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Hattingen

Die Mädchenfigur „Die Ruhr” – fast vergessene Kunst

Mit Stadtarchivar Thomas Weiß schauen wir in die Hattinger Geschichte. Heute erinnern wir an eine von der hwg finanzierte Bronzeplastik anlässlich der 2000. Wohnung im Rauendahl.

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Die junge Dame dreht der Ruhr heute den Rücken zu. Der Fluss befindet sich hinter den Bäumen. Foto (klein): Stadtarchiv Hattingen; Foto (groß): Pielorz

Wer beim Lebensmitteldiscounter im Rauendahl einkauft und ziemlich weit hinten parkt, hat nur wenige Schritte zu Fuß zurückzulegen, um der Dame ins Angesicht zu blicken. Direkt vor dem Spielplatz „Auf dem Kampe“ blickt sie den Betrachter an. Eigentlich sollte sie auf die Ruhr blicken, denn die lebensgroße Mädchenfigur heißt auch genau so. Tut sie aber heute nicht mehr.

Hattingen historisch
Der Stadtteil Rauendahl, die Hattinger Nordstadt, entstand vor dem Hintergrund der Flüchtlinge aus den Ostgebieten. Nach dem Zweiten Weltkrieg mussten 14 Millionen Deutsche aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten und später aus der DDR ihre Heimat verlassen. Tausende von ihnen fanden in Hattingen ihre neue Heimat; hier entstanden damals die beiden Ortsteile Rauendahl (Nordstadt) und auch die Südstadt. Straßennamen im Rauendahl wie „Weimarer Straße“, „Jenaer Straße“, „Stettiner Straße“ oder „Königsberger Straße“ erinnern an die bewegte Geschichte des Stadtteils.
Die Hattinger Wohnstätten (hwg) bauten hier tausende Wohnungen für die Menschen. Nachdem die Wohnungssuchenden mit Wohnraum versorgt waren, kümmerte man sich in den 60er Jahren um die Infrastruktur. Dazu gehörte auch die Schaffung von Plätzen mit Aufenthaltsqualität. Und hier kommt unsere Ruhr-Dame ins Spiel, sollte sie doch gemeinsam mit einem Brunnen und Bänken einen kompletten Platz bestücken. Brunnen und Platz hat es auch tatsächlich gegeben. Die Bronzeplastik wurde von dem Bildhauer Adolf Wamper geschaffen, einem Bildhauer der Essener Folkwang-Schule.
„Weich und fließend in der Gliederung ist diese Figur, die das heitere Wellenspiel des Flusses tief unter sich in sich aufgenommen zu haben scheint“, berichtete die Zeitung „Hattingen am Mittag“ am 28. April 1961. Die ganze Anlage war angelegt auf 460 Quadratmetern und mit Sitzbänken bestückt. 1960 blickte die Ruhr-Dame auf den Fluss herunter in Erinnerung an den Bau der 2000. Wohnung, finanziert von der hwg, die auch das Kunstwerk schaffen ließ. Die Ruhr-Dame gilt als ein frühes Beispiel für Kunst im öffentlichen Raum. Viel später erst sollten die fünf Hattinger Stadttore folgen, die im Rahmen eines künstlerischen Wettbewerbes entstanden.

Kunst im öffentlichen Raum
Adolf Wamper (1901-1977) war ein deutscher Bildhauer und zuletzt künstlerischer Leiter an der Essener Folkwang-Schule. Beteiligt war er unter anderem an der Umgestaltung der Deutschen Oper in Berlin. Sein bekanntestes Alterswerk ist „Die schwarze Madonna von Remagen“, die er aus dem Schlamm des Gefangenenlagers „Goldene Meile“ gefertigt hatte und heute in der Kapelle Schwarze Madonna steht. Zu seinen weiteren Werken gehören unter anderem die Bronzeplastik „Turnfestdenkmal“ in Essen, das an das Deutsche Turnfest 1963 erinnert und die Bronzefigur des Marktbrunnens in Essen-Rüttenscheid. Die Objekte stehen heute unter Denkmalschutz. Im Nationalsozialismus kam er 1944 auf die Liste der „Gottbegnadeten“. Sie enthält 378 Namen von Schriftstellern, Komponisten, Künstlern und Theaterregisseuren. Die Liste bewahrte sie vor dem Kriegseinsatz.  anja