlaganfall ist ein bedeutender Faktor in der neurologischen Versorgung. Hervorzuheben ist, dass die Erkrankung unabhängig vom Alter auftreten kann. Bekannte Risikofaktoren sind ein Bluthochdruck, Zucker- und Fettstoffwechselstörungen sowie Herzrhythmusstörungen wie beispielsweise das Vorhofflimmern. Ein gesunder Lebensstil kann das Risiko von Schlaganfällen verringern. Dazu gehören der weitestgehende Verzicht auf Alkohol und Rauchen, eine ausreichende Versorgung in der Ernährung mit Obst und Gemüse, ausreichende Bewegung und der Abbau von Übergewicht.

IMAGE: Welche Therapie wird nach einem Schlaganfall angewandt?
YOON: Besonders wichtig ist die frühzeitige Versorgung. Symptome wie plötzlich auftretende Gangunsicherheit, Lähmungserscheinungen einer Körperhälfte, Kopfschmerzen, Seh-, Sprach und Sprechstörungen sollten sehr ernst genommen werden und bedürfen einer raschen medizinischen Abklärung. Zwischen Symptombeginn und einer Notfallbehandlung muss das Zeitfenster möglichst kurz sein. Mit dem Verdacht auf einen Schlaganfall wird der Betroffene am besten in einem Krankenhaus auf einer Stroke Unit versorgt. Unsere Stroke Unit wurde wiederholt von der Deutschen Schlaganfallgesellschaft zertifiziert. Sie hat die apparativen und die personellen Voraussetzungen für die notwendigen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen. Hier können die lebensnotwendigen Funktionen der Betroffenen wie Blutdruck, Atmung, Herztätigkeit, Körpertemperatur und Blutwerte rund um die Uhr überwacht werden. Ein Team unterschiedlicher Fachärzte, bestehend aus Neurologen, Kardiologen sowie Radiologen und teilweise auch Neuro- und Gefäßchirurgen arbeitet zusammen. Gefäßverschlüsse werden durch passende Medikamente aufgelöst. Die genaue Therapie ist abhängig von den Folgen des Schlaganfalls. Hier kommen Physiotherapie, Logopädie, Schlucktherapie und viele andere Möglichkeiten infrage. Je nach Krankheitsbild stellen Ärzte den individuellen Therapieplan für den Betroffenen zusammen.

IMAGE: Zu Ihren medizinischen Schwerpunkten gehört die Multiple Sklerose. Was ist das und wie kann man sie behandeln?
YOON: Die Multiple Sklerose (MS) ist eine chronische Erkrankung des Zentralen Nervensystems. Es kommt zu vielfachen – multiplen – Entzündungen im Gehirn und im Rückenmark. Es handelt sich dabei um eine Erkrankung des Immunsystems, die vielfältige Beschwerden verursacht und höchst individuell verläuft. Die Erkrankung kann in Schüben oder fortschreitend verlaufen. Zu den Beschwerden gehören oft Bewegungs- und Koordinationsstörungen, Sehstörungen, Schwindel, Fatigue, Lähmungserscheinungen, aber auch depressive Verstimmungen. Durch moderne Therapien lässt sich die MS sehr gut behandeln, sodass viele Betroffene ein weitestgehend normales Leben führen können. Sind die geeigneten therapeutischen Maßnahmen gefunden, so kann der Betroffene seinen Alltag in der Regel gut bewältigen.

IMAGE: Auch Polyneuropathien gehören zu den Erkrankungen des Nervensystems. Was sind Polyneuropathien?
YOON: Polyneuropathien sind Schädigungen der Nerven. Wir unterscheiden zwischen erworbenen und angeborenen Polyneuropathien, wobei die Gruppe der erworbenen Erkrankungen deutlich größer ist. In Deutschland leiden geschätzt sechs Millionen Menschen an einer Polyneuropathie mit einer hohen Dunkelziffer. Die Hauptursachen sind Diabetes mellitus und Alkoholmissbrauch.
Neben diesen Ursachen sind die autoimmunen Polyneuropathien die dritthäufigste Gruppe, die ähnlich der MS durch eine Fehlsteuerung des Immunsystems verursacht wird.
Die Symptome der Polyneuropathien sind vielfältig und reichen von (schmerzhaften) Empfindungsstörungen, Gangstörungen, die von Betroffenen als Schwindel wahrgenommen werden, Koordinationsstörungen bis hin zu Lähmungen. Dabei sind nicht alle Polyneuropathien symmetrisch ausgeprägt, sondern können z.B. nur in einem Bein auftreten. Bleibt eine Polyneuropathie unbehandelt, kann sie im weiteren Verlauf die Autonomie der Menschen gefährden. Dann werden Hilfsmittel wie Gehstöcke oder Rollatoren unabdingbar gebraucht.

IMAGE: Wie werden Polyneuropathien diagnostiziert und behandelt?
YOON: Es gibt unterschiedliche Diagnoseverfahren. Am Anfang steht die ausführliche Anamnese. Die medizinische Vorgeschichte und die Dauer der Beschwerden werden abgefragt. Sodann geben verschiedene Tests Hinweise auf ein Vorliegen der Erkrankung.
Die Elektromyographie misst elektrische Spannungen im Muskel, aus denen der Neurologe Rückschlüsse auf eine Reizleitungsstörung der versorgenden Nerven ziehen kann. Eine Elektroneurographie misst die Nervenleitgeschwindigkeit von bestimmten peripheren Nerven. Bei einer Lumbalpunktion wird Flüssigkeit (Liquor) aus dem Rückenmarkskanal entnommen und anschließend auf Antikörper, Tumorzellen oder ein entzündliches Geschehen untersucht und schließlich kann eine Biopsie peripherer Nerven ebenfalls zur Beurteilung vorhandener Nervenschäden durchgeführt werden.
In Hattingen nutzen wir als innovative Methode den Ultraschall zur Untersuchung der Nerven. Es gibt zahlreiche Erkrankungen aus anderen Fachbereichen, wie z.B. Dermatologie, Rheumatologie, Innere Medizin, Nephrologie, Onkologie, die eine Polyneuropathie verursachen können. Damit verbunden sind zahlreiche Untersuchungen notwendig, um nach den Ursachen der Polyneuropathie zu fahnden.
Wenn die zugrundeliegende Ursache gefunden werden konnte, schließt sich die Behandlung an. Neben der Behandlung der Ursache müssen auch die Symptome der Polyneuropathie behandelt werden. anja